Erfahrungen von CIOs

Deutsche CIOs werden im Ausland geschätzt

Sabine Thiemann ist Principal bei der Executive-Search-Boutique i-potentials und verantwortet im Schwerpunkt Suchmandate für CxO-Positionen. Sie ist Leadership-Expertin mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Besetzung von Top-Führungspositionen. Im Laufe ihrer Karriere hat Sabine Thiemann vorwiegend mit Großunternehmen und internationalen Konzernen zusammengearbeitet. Bei i-potentials berät sie auch Organisationen aus dem transformierenden Mittelstand und Scale-Ups jeweils mit PE-Beteiligung.
Deutschsprachige CIOs werden auch im Ausland nachgefragt. Welche Erfahrungen machen sie? Und ist der Einsatz in nichtdeutschen Konzernen sinnvoll für die Karriere?
  • Geschätzt an deutschen Kollegen wird ihre fundierte Ausbildung und starke Prozessorientierung.
  • Deutsche CIOs in ausländischen Unternehmen tendieren dazu, die Herausforderung am Anfang zu unterschätzen.
  • CIO Dirk Altgassen rät: „Wer in einem internationalen Unternehmen arbeitet, muss eine hohe Bereitschaft zur Adaption mitbringen, selbstkritisch sein und permanent Feedback einholen.“
  • Ein Tipp der Auslandsprofis: Deutsche CIOs sollten sich ein kleines Netzwerk an CIO-Kollegen in ihrem jeweiligen Einsatzland aufbauen.
  • Wer als CIO im Ausland Karriere gemacht hat, gehört unbedingt auf den Radar anspruchsvoller Unternehmen.
CIOs aus Deutschland sind im Ausland gefragt.
CIOs aus Deutschland sind im Ausland gefragt.
Foto: OPOLJA - shutterstock.com

Immer häufiger greifen Unternehmen im Ausland auf deutschsprachige CIOs zurück. Ich würde es nicht als Megatrend bezeichnen, aber ihre zunehmende Zahl in jüngerer Zeit sticht ins Auge. Nur einige Beispiele: Michael Gorriz ist Group CIO der britischen Standard Chartered Bank in Singapur, der Schweizer Patrick NaefPatrick Naef bekleidet diese Position bei der Fluglinie Emirates in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Michael NillesMichael Nilles ist CDO bei der Schindler Group in der Schweiz und Dirk AltgassenDirk Altgassen CIO bei Etex Information Technology in Belgien. Diese CIOs stehen pars pro toto einer neuen Wanderlust, die auch IT-Manager erfasst hat. Profil von Dirk Altgassen im CIO-Netzwerk Profil von Michael Nilles im CIO-Netzwerk Profil von Patrick Naef im CIO-Netzwerk

Fundierte Ausbildung und starke Prozessorientierung

Bei ihren ausländischen Arbeitgebern sorgen die deutschen CIOs für mehr Diversity, eine andere Perspektive und neue Impulse. Geschätzt an den deutschen Kollegen wird insbesondere ihre fundierte Ausbildung und starke Prozessorientierung. Sie sind in der Lage, Strukturen aufzubauen, wo vorher möglicherweise eher ein "kreativer" Umgang gepflegt wurde. Von den guten deutschen Ingenieurstugenden profitieren also die Firmen, die sich deutsche CIOs geangelt haben.

Wenn man mit CIOs spricht, die für nichtdeutsche Firmen tätig sind, wird aber auch klar: Die Auswanderer ihrerseits verfügen über eine steile Lernkurve. Sie profitieren von der ungewohnten Situation und der Kommunikation in fremder Sprache und im Rahmen einer anderen Kultur genauso wie das neue Unternehmen von ihren Fähigkeiten.

Herausforderung wird anfangs gern unterschätzt

Deutsche CIOs in ausländischen Unternehmen tendieren dazu, die Herausforderung am Anfang zu unterschätzen. Die Einstellung "wird schon werden" und "so anders kann das doch nicht sein" herrscht vor. Doch das erweist sich schnell als Irrtum. Wer mit zu viel Arroganz und Naivität den neuen Job angeht, wird rasch geerdet.

Es ist hart, 24/7 nur in Englisch oder einer anderen Fremdsprache zu kommunizieren, und ganz ohne deutschsprachige Kollegen auskommen zu müssen, mit denen man sich einmal so richtig aussprechen kann. Es entstehen leicht Missverständnisse, die andere Kommunikationsweise und Kultur muss man erst adaptieren ohne gleich zu Anfang zu viel Porzellan zu zerschlagen.

Erfahrungen von CIO Dirk Altgassen in Belgien

Selbst im nahen Belgien ist die Arbeitskultur unterschiedlich, berichtet Dirk Altgassen. Auf persönliche Beziehungen wird viel mehr Wert gelegt. Man muss bei Kollegen direkt nachhaken, nur über E-Mail zu kommunizieren reicht nicht, das persönliche Gespräch am Telefon oder vis a vis zählt.

Er rät: "Wer in einem internationalen Unternehmen arbeitet, muss eine hohe Bereitschaft zur Adaption mitbringen, selbstkritisch sein und permanent Feedback einholen. Auch Verhaltensweisen wie Sensibilität und Empathie helfen." Diese gerne auch Soft SkillsSkills genannten Eigenschaften betonen auch anderen CIOs im Ausland: Egogehabe ist kontraproduktiv, besser ist eine gute Portion Bescheidenheit. Alles zu Skills auf CIO.de

Deutsche CIOs im Ausland scheinen dieses Fingerspitzengefühl mitzubringen. Das mag auch mit der deutschen Geschichte und der neuen Offenheit gegenüber anderen in unserem Land zu tun haben. IT-Führungskräfte unterscheiden sich in diesem Aspekt auch von Kollegen angelsächsischer Provenienz, die forscher auftreten und viel stärker dazu sozialisiert sind, ihre Spielregeln und Verhaltensmuster durchzusetzen. Auch eine Erfahrung von Managern mit Auslandserfahrung: Deutsche sind inzwischen, nicht nur in der IT, in sehr vielen Ländern höchst willkommen.

Vollständig vorbereiten kann man sich nicht

So divergieren also häufig die Vorstellungen, die sich die CIOs vor ihrem Wechsel ins Ausland machten, mit der Realität. Vollständig vorbereiten kann man sich aber nicht, auch das ist eine Erfahrung aus der Praxis. Was den IT-Führungskräften zugute kommt: Zumindest inhaltlich spricht man innerhalb der Abteilung eine einheitliche Sprache. Über fachliche Fragen lässt sich also gut miteinander kommunizieren. Die Gefahr von Missverständnissen ist hier geringer.

Aber auch im Fachlichen lauern Fallstricke. Die Zusammenarbeit beispielsweise mit indischen Mitarbeitern, die in Unternehmen auf der ganzen Welt eingesetzt werden, gilt oft als kompliziert. Sie bedürfen einer ganz besonderen Aufmerksamkeit.

Tipp: kleines CIO-Netzwerk aufbauen

Ein Tipp der Auslandsprofis: Deutsche CIOs sollten sich ein kleines Netzwerk an CIO-Kollegen in ihrem jeweiligen Einsatzland aufbauen. Diese seien am Kontakt mit den Deutschen interessiert und könnten gute Hinweise liefern, wie man alltägliche Klippen meistert. Dirk Altgassen beispielsweise hat sich in Belgien derart gut integriert, dass er für den nationalen Preis "CIO des Jahres 2017" vorgeschlagen wurde.

Zwei CIO-Typen: Abenteurerer und Heimkehrer

Hilft ein Job als CIO im Ausland auch für später in Deutschland? Für internationale Unternehmen arbeiten im Prinzip zwei Typen von CIOs:

  • Zunächst die Abenteurer, die persönlich sehr unabhängig sind und Freude daran haben, auch einmal ins kalte Wasser zu springen. Sie werden möglicherweise bei ihrer nächsten Station wieder bei einem internationalen Konzern landen.

  • Zum anderen findet man CIOs, die irgendwann einmal wieder in Deutschland tätig sein wollen. Für sie ist der aktuelle Einsatz lediglich eine Zwischenstation auf dem Weg in eine Führungsposition in einem großen Konzern in der Heimat.

Ausland ist ein Karrierebeschleuniger

Ist das Auslandsengagement dabei ein Karrierebeschleuniger? Ich finde ja, es ist ein höchst spannender Schritt. Sich in einem internationalen Konzern zu bewähren, ist sicherlich noch einmal anspruchsvoller als für ein deutschsprachiges Unternehmen einen Auslandseinsatz zu absolvieren. Als Deutscher in der weiten Welt ohne Netz und doppelte Absicherung zu reüssieren, das verdient Respekt.

Man kann deutschen Unternehmen also nur raten, die auf der Suche nach einem veritablen CIO sind, ihren Suchhorizont um jene gestandenen IT-Führungskräfte zu erweitern, denen es gelungen ist, sich an eine fremde Umgebung anzupassen und sich dabei persönlich durchzusetzen. Wer als CIO im Ausland KarriereKarriere gemacht hat, gehört also unbedingt auf den Radar und den externen Talentpool anspruchsvoller Unternehmen. Alles zu Karriere auf CIO.de

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