PRISM-Skandal bestätigt Bedenken

Dunkler Schatten über dem IT-Outsourcing

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Kosten senken und berechenbaren Standard liefern – diese beiden Anwenderziele erfüllt IT-Outsourcing. Neuen Studien zeigen aber, dass enorme strategische Mängel bestehen und Cloud Computing den Markt zu hemmen beginnt. Zudem verstärkt der PRISM-Spionage-Skandal die Datenschutz-Skeptiker.
Die Grafik zeigt die wichtigsten Outsourcing-Treiber in der Übersicht.
Die Grafik zeigt die wichtigsten Outsourcing-Treiber in der Übersicht.
Foto: KPMG/HfS Research

„Geiz ist geil", lautet eine mittlerweile etwas verstaubte Werbeparole. Sie stammt ungefähr aus jener Zeit, in der auch das IT-Outsourcing so richtig Fahrt aufnahm – und ist immer noch eine Art Leitmotiv auch dafür. Jedenfalls zeigt eine aktuelle Studie von KPMG und HfS Research, dass den Anwendern die durch Auslagerung erhoffte Senkung der operativen Kosten in der Regel gelingt. Ein strategischer Mehrwert stellt sich hingegen eher selten ein, was offenbar auch am ausgeprägten Spar-Fokus liegt. Wie die Studie ebenfalls zeigt, liefert Business Process OutsourcingOutsourcing (BPO) im Durchschnitt eine effektivere Performance als IT-Outsourcing. Alles zu Outsourcing auf CIO.de

ADM liegt im Trend

„Die Kunden wollen es gut und günstig – also bekommen sie es auch gut und günstig", kommentiert Phil Fersht, CEO des Outsourcing-Analystenhauses HfS Research. Viele Provider hätten sich mit Erfolg genau auf dieses Billig-Segment spezialisiert. Sie fahren laut Fersht zum Teil bewusst die Strategie, die von Branchengrößen wie HPHP oder IBMIBM angebotenen Verträge um 30 Prozent zu unterbieten. In dieser Hinsicht machen die Provider also weithin einen guten Job – und das zum Gusto ihrer Kunden. Alles zu HP auf CIO.de Alles zu IBM auf CIO.de

Das Problem dabei: Allzu häufig erschöpft sich IT-Outsourcing darin. Ein Beispiel dafür liefert der aktuelle Renner Application Development & Maintenance (ADM). Rund die Hälfte der Outsourcing-Anwender will diesen Bereich laut Studie in diesem Jahr ausbauen. Verlockend sind derzeit die sehr guten Möglichkeiten, noch größere Einsparungen zu erzielen. Befördert wird der Trend durch die Optionen in der Cloud und das Ziel, Legacy-Anwendungen endlich aus den eigenen vier Wänden zu schaffen.

Während aber fast 90 Prozent der 399 befragten Firmen mit der erreichten Kostensenkung und der standardmäßigen Delivery-Performance zufrieden sind, fällt das Zeugnis in strategischen Belangen schlecht aus. Nur neun Prozent empfinden ihre Provider als innovativ; lediglich 11 Prozent äußern sich angetan von den analytischen Fähigkeiten der Anbieter; Zugang zu neuen Technologien ebnen die Provider nur nach Meinung von einem knappen Fünftel ihrer Kunden.

Widersprüchliche Erwartungen

Nach Einschätzung der Analysten hilft es nicht weiter, hierfür den Anbietern den Schwarzen Peter zuzuschustern. Widersprüchlicherweise erwarten die Anwender zwar nach eigener Aussage mittlerweile mehr als Standardleistungen zu günstigen Tarifen, sind aber nicht bereit, dafür entsprechend zu bezahlen. „Es gilt: Man bekommt, was man bestellt", sagt KPMG-Analyst David Brown. „Und seit einigen Jahren wollen viele Kunden so wenig zahlen wie möglich." Analysten-Kollege Fersht sieht kaum Anhaltspunkte dafür, dass sich das schnell ändert. Schließlich seien die großen Firmen größtenteils seit zwei Jahrzehnten mit IT-Outsourcing befasst. Wenn die Ergebnisse nach so langer Zeit immer noch so schlecht seien, werde sich vermutlich nicht viel verbessern, so Fersht.

Am Bedarf der Anwender an strategischem Outsourcing-Mehrwert lässt die Studie keinen Zweifel. 70 Prozent der Befragten stufen beispielsweise den Zugang zu Talenten als geschäftskritischen oder wichtigen Treiber ihrer Auslagerungsaktivitäten ein. Zugang zu neuer Technologie und eine Verbesserung des Analyse-Potenzials nennen jeweils um die 60 Prozent. Mit Werten zwischen 75 und 90 Prozent sind den Anwendern gleichwohl operative Treiber wie Kostensenkung, Flexibilität und Skalierbarkeit sowie StandardisierungStandardisierung von Prozessen noch wichtiger. Alles zu Standardisierung auf CIO.de

ADM steht momentan als Outsourcing-Feld ganz oben auf der Agenda. Neun Prozent der befragten Unternehmen wagen auf diesem Gebiet erstmals diesen Schritt, 39 Prozent planen den Ausbau ihrer Aktivitäten. Von jeweils zwei Fünftel der Unternehmen werden Finance & Accounting sowie IT-Infrastruktur als Wachstumsfelder genannt.

Wie bereits angedeutet erweist sich laut Studie von KPMG und HfS Research BPO in nahezu allen Bereichen als effektiver als IT-Outsourcing. Neben den erwähnten strategischen Baustellen fällt auf, dass in zwei Bereichen mittelständische Unternehmen deutlich erfolgreicher agieren als Großunternehmen. Bei der Transformation von Prozessen bewerten sich 23 Prozent der Mittelständler als sehr effektiv, aber nur 15 Prozent der Großunternehmen. Bei der InnovationInnovation ist das Verhältnis 17 zu sieben Prozent. Alles zu Innovation auf CIO.de

Neben der KPMG-HfS-Studie, für die insgesamt 1355 Anwender, Service Provider und Berater befragt wurden, beleuchten auch Gartner und Steria Mummert aktuelle Trends beim IT-Outsourcing. Und sie betonen ebenfalls negative Entwicklungen. So korrigierte Gartner seine globale Wachstumsprognose für 2013 nach unten. Die Marktforscher gehen nur noch von einem Wachstum der weltweiten Ausgaben um 2,8 Prozent auf 288 Milliarden US-Dollar aus.

Zwar fiele diese Prognose währungsbereinigt mit einem Plus von 5,1 Prozent etwa freundlicher aus. Im regionalen Vergleich schwächelt der Markt aber laut Gartner insbesondere in Westeuropa. Nach Einschätzung von Analyst Bryan Britz sind insbesondere die begrenzten IT-Budgets, die maue Konjunkturlage und der starke Kostenfokus der Anwender die limitierenden Faktoren.

Gartner-Analyst Bryan Britz: "Die globale Marktgröße für Data Center-Outsourcing schrumpft stetig, weil immer mehr Workloads in Richtung IaaS und Infrastructure Utility Services verschoben werden."
Gartner-Analyst Bryan Britz: "Die globale Marktgröße für Data Center-Outsourcing schrumpft stetig, weil immer mehr Workloads in Richtung IaaS und Infrastructure Utility Services verschoben werden."
Foto: Gartner

Hinzu kommt der Faktor Cloud ComputingCloud Computing. Großunternehmen verfolgen nach Beobachtung von Britz zunehmend hybride IT-Strategien, während sich kleine und mittlere Firmen immer stärker in Richtung Infrastructure-as-a-Service (IaaS) bewegen. Auch wegen des Cloud-Trends bleibt vom Gesamtkuchen weniger für klassisches Outsourcing übrig. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de

„Die globale Marktgröße für Data Center-Outsourcing schrumpft stetig, weil immer mehr Workloads in Richtung IaaS und Infrastructure Utility Services verschoben werden", erläutert Britz. Diese Bewegung frisst netto die Zuwächse bei der Auslagerung von Rechenzentren auf. Auf dem stark absteigenden Ast ist laut Gartner auch das Desktop-Outsourcing, im Aufwind bis voraussichtlich 2017 hingegen das Outsourcing von Support für mobile Endgeräte.

Diffuse Angst vor Datenklau

Der aktuelle Spionage-Skandal um das Überwachungsprogramm PRISM dürfte nach Einschätzung von Steria Mummert die Bedenken hiesiger Anwender gegenüber Outsourcing weiter befeuern. Wie aus einer Studie unter 200 Fach- und Führungskräften hervorgeht, sind Datenschutzsorgen die größte Hürde bei Auslagerungs-Vorhaben. 76 Prozent der Entscheider lehnten deshalb ein Near- oder Offshoring ab, berichtet Steria Mummert.

„Eine diffuse Angst vor Datendiebstahl bei Auslagerungen war schon immer vorhanden und ist durch die aktuellen Ereignisse nachvollziehbar geworden", sagt Daniel Just, Outsourcing-Experte von Steria Mummert Consulting. Auf die Frage nach den wichtigsten Anforderungen an Service Provider nennen 64 Prozent? der Befragten die Datensicherheit. Im Vergleich zur Vorjahresstudie ist der Wert um sieben Prozentpunkte gestiegen.

„Die Steigerung im Jahresvergleich ist beachtlich", so Studienleiter Just. Die Datensicherheit genieße zurecht eine hohe Priorität. Die Entscheidung, Unternehmensaufgaben nach Übersee zu verlagern, müsse immer mit den angemessenen Sicherheitsstandards umgesetzt werden.

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