Experten-Forderung

Mobilität in Innenstädten muss bezahlbar bleiben

02.09.2014
Die Mobilität in den Innenstädten stößt an ihre Grenzen. Industrie, Stadtplaner, aber auch Wissenschaftler machen sich bereits Gedanken über smarte Lösungen. Eine der Grundforderungen: Die Technik muss beherrschbar und bezahlbar bleiben. Und: Die Politik ist gefragt.

Was wird die Logistik in der Stadt der Zukunft prägen: selbstfahrende Autos oder fliegende Drohnen-Kuriere? "Statt der Drohnen glaube ich eher an das automatisch fahrende Fahrzeug", meint Professor Hans-Jörg Bullinger von der Fraunhofer-Gesellschaft. Bei einer Expertenrunde in Hannover zur Mobilität der Zukunft stand er am Dienstag nicht allein mit seiner Meinung. Angesichts wachsender Großstädte, eines knapper werdenden Raums, neuer Lebensstile und auch eines geschärften Umweltbewusstseins zeichnen sich in den Ballungsgebieten dieser Welt viele neue Szenarien ab.

Auch wenn noch jede Menge Fragen völlig offen sind: Die IndustrieIndustrie bereitet sich bereits darauf vor. Vor der IAA-Nutzfahrzeug-Messe vom 25. September bis zum 2. Oktober in Hannover stand am Dienstag bei der Expertenrunde das Thema Mobilität der Zukunft im Mittelpunkt. Bei der gemeinsam von der niedersächsischen Landeshauptstadt und der Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge organisierten Veranstaltung stellten Manager, Stadtplaner und Wissenschaftler ihre Konzepte vor. Für den Chef der VW-Konzernforschung, Jürgen Leohold, ist klar: "Der Autopilot ist keine Utopie mehr." Sein Szenario: Das Auto wird schlauer, lenkt sich selbst, kommuniziert mit anderen und wird sauberer, bleibt aber Teil der Mobilitäts- und Logistikkonzepte. Top-Firmen der Branche Industrie

Der Individualverkehr in seiner bisherigen Form ist in den urbanen Zentren auf dem Rückzug. Viele Städte, so wurde in der Expertenrunde deutlich, versuchen, ihn mit unterschiedlich Konzepten zurückzudrängen. Ob mit einer bewussten Verringerung der Parkmöglichkeiten oder drastischeren Maßnahmen wie in Chinas Hauptstadt Peking. Dort werden monatlich 20 000 Kennzeichen für 1,5 Millionen Bewerber verlost, führte einer der Redner an. Oder meistbietend versteigert, wie in Schanghai. Alternative Konzepte wie Carsharing werden künftig Trumpf sein - für immer mehr Menschen ist das eigene Auto längst keine Selbstverständlichkeit mehr.

Das komplett vom Computer gesteuerte Auto ist Teil der Innovationen, mit denen die Industrie die Zukunft anpeilt. Etwa im Bereich der Elektro-Autos, die auch die etablierten Logistikwege vor völlig neue Herausforderungen stellen. Der Leiter der VW-Nutzfahrzeugsparte, Eckhard Scholz, wies auf Studien hin, wonach derartige Fahrzeuge auf kurzen Distanzen im innerstädtischen Bereich durchaus Sinn machen. Kurierdienste etwa fahren im Schnitt pro Tag rund 35 Kilometer - und halten bis zu 400 mal.

VW bietet mit dem Modell e-load-up auf der IAA ein entsprechendes Serienfahrzeug für Kleinkuriere an. Doch das Kernproblem: Die Wagen sind angesichts der neuen Technologie noch immer relativ teuer - und Handwerker, Kurierdienst oder Händler müssen mit ihren Lieferwagen Geld verdienen. Der Ruf nach staatlicher Anschubhilfe wurde daher auch beim Zukunftskongress in Hannover schnell wieder laut. Der nötige Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft wurde mehr als einmal beschworen. Die Politik soll klare Rahmenkonzepte vorgeben.

Denn auch die Technologie selbst ist im Wandel. "Schnelllebige Technologien kollidieren mit langfristigen Infrastrukturen", brachte es Bullinger auf den Punkt. Bleibt die Frage, wie schnell heute die Prototypen und Modellversuche der Industrie heute Realität werden. Einen schleichenden, evolutionären Prozess sieht da VW-Vordenker Leoholt. "Die Technik muss reifen", lautet sein Motto. Und: Sie muss bezahlbar und beherrschbar sein. So wie etwa der Autopilot.

Was in der Luftfahrt seit Jahrzehnten Standard ist, wird auf der Straße noch etwas dauern. Denn anders als in der Luft sitzen keine Spezialisten vorm Steuer - und auch die Reaktionszeiten sind andere. Dennoch hat VW die Akzeptanz möglicher Käufer bereits angetestet. Vor einigen Jahren, als bei einem Test Passanten zu einer Spritztour mit einem angeblich vollautomatischen Auto eingeladen wurden. "Jeder hatte so seine Hemmschwelle - es gab aber auch eine Menge Vertrauen", sagte Leoholt. Was die Testpersonen nicht wussten: Ohne ihr Wissen wurde der Wagen von einem Fahrer auf der Rücksitzbank gesteuert. (dpa/rs)

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