Autoindustrie sucht Fachkräfte aus der IT

Neue Jobs und Skills dank Elektromobilität

Hagen Schönfeld ist Business Unit Manager bei der auf Executive Search spezialisierten Hager Unternehmensberatung.
Durch den Trend zur E-Mobilität haben sich bei der Besetzung von Fach- und Führungskräften sowohl die Anforderungen als auch die Rahmenbedingungen deutlich verändert. Nicht die Autobauer- und Zulieferer stellen die besten Köpfe ein, es sind die Kandidaten, die sich ihre Arbeitgeber aussuchen.
  • Die Zulieferer der Automobilindustrie haben den höchsten Personalbedarf, weil sie momentan die Innovationen am stärksten vorantreiben.
  • Die Automobilbranche ist neuerdings stark an Führungskräften aus der IT-Branche interessiert.
  • Spezialisten auf den Gebieten Fahrzeug-Gesamt-Elektronik und Software werden händeringend gesucht.
Durch den einschneidenden Wandel in der Autoindustrie hin zur Elektromobilität ist der Bedarf an gut qualifizierten und engagierten IT-Spezialisten stark gestiegen.
Durch den einschneidenden Wandel in der Autoindustrie hin zur Elektromobilität ist der Bedarf an gut qualifizierten und engagierten IT-Spezialisten stark gestiegen.
Foto: Smile Fight - shutterstock.com

Die aktuellen Veränderungen in der Autoindustrie hätte noch vor zehn Jahren niemand in dieser Dimension erwartet. Über Jahrzehnte war der klassische Verbrennungsmotor - egal ob Benzin, Diesel oder früher noch der Wankelmotor - das einzig Wahrhafte in dieser lobbystarken AutomobilindustrieAutomobilindustrie. Seit einiger Zeit nun drohen aus verschiedensten Gründen diese Motoren von neuen Antriebsformen nach und nach abgelöst zu werden. Top-Firmen der Branche Automobil

Noch 2016 hieß es oftmals, Elektroautos seien Ladenhüter, doch 2017 wurden die Zeichen für das elektrische Fahren neu gestellt. Der Markt befindet sich im Umbruch. Mittlerweile drängen neue Hersteller auf den Markt und machen den bis dato etablierten OEMs Konkurrenz. Selbst Premium-Lieferanten wie ZF Friedrichshafen bringen ihre eigenen Elektrovarianten auf den Markt.

Der Technologiekonzern ZF hat über seine Tochter Zukunft Ventures mit der e.GO Mobile AG, einem Startup zur Entwicklung und Herstellung von Elektrofahrzeugen, den ersten Schritt in die E-Mobilität ohne namhaften Autohersteller unternommen. Nicht zu vergessen ist natürlich der Pionier unter den Elektroautos, das US-amerikanische Unternehmen Tesla, das 2017 mit dem dritten Modell in die Serienproduktion eingestiegen ist und den Massenmarkt im Visier hat.

Allen voran sind allerdings die Chinesen die kaum einschätzbare Bedrohung für den europäischen Automarkt. Der Druck auf die hiesige Industrie ist immens groß. Geprägt durch das von der chinesischen Regierung gesetzte Mindestziel zum Anteil alternativer Antriebe, wurden die einheimischen Autobauer so angetrieben, dass sie den Technologievorsprung der großen internationalen Autobauer beim Verbrennungsmotor einfach übersprungen haben. Der größte chinesische Elektroauto-Hersteller, BYD, zählt mittlerweile weltweit zu den Größten in dieser Branche.

Auch das Herz der E-Autos - die Batteriezelle - schlägt momentan in Asien, da die europäische Zellindustrie im stark wachsenden Markt noch keine große Rolle spielt. Von den etwa 30 großen Zellherstellern kommen über 20 aus Japan, Südkorea und China. Europäische und nordamerikanische Unternehmen sind bisher deutlich in der Unterzahl.

Die Autoindustrie öffnet sich in viele Richtungen

Der Wettbewerb wird sich künftig noch stärker zuspitzen, da auch zunehmend Fahrzeuge von Startups auf den Markt der E-Mobilität drängen. Durch diese Trendwende kommen auch Kompetenzen aus vorherigen Entwicklungen der Hybridlösungen stärker zum Tragen. Zudem müssen die traditionellen Anbieter das bislang in der Branche vorherrschende Konkurrenzdenken überwinden, um im Kampf um die E-Mobilität konkurrenzfähig zu sein. Die bisher verschlossene Autoindustrie muss sich branchenfremden Anbietern und auch Mitarbeitern öffnen, um nicht selbst ausgebremst zu werden.

Apple lotet Kooperationen mit Autobauern aus; die Ubers, Lyfts und andere Unternehmen werden sich bald nicht mehr damit begnügen, Menschen zu befördern. Sie wollen alle die gesamte Wertschöpfungskette erschließen, die Fahrzeuge selbst entwickeln und nach eigenen Plänen bauen lassen - und am Ende die Autoindustrie zum Hardwarelieferanten degradieren.

Dass Firmen wie Apple oder Google die Datenvernetzung unmittelbar in ihrer Langfriststrategie haben, ist ebenfalls eindeutig. Unterschätzte und unbekannte Zulieferer haben plötzlich einen Entwicklungsvorsprung gegenüber den klassischen OEMs. Die etablierten metallverarbeitenden Zulieferer versuchen sich über Nacht an der Elektrifizierung ihrer Komponenten, um dem Trend gerecht zu werden. Die Zeiten, in denen die Automobilbranche das Geschäft mit Autos und der individuellen Mobilität ganz alleine bestimmte, sind endgültig vorbei.

Großer Bedarf an Fach- und Führungskräften

Durch diesen einschneidenden Wandel in der Autoindustrie ist auch der Bedarf an gut qualifizierten und engagierten Mitarbeitern stark gestiegen. Doch auch hier verändern sich die Anforderungen an spezifische Skills zunehmend. Momentan ist der Personalbedarf bei den Zulieferern am höchsten, da diese die Innovationen am stärksten vorantreiben. Die Autobauer selbst bereiten sich mittlerweile verstärkt auf diese Modifikation vor und suchen vermehrt Mitarbeiter für Fach- und Führungspositionen aus dem Elektroniksektor.

Auf der anderen Seite stellen auch bisher unbekannte Markteilnehmer Automotive-Spezialisten ein. Besonders in der Entwicklungsabteilung sind die neuen technologischen Herausforderungen, die die E-Mobilität mitbringt, nicht mit den vorhandenen Mitarbeitern zu lösen. Hier werden händeringend erfahrene Manager und Spezialisten mit umfangreichem Know-how auf den Gebieten Fahrzeug-Gesamt-Elektronik und Software gesucht.

Führungskräfte aus bisher fremden Branchen wie IT-Hardware-Entwicklung sind plötzlich interessant für die Zulieferer, da sie Themen wie Architektur, Design, Physical Design, Logical Design und mechanisches Design längst beherrschen. Solche Führungskräfte können auch Elektronikkomponenten wie ECUs (Steuergeräte), Logger, Displays, Messsysteme, Power Control Units und Hybridsysteme mit ihren Teams entwickeln. Darüber hinaus beherrschen sie das R&D-Management in Electronics und auch die erforderliche Software.

Neue Charaktere in der Autoindustrie

Vom Spezialisten bis hin zu unterschiedlichsten Führungsebenen suchen Automotive-Arbeitgeber querbeet erfahrene Mitarbeiter für alle Bereiche. Diese werden eine moderne, schnellere und freundlichere beziehungsweise flachere Führungskultur, wie sie in der IT-Branche besteht, einfordern.

Eine bisher noch nicht bewältigte Herausforderung für die Unternehmen besteht darin, exzellentem Personal anders zu begegnen. Die gesuchten Kandidaten sind keine klassischen Bewerber in der Bittstellung, sondern hochqualifizierte Spezialisten, die in der Regel in sehr gut bezahlten Positionen sind und sich künftige Stellen suchen.

Sie sind meist nur interessiert und stehen neuen Herausforderungen offen gegenüber, wenn es im neuen Job lohnend scheint, ungewohnte Wege zu gehen und in der KarriereKarriere etwas Neues zu wagen. Viele Arbeitgeber haben es noch nicht verinnerlicht, dass es sich in dieser Branche um einen Arbeitnehmermarkt handelt und es gilt, die wenigen potenziellen Kandidaten für sich zu gewinnen. Alles zu Karriere auf CIO.de

Auch wenn die Automobilbranche sich jahrzehntelang gegen branchenfremde Kandidaten versperrte, ist sie heute an Führungskräften aus der IT-Branche stark interessiert.

Was ist die Erwartungshaltung der Automotive-Arbeitgeber an die Kandidaten, wen suchen sie und was sollen sie können?

- Das Beherrschen der Komplexität im Zusammenspiel von Software, Hardware und Safety.

- Proaktivität: Mitarbeiter sollen als Treiber agieren und schnell die Bedeutung wichtiger Themen erfassen.

- Hohe Ergebnisorientierung: Das Ergebnis zählt, der Weg dahin kann sehr unterschiedlich sein.

- Deutlich unprätentiöserer beziehungsweise flacherer Führungsstil mit wenig Rücksichtnahme auf Attitüden.

- Motivatoren: Fähigkeit zur Begeisterung ihres Umfelds. Intrinsisch motivierte Personen können auch ihr Arbeitsumfeld von Neuem (Ungewohntem) überzeugen.

- Visionäre und Strategen: Statt reiner Perfektion im Alltag wird mutig auch "Trial and Error" angewandt. Das geht aber keinesfalls zu Lasten der Strategie und der Ergebnisqualität, sondern bedeutet eher eine gut ausgeprägte Frustrationstoleranz, ohne die gesamte Vision zu vernachlässigen.

Umgekehrt sucht der Kandidat selbst gezielt (moderne) Unternehmen. Für ihn ist primär das Umfeld des Arbeitgebers entscheidend - er wird sich nur ein ganzheitlich interessantes Unternehmen aussuchen. Kriterien wie Führungskultur, Arbeitsplatz, Marktpositionierung oder Innovationskraft müssen ihn überzeugen.

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