Forrester-Analyst Boris Evelson über Data Governance

"Nur offiziell bleibt das Business verantwortlich"

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Die Data Governance soll Business Intelligence den nötigen Respekt im Unternehmen verschaffen. Doch Boris Evelson weiß, dass das Business zwar offiziell oft die Hoheit über BI-Projekte hat, doch in der Praxis gerne an die IT weiter delegiert. Das Exklusiv-Interview mit dem Forrester-Analysten.
Boris Evelson: "Langsam, aber sicher realisieren die Firmen, dass beispielsweise Best Practices, Governance und Business Ownership meistens entscheidender sind als Technologie"
Boris Evelson: "Langsam, aber sicher realisieren die Firmen, dass beispielsweise Best Practices, Governance und Business Ownership meistens entscheidender sind als Technologie"

Sie stellen fest, dass viele Unternehmen in letzter Zeit die BI-High School geschafft haben und den Übertritt ins BI-College geschafft haben. Was haben sie dazu gelernt, um die Reifeprüfung zu bestehen?

Boris Evelson: Langsam, aber sicher realisieren die Firmen, dass beispielsweise Best Practices, Governance und Business Ownership meistens entscheidender sind als Technologie. Probleme nur mit technologischen Antworten lösen zu wollen - das war Grund- und Mittelschulen-Niveau.

Ein BI-Solutions Center garantiert keine erfolgreiche Implementierung

Es scheint in der Tat einen positiven Trend zu geben. Sie fanden zum Beispiel heraus, dass drei Viertel der Befragten die Bedeutung von Data Governance erkannt zu haben glauben. Dennoch äußern Sie die Sorge, dass die Einschätzung der IT-Verantwortlichen womöglich nicht der Realität entspricht. Warum?

Boris Evelson: Anders als größere, statistisch signifikante Forrester-Studien richtete sich diese spezielle Umfrage lediglich an einige Dutzend Unternehmen. Sie ist also definitiv nicht repräsentativ. Unsere Klienten berichten meinem Kollegen Rob Karel und mir in weitaus geringerem Maße von einer Anwendung von Best Practices, als es in der Umfrage zum Ausdruck kommt. Außerdem ist es lediglich der erste Schritt, Handlungsbedarf zu "erkennen". Die Implementierung und das Durchhalten des eingeschlagenen Weges sind weitaus schwieriger.

Knapp die Hälfte der von Ihnen Befragten sagen, dass ihr Data Governance-Program "gemeinsam von IT und Business" betrieben werde. Das widerspricht offenbar ebenfalls dem, was Sie in der Regel von ihren Klienten hören. Wie erklärt sich dieser Widerspruch?

Boris Evelson: Auch hier ist der Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit entscheidend. Zunächst erklärt sich der Business-Bereich dafür verantwortlich, den Governance-Prozess am Laufen zu halten. Doch allmählich schieben sich andere Prioritäten in den Vordergrund und die Aufgabe wird an die IT delegiert. Nur offiziell bleibt das Business verantwortlich.

"If you build it, they will come" - ein Irrglaube

Das wohl vordringlichste Problem mit BI ist, dass nützliche Tools nicht unbedingt die erwarteten Ergebnisse zeitigen. Das versuchen Unternehmen unter anderem mit BI Solutions Zentren - auch Kompetenz-Zentren genannt - in den Griff zu bekommen. Wie erfolgreich sind diese denn in der Praxis?

Boris Evelson: So ein Zentrum garantiert eine erfolgreiche BI-Implementierung leider nicht. Bei uns in den Vereinigten Staaten gibt es das Sprichwort "If you build it, they will come." Einfach loslegen und es wird gut. Allerdings trifft das für BI überhaupt nicht zu. Dennoch spiegelt sich im Aufbau eines BI Solution-Zentrums das Bewusstsein eines Unternehmens wider, auf Best Practices und nicht auf Technologie zu vertrauen. Und das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

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