Trotz guter Auftragslage

SAP-Freiberufler müssen sich weiterbilden

Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Freelancer, die in der SAP-Welt tätig sind, werden kontinuierlich mit ­neuen Ent­wick­lungen konfrontiert. Ohne ständige Weiterbildung ­verlieren sie den Anschluss.

Auch wenn der Bedarf an SAP-Spezialisten im ersten Halbjahr 2013 leicht gesunken sei, gebe es keinen Grund zur Besorgnis, sagt Hays-Manager Oliver Wippich. Verglichen mit anderen Jobprofilen bleibe der Bedarf kontinuierlich hoch. Die Nachfrage nach Externen kommt laut Wippich weiterhin aus dem Bankwesen, der Automobilbranche sowie der IT-Beratung. Gerade die Consulting-Häuser setzten viele IT-Freiberufler ein, da sie mit Personalengpässen zu kämpfen hätten und Flexibilität ohnehin Grundvoraussetzung sei.

Oliver Wippich, Hays: "Auftraggeber suchen SAP-Freelancer, die auch programmieren können."
Oliver Wippich, Hays: "Auftraggeber suchen SAP-Freelancer, die auch programmieren können."
Foto: Hays

Trotz guter Auftragslage warnt der Hays-Experte die IT-Freelancer davor, sich aufgrund der guten wirtschaftlichen Situation entspannt zurückzulehnen. Gerade in der SAP-Welt sei permanente Weiterbildung angesagt. Dies gelte vornehmlich für die Funktionen der ERP-Module, die sich immer wieder veränderten. So kämen in den Sektoren Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit laufend neue Bestimmungen hinzu, die in den Modulen anzupassen sind. Wippich: „Wenn ein Freelancer über eine Ausbildung zum SAP-HR- oder CO-Berater verfügt, besteht die Gefahr, dass er ohne Weiterbildung nach einigen Jahren seinen Job nicht mehr ausüben kann, da er wichtige Entwicklungen verpasst hat."

Was die Welt der Module angeht, fragt sich der Hays-Fachmann grundsätzlich, ob diese für Hochschulabsolventen, die den Sprung in die Berufstätigkeit und manchmal auch gleich in die Selbständigkeit versuchten, interessant sei. Junge IT-Profis seien meist mehr an Themen wie Internet und Entwicklung von mobilen Systemen interessiert. „Letztere sind in aller Munde, aber wer spricht über Software für die Finanzbuchhaltung?", fragt er. Wenn man einem 20-jährigen Studenten erkläre, er solle seinen Lebensunterhalt damit verdienen, eine 40 Jahre alte Software für Finanzbuchhaltung zu verbessern, werde sich dessen Begeisterung in Grenzen halten.

Nicht nur tolle Jobs

Allerdings sollte der IT-Nachwuchs nicht glauben, dass die Arbeit eines IT-Profis nur im Entwicklen interessanter Apps bestehe. Die Realität sehe anders aus: Viele Apps kämen nie auf den Markt oder seien nie wirtschaftlich erfolgreich. Gerade beim Thema SAPSAP suchten die Auftraggeber IT-Freiberufler, die programmieren können, weiß Wippich. Das klassische Customizing der ERP-Module bleibe das Butter-und-Brot-Geschäft. Alles zu SAP auf CIO.de

Start mit neuen Themen

Neueinsteiger sollten sich, so der Hays-Manager, erst einmal fragen, was sie wollten. „Je intensiver die gedankliche Vorarbeit, desto größer die Aussicht auf Erfolg." Darüber hinaus ist Wippich überzeugt, dass Freelancer ein paar Jahre in einem Unternehmen gearbeitet haben sollten. „Ganz oben auf der Wunschliste der Auftraggeber stehen immer noch Externe mit Erfahrung."

Wenn ein Neueinsteiger partout ins kalte Wasser springen wolle, könne er diesen Sprung am ehesten mit einem der neueren Themen wie mobile Systeme oder App-Entwicklung wagen. Der Vorteil: Hier seien auch die Auftraggeber noch nicht so lange aus der Universität draußen, was die Kommunikation erheblich vereinfache. Durch SAPs InMemory-Technik HANA verändern sich laut Wippich auch die Anforderungen an die IT-Selbständigen. „Hierfür sind nicht mehr die IT-Profis, die auf 30 Jahre Erfahrung in der Fachabteilung zurückblicken, gefragt, sondern die neue Generation der Externen, die aktuelle Themen wie Cloud ComputingCloud Computing beherrschen", betont er. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de

Dirk Preuß, IT-Freiberufler: "Es kann nicht gutgehen, wenn Firmen nur Freiberufler beschäftigen."
Dirk Preuß, IT-Freiberufler: "Es kann nicht gutgehen, wenn Firmen nur Freiberufler beschäftigen."
Foto: Preuss

Während sich die Anfragen nach HANA-Spezialisten bis Ende 2012 in Grenzen hielten, steige nun die Zahl der Arbeitgeber, die solche Experten benötigten, berichtet Wippich. Die Unternehmen brauchten Externe, die ihnen erklären können, was HANA ist, wie es eingesetzt wird und wo die Vorteile liegen. Den Zyklus erklärt Wippich folgendermaßen: „Erst einmal wollen die Kunden wissen, warum überhaupt, dann halten sie nach Freiberuflern Ausschau, die es implementieren, und danach kommt der große Bedarf." Die Folge: Seit zwei, drei Monaten steige beim Personaldienstleister die Zahl der Anfragen merklich. In puncto Weiterbildung bietet die SAP AG ein breit angelegtes Schulungsangebot für HANA unter anderem online an (open.SAP.com), um die Einführung der neuen Technologie auch von der Beraterseite her zu unterstützen,

Dirk Preuß, freiberuflicher SAP-Berater, ist als Projektleiter und Seniorberater hauptsächlich für die Module MM und PP tätig. Nach seiner Erfahrung ist der SAP-Sektor in den letzten Jahren nicht schwieriger, aber „anders" geworden. „Vor rund zehn Jahren waren die Kunden in der Lage, ihre Anforderungen an den Berater genau zu spezifizieren", erklärt der SAP-Profi. Heute würde die „Eier legende Wollmilchsau" gesucht. Also müssten die Externen die maximal beschriebenen Anforderungen durch intensive Gespräche auf die wirklich im Projekt benötigten Skills eingrenzen.

Die neue Situation entsteht seiner Meinung nach auch dadurch, dass die alte Riege, die über ein Rundum-Wissen verfügt, nach und nach in den Ruhestand geht. Die Nachfolger brächten zwar eine gute Ausbildung mit, hätten sich darin aber vielfach ungewöhnlich stark spezialisiert.

Ausgedünnte Belegschaft

Das Problem sei, dass auch versierte Berater immer auf die fachliche Unterstützung der Mitarbeiter vor Ort angewiesen seien, so Preuß. Das ist seiner Erfahrung nach oft genug schwierig, da der Mitarbeiterstamm in den letzten Jahren „ausgedünnt" worden sei. Dennoch schaut der Freelancer optimistisch in die Zukunft: „Ich sehe eine Rückbesinnung der Unternehmen in Richtung Inhousing." Sie würden im Gegensatz zu früher verstärkt dazu übergehen, Mitarbeiter einzustellen. Preuß hält es für falsch, wenn Betriebe ihren gesamten IT-Bedarf mit Externen abdecken. Er möchte in den Projekten mit einer qualifizierten Stamm-Mannschaft arbeiten. Das sei seiner Erfahrung nach die Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf.

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