APPLICATION SERVICE PROVIDING IM UMBRUCH

Software zur Miete kommt nicht an

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.
Das Modell Application Service Providing (ASP) hat kaum noch Zukunft. Die Jubelprognosen der Marktforscher haben nicht gestimmt. ASP ist fast zu einem Schimpfwort geworden. Durch eine Namensänderung wollen die Anbieter jetzt einen Neustart erzwingen.

„DIE IT-BRANCHE war schon immer kreativ“, sagt Thomas Gebhardt, seit Januar letzten Jahres CIO der TDSGruppe in Neckarsulm. „Wenn ein Begriff nicht mehr so gut klingt, erfinde ich einfach einen neuen.“ Der 39- Jährige sprach zu Teilnehmern der Konferenz „Von ASP zu xSP“ in Frankfurt, die das IT-Marktforschungsunternehmen IDC ausrichtete. Application Service Providing war das Boom-Thema der Internet-Generation. Doch die optimistischen Prognosen, etwa die der Unternehmensberatung Gartner Group, die bis 2003 einen Markt von 23 Milliarden Dollar vorhersagte, sind heute Makulatur.

Software-Anwendungen samt Daten, so das Versprechen von ASP, werden zentral installiert und gepflegt. Die Kunden sparen sich teure Lizenzen; abgerechnet wird nach Nutzung. Doch Pure Play ASP will heute niemand mehr haben. Managed Services sind das Gebot der Stunde. Rundumanbieter sorgen für Installation und Betrieb inklusive sämtlicher Dienste. Statt einzelner Services gibt es Komplettangebote.

Jede Bastelbude nannte sich ASP

Ein Rückblick: „Da sind Millionen zu holen, dachten viele Firmenchefs. Doch die wussten gar nicht genau, was dahinter steckt“, sagt Josef Lamprecht, Geschäftsführer der im März 2000 gegründeten, rund 100 Mitglieder starken Interessenvertretung ASP-Konsortium. Es kam zu Auswüchsen, über die Lamprecht heute nur den Kopf schüttelt. In den Hochzeiten wurde sogar eine Firma, die Brandmeldeanlagen für Hosting-Center herstellt, Mitglied des Lobby-Vereins. Da ahnte Lamprecht, dass etwas schief läuft. Aber es war schon zu spät. „Viele kleine, zum Teil auch unseriöse Unternehmen haben verbrannte Erde hinterlassen“, stellt Frank Amesbichler fest, Leiter Produktmanagement des Münchener ASP-Dienstleisters Einsteinet.

Auf der Cebit 2000, als sich Einsteinet der Öffentlichkeit vorstellte, waren laut Amesbichler bereits „mehr Journalisten als Kunden“ am Stand. „Jede Bastelbude hatte sich ein ASP-Label aufgeklebt, weil sie ein Stückchen Software ins Internet hängen konnte – ohne Firewall, ohne irgendetwas.“ Das Vertrauen der Kunden ist so geschwunden. „Ob sie das jetzt auffangen, indem sie ASP in xSP umtaufen, lassen wir dahingestellt.“

Viele haben den Hype nicht überlebt

„Vor zwei Jahren während des New-Economy-Booms herrschte Goldgräberstimmung, verursacht durch Investoren, Marktforscher und Hersteller“, erinnert sich Amesbichler. Auf der Cebit hatte sich die Zahl der ASP-Anbieter von 46 im Jahr 2000 auf 81 im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt. Doch die meisten Firmen boten ihre Lösungen am Markt vorbei an. „Viele Unternehmen führten keine eigenen Marktuntersuchungen durch, weil sie dachten, sie verpassen den Zug“, sagt Lamprecht. „Im Ergebnis wusste niemand, was die Kunden eigentlich wollten.“ Amesbichlers Fazit: „ASP ist sicher kein Schimpfwort, aber es ist ein bisschen in Verrufg ekommen.“ Jetzt soll es in kleinen Schritten wieder aufwärts gehen. „Das ist die typische Entwicklung eines Start-ups“, findet Lamprecht. Aufdem Kongress in Frankfurt war die am häufigsten gezeigte Folie ein Chart von Gartner, der nach der „Spitze der überhöhten Erwartungen“ (1999) und dem Tal der „Desillusionierung“ (2000 bis 2004) einen Trend zum „Plateau der Profitabilität“ (ab 2004) aufweist.

Viele Firmen haben den Hype jedoch nicht überlebt. KonsolidierungKonsolidierung ist angesagt. So musste Einsteinet 39 von 440 Angestellten entlassen. Das Hamburger RechenzentrumRechenzentrum konnte wegen technischer Schwierigkeiten erst mit monatelanger Verspätung eröffnet werden.

Die meisten Entscheider konnten sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, IT-Dienste anonym über das Netz statt von bekannten Personen zu beziehen. Dabei gibt es einen großen Markt für Anbieter, die ihre Kunden kennen. „ASP ist Vertrauenssache“, betont Thomas Kähler, Sprecher des EDV-Dienstleisters Datev, der seit September auch ASP-Lösungen für Rechtsanwälte, Steuerberater und -prüfer anbietet. Und Lamprecht hält „vertikale Spezialisierung“ für das Gebot der Stunde.

MicrosoftMicrosoft steigt in den ASP-Markt ein

„Es fehlt an Skills für den Umgang mit Netzwerkinfrastrukturen; viele Preismodelle bieten keine Vorteile“, urteilt Pascal Matzke, Industrieanalyst der Giga Information Group. Die Anbieter indes betonen Kosten- und Nutzenvorteile: Der Return on Investment von ASP rücke seit dem 11. September verstärkt in den Vordergrund. So preist das ASP-Magazin die Miet-Software als „Heilmittel für den ROIROI“ an. Laut der aktuellen IDC-Studie „The Financial Impact ofApplication Service Providers“ erzielten 54 befragte Firmen aus verschiedenen Branchen mit ASP innerhalb von fünf Jahren einen durchschnittlichen Return on Investment von 404 Prozent.

Dass auch Große wie T-Systems, Triaton oder Lufthansa Systems mit der üblichen Verzögerung ASP für sich entdeckt haben, wird von Firmen wie Einsteinet, die sich vor allem an Klein- und Mittelbetriebe wenden, offiziell begrüßt. Triaton-ChefP eter Chylla: „Wir bedienen 200 Krankenhäuser mit Software aus der Steckdose.“ Claus März, Leiter Hosting und ASP bei der Telekom-Tochter T-Systems, erklärt: „Wir haben bereits 60000 Kunden. Jetzt starten wir eine Vermarktungsoffensive.“ Mit Microsoft will die Telekom auf der gemeinsamen Plattform „T.Net“ in Zukunft Applikationen und Services über das Netz anbieten. Auch Microsofts Anmeldedienst Passport (siehe Seite 44), mit dem sich Anwender ausweisen sollen, sei ein weiterer Weg, um Software online bereitzustellen. Passwörter und Kreditkartendaten für die Bezahlung im Netz sind bereits integriert. Alles zu Konsolidierung auf CIO.de Alles zu Microsoft auf CIO.de Alles zu ROI auf CIO.de Alles zu Rechenzentrum auf CIO.de

Zur Startseite