Ohne Vision, keine Strategie, keine Zukunft

Was Medienhäuser 2020 planen

13.01.2020
Die Auflagen von gedruckten Zeitungen gehen immer weiter zurück, im Internet gibt es mehr und mehr Bezahl-Modelle für Journalismus. Wie stellen sich Medienhäuser in Deutschland 2020 auf?
Ob im TV, online oder gedruckt: Hochwertige Inhalte bleiben gefragt.
Ob im TV, online oder gedruckt: Hochwertige Inhalte bleiben gefragt.
Foto: Hadrian - shutterstock.com

Immer mehr Streaming-Dienste konkurrieren mit dem klassischen Fernsehmarkt. Auflagen von gedruckten Zeitungen und Magazinen sinken seit Jahren - im Gegenzug entstehen neue digitale Produkte. Der digitale Wandel im Journalismus wird auch 2020 MedienhäuserMedienhäuser stark beschäftigen. Wie stellen sich Verlage, Sender und Medienhäuser mit ihren Redaktionen auf und welche Projekte stehen an? Top-Firmen der Branche Medien

Kooperation

Der Medienkonzern Axel SpringerAxel Springer in Berlin, zu dem die Marken "Bild" und "Welt" gehören, setzt auf die Kooperation mit dem US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR), um im Digitalen weiter zu wachsen. Unlängst wurde die Übernahme von mehr als 40 Prozent der Springer-Aktien von Kartellbehörden freigegeben. Vom Medienkonzern heißt es: "In den nächsten drei Jahren wollen wir bei unseren deutschen News Media Angeboten insgesamt mehr als 100 Millionen Euro investieren, vor allem in eine Live-Video-Strategie von "Bild". Bei "Welt" und "Bild" wollen wir außerdem die digitale Abonnentenbasis erheblich ausbauen." Top-500-Firmenprofil für Axel Springer

Auch ein wichtiges Projekt für Springer: Von Frühjahr 2020 an sollen nach und nach verschiedene Unternehmensteile in den neuen Redaktions- und Bürokomplex am Berliner Verlagsstandort ziehen.

Springer hält auch beim Berliner Medien-Startup Media Pioneer des Journalisten Gabor Steingart Anteile, das in einigen Monaten mit besonderen Redaktionsräumen aufwarten will. Im Mai beginnt der Stapellauf eines Medienschiffes ("Pioneer One"), wie aus einem Morning Briefing von Dezember hervorgeht. Das Redaktionsschiff soll im Regierungsviertel in Berlin auf der Spree fahren.

Digital, Digital, Digital

Einige Medienhäuser investieren weiter in digitale Angebote. Der Chefredakteur der überregionalen "Tageszeitung" in der Hauptstadt, Georg Löwisch, sagt: "Wir machen die digitale Tageszeitung neu. Wir schicken eine Beta-Version der neuen taz-App für Android und iOS in den Praxistest. In der ersten Jahreshälfte soll die neue App dann regulär starten." Perspektivisch hat die "Tageszeitung" vor, unter der Woche nur noch digital zu erscheinen.

Ein weiteres Beispiel für Pläne im Digitalen: Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDFZDF) stellt seine Nachrichtenangebote neu auf, um neben den TV-Marken "heute" und "heute journal" auch im Internet präsenter zu sein. Wie der Sender mitteilt, steht ein Relaunch der Nachrichten-App "ZDFheute" im ersten Halbjahr an. Top-500-Firmenprofil für ZDF

Auch die Medienholding Süd, zu der unter anderem "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" gehören, will 2020 ihre Medienhausstrategie der Regionalzeitungen weiter umsetzen. "Dies bedeutet etwa, dass die Zeitungen und Medien mehr digitale Produkte und Services anbieten werden. Der Fokus der Arbeit liegt weiterhin auf hochwertiger, regionaler Berichterstattung in Print und digital", wie es von der Südwestdeutschen Medienholding, zu der die Medienholding Süd gehört, heißt. 2019 hätten die Webseiten der beiden Stuttgarter Blätter rund 50 Prozent mehr Zugriffe und Nutzer gehabt als noch im Jahr davor.

Crossmedial

Die Mediengruppe RTLRTL setzt weiter auf den Aufbau einer crossmedialen Redaktion. Die Chefredakteurin der Zentralredaktion der Mediengruppe RTL Deutschland, Tanit Koch, sagt: "Die journalistischen Inhalte der Mediengruppe RTL erreichen täglich rund 20 Millionen Menschen. Diese Position soll durch ein künftig gut orchestriertes Zusammenspiel von TV, Digital und Social weiter ausgebaut werden. Daher bauen wir im Projekt "Inhalteherz" derzeit Schritt für Schritt eine gemeinsame, crossmediale Redaktion für alle journalistischen Angebote der Mediengruppe RTL auf." Es sollen Ressorts nach thematischen Schwerpunkten entstehen. Top-500-Firmenprofil für RTL

Auch beim Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in Hamburg wird Vernetzung von Print und Online weiter Thema sein. Das Jahr 2019 sei intensiv dafür genutzt worden, die beiden "Spiegel"-Redaktionen auf allen Ebenen zusammenzuführen, heißt es vom Verlag. Der Fusionsprozess soll weiter vorangetrieben werden.

Im Januar ist der neue digitale "Spiegel" gestartet. "Spiegel Online" ist Geschichte. Der "rundum erneuerte Auftritt im Internet, in seinen Apps und auf allen anderen digitalen Plattformen heißt zukünftig DER SPIEGEL." Auch neue redaktionelle Inhalte seien geplant, unter anderem soll das Audio-Angebot ausgebaut werden. Auch neue Print-Produkte sind angedacht, darunter erstmals ein von Lesern kuratiertes Magazin mit den besten "Spiegel"-Geschichten.

Themen: Klimawandel, Energiewende

Der Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", Giovanni di Lorenzo, sagt über Themen, die 2020 anstehen: "Eine der größten thematischen Herausforderungen wird es sein, wie wir den Klimawandel journalistisch weiter begleiten können, ohne dass wir durch ein Überangebot Verdruss bei den Lesern schaffen - noch bevor die Rettung der Welt überhaupt in Angriff genommen wird!"

Der Chefredakteur des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags (dazu zählt auch das "Flensburger Tageblatt"), Stefan Hans Kläsener, nennt unter anderem die Energiewende als politisches Thema, das weiter ansteht. Auf die Region bezogen sagt er: "International wird es mit den Feierlichkeiten zu 100 Jahren deutsch-dänischer Grenze, die Minderheiten auf beiden Seiten schuf und dennoch friedlich und demokratisch gezogen wurde. Dazu haben wir eine begleitende Berichterstattung, teils gleichlautend in unseren dänisch- oder deutschsprachigen Partnermedien beiderseits der Grenze. Das ist europaweit etwas einzigartiges, und wir hüten dieses Pflänzchen sehr gegen alle Widerstände, und seien es Wildschweinzäune."

Neue Angebote, neue Aufgaben

Deutschlandradio-Programmdirektor Andreas-Peter Weber kündigt für das erste Quartal 2020 einen Frühpodcast an. "Er soll unseren erfolgreichen Podcast "Der Tag" ergänzen, der immer montags bis freitags ab 17.00 Uhr abrufbereit ist." Er betont: "Der Audiomarkt verändert sich rasant, wir beobachten das sehr genau. Beim Thema Podcast sind wir eigentlich ständig in der Neuentwicklung." Vom Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr heißt es, dass die neuen Magazine, vor allem im Segment Persönlichkeitsmagazine (dazu zählt etwa "Guido"), weiterentwickelt werden sollen.

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) plant zum Schwerpunkt 250. Geburtstag des Komponisten Ludwig van Beethoven unter anderem dies: ein Spiel per App. Es soll Gamer und Beethoven-Fans ansprechen, wie der Sender mitteilt. Auf den WDR kommen zudem große Aufgaben 2020 und 2021 zu: Er hat den ARD-Vorsitz inne. In dieser Zeit wird es auch um den künftigen Rundfunkbeitrag gehen und um den Medienstaatsvertrag, der Regeln für den Rundfunk aber auch Plattformen im Internet, die Medieninhalte bereitstellen, festlegt. Zudem hat der WDR innerhalb der ARD die Federführung bei der Berichterstattung über die Fußball-Europameisterschaft.

Abo First

Zur Strategie, um Erlöse zu steigern, nennt der Geschäftsführer der "Zeit"-Verlagsgruppe, Rainer Esser, als größte Säule des Geschäfts das "starke Abonnement" und ein wachsendes Digitalgeschäft. "Deshalb stecken wir große Kraft in "Abo First" und in die Vernetzung unserer Print- und Digitalangebote, von der digitalen ZEIT über ZEIT ONLINE bis hin zu unseren Podcasts, zum ZEIT Shop und zur ZEIT Akademie. Esser ergänzt: "Darüber hinaus werden wir unser Portfolio für Geschäftskunden ausbauen, gegebenenfalls auch durch Zukäufe, die ihnen noch mehr Möglichkeiten eröffnen." (dpa/rs)

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