Strategien


FLOPS, ERFOLGE UND DIE GRÜNDE

Das Web wird’s nicht richten...

Reppesgaard studierte in Hannover und arbeitete danach als Reporter und Moderator bei Hörfunk von Radio Bremen zu innen- und jugendpolitischen Themen und in den Bereichen Technologie und Wissenschaft. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg, seit 2001 arbeitet er mit Christoph Lixenfeld im druckreif Redaktionsbüro zusammen.

 Das Internet als Verteilmedium hatte Shawn Fanning im Sinn, als er die Napster-Software schrieb. Dass er dabei verbriefte Rechte ignorierte, ließ sein Programm in die Musikgeschichte eingehen: US-Gerichte verdonnerten Napster dazu, den Gratistausch urheberrechtlich geschützter Musik zu unterbinden. Während die anderen Player der Musikindustrie daran knabberten, wie man das Internet trotz Napster als Vertriebskanal nutzen kann, schloss Bertelsmanns E-Commerce-Group eine „strategische Allianz“ mit den kalifornischen Musikpiraten. Seitdem schießt der Mutterkonzern regelmäßig Millionen nach, um Napster als Abonnementsystem neu zu erfinden. Erste Beta-Tests mit 20000 Kunden begannen im Januar.

 Bertelsmann hat Napster umgekrempelt und hofft, dass der Markenname zum Erfolg führt. Der Service droht jedoch ein Flop zu werden, so Experten. „Napster hatte als Gratisdienst mit unlimitiertem Angebot eine Bedeutung. Das neue Napster hat nichts mit der Ur-Philosophie, die viele Leute mochten, zu tun“, meint Analyst Eric Scheirer von Forrester Research. Dabei wissen es die Gütersloher doch besser: Beim Kauf des Verlags Random House („Harry Potter“) hatte man noch peinlich genau versucht, das starke Romanprogramm unverändert zu lassen. Bei Napster dagegen werden die entscheidenden Stärken ausradiert: Die dezentralisierte Börse war für die Betreiber billig, stand für eine unbegrenzte Titelauswahl und für das Dateiformat MP3, das sich auf CDs brennen, auf mobile Abspielgeräte kopieren oder per Mail verschicken lässt.

 Weil sich die großen Plattenfirmen jedoch nicht auf Pauschalpreise für die gegenseitige Nutzung ihrer Kataloge einigen können, ist das Angebot bei Napster dünn – ebenso wie das der übrigen kommerziellen Musikdienste wie Pressplay und Musicnet. Um die Urheberrechte zu wahren, muss Napster II auf teuren Zentral-Servern den Verkehr regeln. Das neu entwickelte „.nap“-Format darf nicht auf mobilen Abspielgeräten funktionieren. CDs brennen? Fehlanzeige. Bei Bertelsmann kann man froh sein, wenn einige zehntausend Menschen fünf Dollar im Monat für Napster zahlen. Der Rest der Zielgruppe wird in Zukunft eher eine der anderen kostenlosen Musik-Sites oder -netze wie Gnutella nutzen. Ob die Westfalen von den mehr als hundert Millionen Euro, die sie nach Kalifornien überwiesen haben, je etwas wiedersehen werden, ist unter diesen Voraussetzungen fraglich.

 Heike von Heymann dagegen verdient Geld mit ihrer gebührenfinanzierten Website Datingcafé. Sie investierte vor drei Jahren ganze 28000 Euro; heute hat sie zwar keinen Glaspalast, aber eine schuldenfreie Frima, die 2001 knapp 128000 Euro Umsatz gemacht hat, außer der Chefin zwei Angestellte ernährt und enormeWachstumsraten aufweist: 70000 Teilnehmer sind laut der Gründerin bei der Online-Single-Vermittlung angemeldet; vor einem Jahr waren es erst 40000. 45 Prozent der Nutzer sind Männer, und die müssen pro Monat drei bis acht Euro Gebühren bezahlen, je nachdem, für wie lang sie den Service buchen. Dafür können sie ihr eigenes Profil ins Netz stellen, andere Profile ansehen, dazu mailen, chatten und an Aktivitäten teilnehmen. Frauen daten gratis. Die meisten Events, die von der Site ausgehen (Single-Dinner, Single-Reisen etc.) sind übrigens Ergebnisse von Kooperationen, und die liebt von Heymann. „Niemand gibt viel Geld aus, alle haben etwas davon. Aber je größer die Firmen werden, desto seltener machen sie so etwas.“

 Die Kooperationen sind es auch, die der Gründerin teure Werbekampagnen in eigener Sache ersparen. Von Werbung hält sie ohnehin nicht viel. Stattdessen setzt das Datingcafé auf Kundenpflege und Mundpropaganda. Jede Mail wird beantwortet. Und die Rechnung geht auf: Von ein paar Bannern auf der Site abgesehen, stützt sich die Geschäftsidee allein auf das Gebührenmodell. Ihr wollte es „noch nie einleuchten, wie sich Millionen von Sites mit Werbung finanzieren sollen“, sagt von Heymann. Weiterer Vorteil: Halbseidene Kundschaft wird abgeschreckt, zumal sich Datingcafé bei jeder Anmeldung eines Mannes einen Ausweis faxen lässt.

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