Enterprise Resource Planning

Die schlimmsten ERP-Katastrophen

Josh Fruhlinger ist freier Autor in Los Angeles.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

Nike sucht den Superstar

Wenn der Sportartikel-Riese Nike satte 400 Millionen Dollar in seine Supply Chain und in ERP-Systeme investiert, kann doch eigentlich nichts mehr schiefgehen oder? Weit gefehlt. Denn unter dem Strich stehen für Nike am Ende 100 Millionen Dollar aus entgangenen Verkäufen, ein Einbruch der Unternehmensaktie um 20 Prozent und eine ganze Reihe von Sammelklagen.

Nikes ERP-Drama spielt sich im Jahr 2000 ab. Verantwortlich dafür ist der kühne Plan der Manager, ERP, Lieferkettenmanagement und CRM in einem "Superstar System" zu konsolidieren. In diesem Fall war "Just Do It" wohl nicht der richtige Claim.

Hewlett-Packard hat "kleine Probleme"

Die beinahe schon legendäre Story von HPs Bemühungen, seine heterogene ERP-Landschaftin Nordamerika in einem SAP-System zu konsolidieren, beweist einmal mehr, dass man in SachenERP Projektmanagement gar nicht pessimistisch genug sein kann. Denn die Projektmanager im Hause HP wissen 2004 ganz genau Bescheid, was bei einem ERP-Rollout alles schiefgehen kann. Nur sind sie nicht darauf vorbereitet, dass so viele Dinge auf einmal schiefgehen.

Das gesamte Projekt kostet das Unternehmen satte 160 Millionen Dollar - inklusive Order Backlogs und entgangener Einnahmen. Dieser Betrag ist übrigens das Fünffache der ursprünglich veranschlagten Kosten des Projekts. Gilles Bouchard, damaliger CIO von Hewlett-Packard beschreibt die Vorfälle folgendermaßen: "Wir hatten eine Reihe von kleinen Problemen, von denen eines alleine keine größeren Probleme verursacht hätte. Aber zusammen haben sie das perfekte Unwetter erschaffen."

Studienanfänger vs. ERP

Der Einstieg ins Studentenleben wird einigen Erstsemestern der Universitäten von Massachussetts, Stanford und Indiana im Jahr 2004 gehörig verhagelt.

Mehr als 27.000 Studierende haben zum Start des Semesters mit verbuggten Portalen und ERP-Applikationen zu kämpfen - einige finden ihre Kurse nicht, andere bekommen die für die Ausbildung notwendige, finanzielle Unterstützung nicht. Erst nach Wochen herrscht wieder Ordnung unter den Erstsemestern.

Wenn das SAP-ERP auf die Deponie gehört

Waste Management ist das größte, privat geführte US-Unternehmen im Bereich der Abfallwirtschaft. Der Müllgigant liefert sich von 2008 bis 2010 ein episches Gerichts-Battle mit SAP. Stein des Anstoßes ist eine für den Zeitraum von 18 Monaten geplante Installation des ERP-Systems aus gleichem Hause. In der im März 2008 eingereichten Klage behaupten die Verantwortlichen von Waste Management, die SAP-Entscheider hätten sich betrügerischer Verkaufsmethoden bedient, die erst zum massiven ERP-Fail geführt haben sollen.

Einige Monate später setzt SAP zum Gegenschlag an: Waste Management habe mehrfach gegen die Vertragsbedingungen verstoßen - ganz konkret habe das Unternehmen weder rechtzeitig und akkurat über seine Geschäftsanforderungen informiert, noch seien ausreichend geeignete und beschlussfähige Benutzer und Manager für die Arbeit am Projekt abgestellt worden.

Erst 2010 einigen sich die Parteien außergerichtlich - nachdem SAP sich bereit erklärt, eine Einmalzahlung zu leisten, über deren Höhe Stillschweigen vereinbart wird.

Oracles Fusions-Hype

Im Januar 2006 lässt Oracle verlauten, man habe den Entwicklungsprozess seiner Fusion Applications bereits zur Hälfte abgeschlossen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Hype um die Fusion Apps: eine Enterprise Application Suite, die die besten Features von Oracles E-Business-Suite-, J.D.Edwards-, PeopleSoft- und Siebel-Produktlinien vereinen soll.

Oracles Masterplan ist es damals, "die nächste Generation von Applikationen zu erschaffen, die zum Standard werden". Leider ist auch drei Jahre später immer noch nichts davon zu sehen. Erst im September 2011 kommt es zum Release. Der Hype ist zu diesem Zeitpunkt längst verpufft.

TomorrowNow und der Kampf der ERP-Titanen

Wenn die Instandhaltung von Enterprise Software nicht so verdammt langweilig wäre - die Star-Produzenten Hollywoods würden sich um die Filmrechte an dieser Story prügeln. Im Jahr 2005 kauft SAP TomorrowNow (TN) - ein kleines Unternehmen, das Wartung und Services für Oracles ERP-Produktpalette anbietet. Und zwar für die Hälfte des Geldes, das Oracle verlangt. Natürlich hätten die Services von TN auch genauso gut mit den Produkten von SAP funktionieren können. Zumindest in der Theorie. Inzwischen wissen wir, dass nicht jeder bei SAP die Übernahme von TomorrowNow für eine gute Idee gehalten hat.

Zwei Jahre später holt Oracle dann zum Erstschlag aus und behauptet, SAP habe durch die Akquisition von TN illegalerweise auf geschützten Software-Code und andere Materialien von Oracle zugegriffen. Daraufhin entbrennt ein langwieriger und ziemlich unschöner Rechtsstreit. SAP legt TomorrowNow 2008 relativ plötzlich auf Eis. Der Streit vor Gericht geht dennoch weiter: Erst Ende 2014 einigen sich die beiden Software-Giganten, nachdem SAP bereit ist, 359 Millionen Dollar Entschädigung an Oracle zu überweisen. Natürlich läuft auch das nicht ohne Giftpfeile ab, wie ein Statement von SAP zum Urteil verdeutlicht: "Das ist eine starke Message an alle, die es vorziehen zu betrügen, anstatt fair und rechtmäßig zu konkurrieren".

Unterdessen hat ein ehemaliger Mitbegründer von TomorrowNow mit Rimini Street eine Nachfolger-Firma gegründet, die auf ein ganz ähnliches Geschäftsmodell setzt. Neben Wartung und Service für Oracle-Produkte möchte RiminiStreet dieselben Dienste auch für SAPs ERP-Produkte anbieten. Zum halben Preis.

Noch eine Nacht drüber schlafen?

Wo wir gerade bei SAP sind: Der US-Matratzenhersteller Select Comfort will 2008 gleich mehrere Produkte der Walldorfer implementieren: ERP, CRM sowie Supply-Chain- und andere Applikationen sollen die Unternehmens-IT auf Vordermann bringen.

Unter dem Druck der Aktionäre muss das Unternehmen das 20 Millionen Dollar teure Projekt schließlich einstampfen. Denn die sehen das als extrem schlechte Management-Entscheidung.

ERP und SaaS - Vom Exotenduo zum neuen Standard

Als unsere US-Kollegen vom CIO Magazine Anfang 2008 rund 400 IT-Entscheider zu ihren ERP-Systemen befragt, zeigt sich, dass die CIOs weiterhin auf traditionelle On-Premise-ERP-Systeme setzen - den Integrations-Problemen und der Kosten-Explosion zum Trotz.

Wirklich überraschend sind die Ergebnisse allerdings nicht. Schließlich ist ein CIO von Natur aus zögerlich, wenn es darum geht sensible Daten aus ERP-Systemen in die Data Center anderer Unternehmen zu verlagern. Nur neun Prozent der Befragten geben in der Umfrage an, auf ein alternatives ERP-Modell zu setzen - darunter auch SaaS-Applikationen.

Das war vor fast zehn Jahren. Und heute? SaaS-ERP-Provider wie NetSuite haben sich inzwischen mit ihren Geschäftsmodellen Akzeptanz auf breiter Basis erarbeitet. Insbesondere NetSuite kann von dieser Entwicklung profitieren und wird vom Startup zum Industrie-Player. Mitte 2016 wird das Unternehmen für rund 9,3 Milliarden Dollar von Oracle übernommen.

Legendäres Blankziehen auf hoher See

Zugegeben: Mit einem ERP-Rollout hat dieser Vorfall nicht direkt etwas zu tun. Dennoch ist derSegel-"Incident" zwischen SAP-Chef Hasso Plattner und Oracle-CEO Larry Ellison quasi eine moderne Legende.

Was ist passiert? Während des Segelwettbewerbs Kenwood Cup im Jahr 1996 segelt Ellisons Crew (Ellison war selbst nicht an Bord) nachweislich mehrfach an Plattners Segelyacht vorbei. Das wäre nichts Verwerfliches, wäre diese nicht wegen eines gebrochenen Masts liegen geblieben und hätte ein offensichtlich verletztes Crew-Mitglied an Bord gehabt.

Plattners Revanche: Er zieht blank. Angeblich gibt es auch ein Video vom Vorfall. Aufgetaucht ist es bislang nicht. Ob das nun gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Der Schlagabtausch zwischen SAP und Oracle ist damit jedenfalls noch lange nicht beendet.

So stemmen Sie den ERP-Rollout

Was können Unternehmen also aus diesen ERP-Flops lernen? Wir fassen die Erkenntnisse noch einmal für Sie zusammen:

  • Werden Sie nicht zum gefundenen Fressen für Regulierungsbehörden

  • Halten Sie Ihre Daten sauber und sicher

  • Dokumentieren Sie Ihre Prozesse bevor Sie auf eine neue Plattform migrieren

Greg Crouse hat noch ein weiteres Stichwort für CIOs: Kontinuität. Der Experte erklärt: "Ich arbeite gerade an einem Fall, bei dem es um eineERP-Implementation geht, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren geplant ist. Bisher gab es bereits vier Personen auf der Position des CIO. Das sorgt für einen ganzen Rattenschwanz von Problemen. Sie sollten also für Rückendeckung aus der Vorstandsebene sorgen - es muss jemanden geben, der das Projekt vorantreibt. Wenn sowohl die Entscheider, als auch die Leute, die das Projekt von Kundenseite her gut kennen, ständig wechseln, wird es schwierig."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com.

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