TradeLens, IBM Food Trust, We.trade

IBM erklärt seine Blockchain-Strategie

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Zahl der TradeLens-Teilnehmer wächst kontinuierlich

Ist auf TradeLens momentan nur das Ökosystem von Maersk abgebildet oder sind auch Wettbewerber drauf?

Schultze-Wolters: Wir haben mit rund 30 Maersk-Häfen und -Terminals begonnen, insgesamt sind jetzt aber schon 60 dabei. Die Vorteile haben sich außerhalb der Maersk-Welt herumgesprochen. Soeben haben auch die globalen Schifffahrtsunternehmen CMA CGM und Mediterranean Shipping Company (MSC) angekündigt beizutreten, davor schon viele kleinere Reedereien.

Damit werden bald Daten für fast die Hälfte der weltweiten Seecontainer-Transporte über TradeLens laufen. Auch CMA CGM und MSC werden ihre Ökosysteme auf TradeLens abbilden und so die Plattform aktiv bewerben. Und wir reden natürlich auch mit den anderen Großen aus den TOP 10.

Gibt es ein konkurrierendes Projekt in ähnlicher Größenordnung?

Schultze-Wolters: Cosco in China gehört auch zu den Top 10, die sind an einem ähnlichen Thema dran, aber längst nicht so groß. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich auch Cosco irgendwann für TradeLens öffnen wird.

Haben Sie Joint Ventures mit Maersk und Walmart gegründet?

Schultze-Wolters: Zunächst ja. Ursprünglich wollten wir bei TradeLens ein Joint Venture mit 51 Prozent Anteil für den Industriepartner gründen. Wir haben dann aber gesehen, dass es unseren Grundprinzipien einer Open Industry Platform widerspricht. Wir brauchen eine Governance-Struktur, an der viele Beteiligte mitwirken, um das ganze zum Leben zu erwecken. Das funktioniert nicht in einem Joint Venture mit nur einem Partner, deshalb haben wir das Modell geändert.

Jetzt ist TradeLens eine Lösung ohne eine neue Legal Entity, ein Produkt, das von IBM und Maersk geschaffen wurde und jetzt kollaborativ mit Partnern weiterentwickelt wird. Betrieben wird die Plattform von IBM. In meinem Team gibt es einen Lösungsbereich, der beschäftigt sich unter anderem mit TradeLens, aber auch mit IBM Food Trust - jeweils weltweit organisiert.

Brancheninterne Blockchain-Lösungen sind allein schon interessant, aber richtig spannend wird es erst, wenn das ganze branchenübergreifend aufgesetzt wird. TradeLens hilft ja nicht nur den Logistikern, sondern auch den großen Fertigungsunternehmen weiter. Wir wollen, dass auch Automobilkonzerne oder der Handel mitmachen - theoretisch jeder, der in eine Supply Chain involviert ist. Auch Banken und Versicherungen kommen jetzt auf uns zu, denn Transporte müssen finanziert und versichert werden, das lässt sich mit TradeLens einfacher umsetzen. Es wird also eine weltumspannende Lösung, die über das Thema SCM und Logistik weit hinausgeht.

Papierlose Prozesse im internationalen Handel?

Es geht also um mehr als nur das Tracking von Containern und Gütern?

Schultze-Wolters: Zunächst gibt TradeLens tatsächlich Supply Chain Insights, also eine Antwort auf die Frage: Wo befindet sich meine Ware oder mein Container gerade. Das können wir zu jeder Zeit weltweit in Echtzeit nachvollziehen. Wenn beispielsweise Edeka auf Lebensmittel-Container wartet oder Adidas Produkte aus China nach Deutschland verschifft, hätten sie jeweils Transparenz über die gesamte Kette.

Das zweite Problem, das wir adressieren, ist Effizienz. Die gesamte Logistik ist noch immer extrem papierabhängig. Das ist aufwändig und fehleranfällig durch die zahlreichen Medienbrüche. Wir wollen alle Dokumente digital über unsere Blockchain-Infrastruktur zur Verfügung stellen - 24/7, in Realtime - und so eine schnelle Bearbeitung möglich machen.

Teilweise kommen die Trucker heute ja noch mit einem Schmierzettel zum Terminal im Hamburger Hafen und sagen: Das ist meine Auftragsnummer. Über die Funktionalität Paperless Trade werden Frachtpapiere, Zertifikate, auch besonders sensible Daten, wenn es etwa um die Echtheit von Produkten geht, komplett digitalisiert.

Das klingt nach gigantischen Herausforderungen in der praktischen Umsetzung …

Schultze-Wolters: Ja, es ist schon klar, dass in den Zollbehörden von Peru anders gearbeitet wird als am Hamburger Hafen und in China anders als in Kanada. Wir haben deshalb exemplarisch elf Zollbehörden weltweit ausgewählt und über ein Early-Adopter-Programm involviert. Da sind wir gerade noch im sogenannten Onboarding-Prozess.

Kanada, Peru, Niederlande, Saudi-Arabien, Singapur - die sind alle sicher dabei. Wir wollten möglichst repräsentativ die verschiedenen regulatorischen und gesetzlichen Anforderungen aufnehmen und verarbeiten. Im Zoll liegt eine der größten Herausforderungen.

Das Thema Supply Chain Insights ist sicher wichtig, aber Unternehmen wollen nicht nur wissen, wo ihre Ware ist, sondern auch in welchem Zustand. Bieten Plattformen wie IBM Food Trust oder TradeLens hier schon Antworten?

Schultze-Wolters: Supply Chain Insight und Paperless Trade sind nur zwei Use Cases, es werden weitere dazu kommen. Es gibt eine Roadmap für die nächsten zwei Jahre. Eine ganz wichtige Rolle für die Weiterentwicklung der Plattformen spielen unsere Beiräte aus den jeweiligen Branchen, wir nennen sie Advisory Boards. Immer, wenn wir über Blockchain-Projekte reden, brauchen wir eine Governance-Struktur, die über Funktionen, Geschäftsmodell, Weiterentwicklung, Partnerschaften etc. entscheidet und die Ergebnisse kommuniziert.

Wir bauen gerade je ein Advisory Board für TradeLens und für IBM Food Trust auf. Im Zusammenhang mit IBM Food Trust reden wir auch intensiv über IoT-Szenarien. Ich arbeite mit verschiedenen Unternehmen im deutschsprachigen Raum zusammen, die sich mit Kühlung, Sensorik, Aggregaten etc. beschäftigen. Diese Profis möchten wir mit auf die Plattform ziehen.

In welchem Zustand befindet sich ein Container und vor allem die Ware darin, wenn wir etwa über Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Erschütterungen reden? Gerade für Früchte aus Südamerika, die völlig unreif ihre Reise antreten und dann unterwegs einen Reifungsprozess durchmachen, ist das ganz wichtig. Wir arbeiten also an zukünftigen Use Cases rund um das Thema IoT.

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