Mitarbeiter falsch einschätzen

Im Sog der Vorurteile

08.03.2004
Von Birgit Obermeier

Und dauerhaft, so die Forscher, weil "Manager ein übersteigertes Vertrauen in ihr eigenes Urteil entwickeln". Setzt der "Versager" ein Projekt in den Sand, fühlt sich der Chef bestätigt. Schließt er es hingegen erfolgreich ab, dann lag das offenbar an besonders günstigen Umständen. Bei ihren hochgeschätzten Mitarbeitern drehen die Manager ihre Zuschreibungsmuster kurzerhand um: Einen Fehlschlag werten sie dann als "Pech". Widersprechende Informationen werden ausgeblendet - ein bekanntes psychologisches Phänomen, das dem Menschen nicht zuletzt hilft, mit der komplexen Wirklichkeit umzugehen.

Der "Pygmalion-Effekt

Paradox: Ist ein Vorgesetzter von der Leistungsfähigkeit seiner Untergebenen überzeugt, nähert sich diese tatsächlich den Erwartungen an. Dieser "Pygmalion-Effekt" wurde im schulischen Kontext erforscht und in zahlreichen Studien bestätigt. Umgekehrt können niedrige Erwartungen leistungshemmend wirken ("Golem-Effekt"). Treten also Leistungsmängel auf, so in vielen Fällen gerade weil die Führungskräfte sich bemühen, sie durch ihre "Hilfestellung" zu beheben. "Die Chefs erzeugen ihr eigenes Elend, und häufig kreieren sie dabei sogar ihre eigenen Versager", resümieren die Forscher.

Ganz unschuldig an diesem "Elend" sind aber auch die Mitarbeiter nicht. Sie verteilen ebenfalls Etiketten und unterstellen dem Vorgesetzten bestimmte Absichten - häufig in übertriebenem Maß. Wer sich bedroht fühlt, reagiert "hyperwachsam" auf negative Signale, so die Autoren. Gerechtfertigte Kritik wird als unfair abgetan. Insbesondere aber neigen vermeintliche Versager dazu, Kontakte mit dem Chef zu vermeiden - und auf diese Weise verstärken sie sein Misstrauen nur noch.

Manager und Mitarbeiter müssten sich der Filter bewusst werden, durch die sie einander wahrnehmen, raten Manzoni und Barsoux. Um zu vermeiden, dass eine Beziehung schon am Anfang durch Missverständnisse vergiftet wird, sollten sich Vorgesetzte genügend Zeit nehmen, ihre Erwartungen hinsichtlich Leistung, Prioritäten und kommunikativen Austausch zu klären. Bei allem Vertrauen in ihre Urteilskraft: Gegen die Streiche, die der menschliche Geist bei der Informationsverarbeitung spielt, helfen nur neue Denkgewohnheiten, so die Forscher. Erste Übung: aktiv nach widersprüchlichen Informationen suchen.

Martin Liebigs Chef hätte dann bemerkt, dass der Ingenieur sein erstes Projekt letztlich mit Bravour abgeschlossen hatte.

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