Künstliche Intelligenz

KI darf nie Selbstzweck sein

Jens Dose ist Editor in Chief von CIO. Seine Kernthemen drehen sich rund um CIOs, ihre IT-Strategien und Digitalisierungsprojekte.
Der Hype um künstliche Intelligenz als Game Changer ist ungebrochen, doch in der Praxis müssen CIOs noch viele Hürden nehmen.
KI-Systeme sind kein Allheilmittel. Sie müssen vom Business Case her gedacht werden.
KI-Systeme sind kein Allheilmittel. Sie müssen vom Business Case her gedacht werden.
Foto: metamorworks - shutterstock.com

"KI-Systeme sind eigentlich nur zu einem kleinen Teil künstliche Intelligenzkünstliche Intelligenz," sagt Jana Koehler. Der Großteil bestehe aus Schnittstellen, Testkomponenten, Trainingsmodellen oder "Glue Code", der alle Teile miteinander verbinde, erklärte die Wissenschaftliche Direktorin des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DKFI) auf der Jahrestagung Strategisches IT-Management des Handelsblatts. Trotz allem Hype um KI spielen Softwarequalität und Testing demnach immer noch eine entscheidende Rolle, wenn Unternehmen die Trendtechnologie einsetzen möchten. Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de

Auf der organisatorischen Ebene bedarf es dazu grundlegender Veränderungen. Anstatt starrer IT-Architekturen, die die Infrastruktur ins Zentrum stellen, sollten die IT-Entscheider eine Strategie wählen, die dort ansetzt, wo die Daten anfallen, empfiehlt Koehler. Für Big Data und KI eigneten sich neue Entwicklungsmethoden wie Domain-driven Design (DDD) und Architektur-Stile wie das Zwiebel-Prinzip eher als ihre traditionellen Pendants.

Schlüsselfaktor Datenstrategie

Die Datenstrategie muss der CIO gemeinsam mit den Fachbereichen und der IT-Abteilung erarbeiten, da es gilt, Prozesse und Daten miteinander zu verknüpfen. Dazu ist es wichtig, die Mitarbeiter in den Fachbereichen zu schulen, um Wiederstände gegen Veränderungen abzubauen. Im gleichen Zug muss die IT als kompetenter Ratgeber aufgebaut werden, der Prozesse neu denkt, anstatt alte Methoden nur zu verbessern.

Um datenzentrierte Projekte erfolgreich auszurollen, schlägt Koehler folgendes Vorgehensmodell vor:

  1. vom Ergebnis und dem Business Case her denken: Was soll sich ändern und lohnt sich das überhaupt?

  2. relevante Daten erheben: Welche Daten habe ich und welche brauche ich noch? Hier rät Koehler zur Datensparsamkeit.

  3. die technologische Roadmap aufstellen;

  4. Risiken abschätzen;

  5. nicht unnötig verkomplizieren: die Granularität der Lösung muss zur Industrie passen;

  6. so früh wie möglich (agil) testen.

KI dürfe nie Selbstzweck sein, betont die Wissenschaftlerin: "Bei ihrem Einsatz kommt es auf Kosteneffizienz und eine innovative Art der Datenauswertung an, die gute Ergebnisse liefert." Die wichtigste Aufgabe der KI sei es, Prozesse der digitalen Transformation zu unterstützen sowie sie effizienter und flexibler zu machen. Gegenwärtig stehe der Umgang mit Kunden und der Bereich operative Exzellenz im Zentrum vieler KI-Initiativen.

DHL setzt auf Usability

Mit solchen Themen beschäftigt sich auch Markus Voss, CIO und COO bei DHLDHL Supply Chain. Er optimiert beispielsweise mithilfe von Algorithmen die Arbeitsabläufe in den Lagehäusern des Logistikunternehmens. Die Laufwege der Mitarbeiter konnten halbiert und ihre Produktivität erhöht werden. Top-500-Firmenprofil für Deutsche Post AG

Doch nicht jeder große Innovationsschritt braucht KI. Voss ersetzte zum Beispiel den schweren, komplizierten Barcodescanner der Lageristen durch eine Kombination aus Scanner am Ringfinger und Smartphone-artigem Display am Handgelenk. Dadurch haben die Mitarbeiter beide Hände frei und sparen sich mehrere Handgriffe beim Registrieren der Bestände. Zudem ist die Bedienung der neuen Systeme über Buttons auf dem Touchscreen schneller und intuitiver als die der alten Geräte.

"Das wichtigste dabei ist die Software," sagt Voss. Sein Team habe intensiv daran gearbeitet, die komplexen Prozesse in ein paar wenigen Tasten abzubilden. "Der Schulungsaufwand ist von ein bis zwei Wochen auf wenige Stunden reduziert worden," so Voss: "Ergonomie und Benutzerfreundlichkeit sind entscheidend für Erfolg und Akzeptanz bei den Mitarbeitern." In den letzten zwölf Monaten habe das Unternehmen bereits etwa 5.000 neue Geräte eingeführt.

Erste Schritte in der Versicherungsbranche

So weit wie die LogistikLogistik ist die VersicherungsbrancheVersicherungsbranche noch nicht, berichtet Olaf Frank, Head of Business Technology bei Munich ReMunich Re: "40 Prozent der Versicherungsprämien wandern in die Verwaltung, nur ein kleiner Teil wird tatsächlich ausgezahlt." Doch nicht nur ineffiziente Prozesse sind eine Herausforderung. Neue Technologien wie etwa Drohnen bedeuten neue Risiken, die mit traditionellen Methoden oft nicht berechnet und damit nicht versichert werden könnten. Top-500-Firmenprofil für Munich Re Top-Firmen der Branche Transport Top-Firmen der Branche Versicherungen

Die Munich Re arbeitet an KI-Lösungen für derartige Probleme. Für seine Underwriter bietet der Rückversicherer beispielsweise Text-Mining-Software, die Policen automatisiert nach bestimmten Begriffsgruppen absucht und farblich markiert. So könnten die Mitarbeiter komplexe Sachverhalte in oft über 100 Seiten starken Dokumenten schnell erfassen und bewerten.

Bei der Risikobewertung helfe Predictive AnalyticsPredictive Analytics etwa, Katastrophen und deren Auswirkungen vorherzusagen. Dadurch können sich Kunden besser vorbereiten und die Versicherung kann den Schaden schneller regulieren. Das steigert die Kundenzufriedenheit und senkt die Kosten für den Versicherer. Solche datenbasierten Analysen und Beratungsleistungen werden in Zukunft eine wichtige Rolle in den Portfolios der Versicherer spielen, erwartet Frank. Alles zu Predictive Analytics auf CIO.de

Gebündelte Exzellenz

Thomas Kleine, Country Lead, PfizerPfizer Digital DACH, beschäftigt sich mit der organisatorischen Verankerung von KI im PharmaunternehmenPharmaunternehmen. Zwar gäbe es bereits viele KI-Initiativen im Konzern, die IT-Teams tauschten sich jedoch nicht untereinander aus. Dadurch gehe Potenzial verloren, das Kleine durch eine übergreifende Governance nutzbar machen will. Um ein Zielbild für KI zu schaffen, gründete Pfizer ein AI Center of Excellence (CoE). Top-500-Firmenprofil für Pfizer Top-Firmen der Branche Chemie

Das Zentrum mit knapp 50 Mitarbeitern soll KI-Wissen im Unternehmen bündeln und Projekte zentral als Owner betreuen. Dort entwickelt Pfizer eine Plattformstrategie sowie die Roadmap der KI-Projekte und kümmert sich um ihre Umsetzung. Daneben kümmern sich die Mitarbeiter um die Talententwicklung und agieren als Change-Agenten im Unternehmen.

Den digitalen Wandel bei Pfizer treibt Kleine vor allem mit Kommunikationsmaßnahmen voran. Dazu gehören Info-Maßnahmen, Veranstaltungen und Multiplikatoren wie etwa KI-Evangelisten, die das Thema in die Fachbereiche tragen. "Der Wandel muss mit den Menschen passieren," fordert der Digital-Manager und setzt sich für eine Entmystifizierung der künstlichen Intelligenz durch faktenbasierte Use Cases ein.

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