Robocup 2003

Kickende Kisten

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.
Wenn Roboter Fußball spielen, gelingt das genauso gut wie ein Buch von Stefan Effenberg. Sie parken auf dem Spielfeld, verlieren den Überblick oder schieben den Ball ins Aus. Besser, sie blieben bei ihren Kernkompetenzen.

Jetzt dribbeln sie wieder: Roboter aller Klassen kicken bis zum 11. Juli im italienischen Padua um den Titel des Fußballweltmeisters. Kleine, mittelgroße, vierbeinige und vermeintlich humanoide Blechspieler treten sich dabei vor die Schienbeine und -räder. Parallel dazu beraten die Trainer über Sensoren, Selbstlokalisation, anpassbare Autonomie und lernende Systeme. Den "Robocup Scientific Challenge Award" verleihen sie nicht direkt nach Abpfiff, sondern nachdem sie die Auswürfe künstlicher Intelligenz ausgiebig analysiert haben.

Derweil langweilt sich das Publikum in Padua mit ungelenken Kisten, die stumpf auf dem Spielfeld parken, verständnislos ihre Kameras schwenken oder autistisch den Ball ins Aus schieben. Schön anzuschauen ist das nicht - einem Fußballspiel vergleichbar ebenso wenig. Schön muss es aber auch nicht sein, denn es geht den Forschern um mehr Effizienz in der Robotik allgemein. Das Fußballspiel haben sie ausgesucht, weil es sich dabei um ein "Standardproblem" handelt, wie auf der Seite www.robocup.org nachzulesen. Hier lasse sich gut testen, wie mehrere Agenten zusammen eine Lösungsstrategie errechnen und umsetzen.

In der Middle Size League, der so genannten Königsklasse im Roboterfußball, verständigen sich pro Mannschaft drei Feldspieler mit einem Torwart auf eine Taktik. Eine Viererkette bietet sich für die Verteidigung nicht an - so viel wissen die maximal 80 Zentimeter großen Roboter schon vor dem Anpfiff. Ansonsten müssen sie alle neuen Informationen selbstständig verarbeiten und an die Mitspieler funken. Während des Spiels ist menschliche Einflussnahme nicht gestattet. In der Small Size League spielen Mannschaften von vier Robotern auf einer Tischtennisplatte ohne Netz gegeneinander. Als gemeinsames Auge dient ihnen eine Kamera, die über dem Spielbrett schwebt. Ein zentraler Rechner entscheidet über die Raumdeckung. Bei den humanoiden Robotern beginnt die Weltmeisterschaft mit einer Qualifikationsrunde, in der die Spieler beweisen müssen, dass sie auch auf einem Bein stehen können.

Es fehlt an Fleisch und Testosteron

Alle Disziplinen belegen, dass die Forscher etwas Grundsätzliches in Sachen Fußball nicht verstanden haben: Es geht nicht darum, sportlich zu sein oder gar elf Freunde. Buchautor Stefan Effenberg hat eindrücklich belegt, dass ein wenig Machiavelli der Spannung durchaus dient. Das Umschubsen von Mitspielern oder deren Gattin bereichert Fußball auf eine Art, wie es selbst die humanoiden Roboter noch nicht einprogrammiert bekamen. Folglich verzeichnen sie auch geringere Einschaltquoten als die Kollegen aus Fleisch und Testosteron. Das könnte sich aber ändern: Bis 2050 sollen Roboter ihre menschlichen Gegenspieler ausdribbeln, so die Veranstalter. Ein erster Schritt ist bereits getan: Das amtierende Weltmeisterteam heißt "Eigen". Leider verbirgt sich dahinter nicht das Bekenntnis zu mehr Egozentrik; das schnöde Kürzel steht für "Enthusiastic Intelligent Global Engineering".

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