Strategien


Fusion Allianz/Dresdner Bank

Operation Regenschirm

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.
Seit gut einem Jahr werkeln Allianz Versicherung und Dresdner Bank an ihrem Zusammenschluss. Fünf weitere Jahre wird die Fusion unter dem Code-Namen „Operation Regenschirm" noch dauern, schätzt IT-Vorstand Friedrich Wöbking. Eine Zwischenbilanz.

„Die einen sind nunmal grün, die anderen blau“, fasst Ralf Schneider die Fusion von Allianz und Dresdner Bank in Deutschland ganz nüchtern zusammen. Dabei sind die Zahlen gewaltig:
87 000 Mitarbeiter, 12 000 Agenturen, 20 Millionen Kunden auf der blauen Seite, 50000 Angestellte, 856 Filialen, 4,5 Millionen Kunden auf der grünen. Der 38-Jährige baut bei der Allianz Vertriebssysteme für Versicherungsvorsorge- und Vermögensprodukte und stellt die Software für den Vertrieb in den Verkaufskanälen bereit. Seit der Fusion ist sein 240 Mitarbeiter starker Fachbereich auch für die Dresdner Bank zuständig. Auch bei Friedrich Wöbking, oberster IT-Hüter während des Fusionsprozesses, ist keinerlei Aufregung spürbar. Er lehnt sich im Konferenzraum des Allianz-Gebäudes in München entspannt zurück und verkündet: „Mir macht die Arbeit großen Spaß.“ Der Vorstand der Allianz Versicherung war schon für deren Informationssysteme zuständig und zog Ende November 2002 auch in den Dresdner-Bank-Vorstand ein. Was er für seinen Job, die Angleichung der verschiedenen IT-Systeme, braucht, sind großer Einsatz und viel Geduld.

Dezentrale versus zentrale Systeme

Die IT-Infrastrukturen der Partner könnten unterschiedlicher nicht sein: Während die Dresdner Bank schon in den 80ern auf dezentrale Systeme setzte, war die IT der Allianz Mainframe-orientiert und zentralistisch angelegt. „Schnelligkeit vor Perfektion, klare Entscheidungen, eine hohe Sitzungsfrequenz, durchgängige Aufbereitung, paritätisch besetzte Teams und Management-Awareness“, benennt Wöbking die Pfeiler seines Handelns. Was ihm dabei nach eigener Aussage zugute kommt, sind seine Erfahrungen aus zwei früheren Zusammenschlüssen. Der 52-Jährige hat schon die Integration der alten DDR-Versicherung und die der Vereinten (Sach- und Lebensversicherung) in die Allianz begleitet.

Notes und Outlook friedlich vereint

Wöbkings Paradebeispiel für eine gelungene IT-Fusion ist die Integration der beiden E-Mail-Systeme. Die Allianz setzte hier Notes ein, die Dresdner Bank benutzte Outlook. „Wir haben einfach eine Brücke dazwischen gebaut. Jeder behält seinen Client; dahinter setzen wir auf einen Domino-Server.“ Umschulungsaufwand: keiner. Wöbking, Schneider und die anderen IT-Leiter stehen immer wieder vor der Frage: „Welches System nimmt man, oder baut man etwas Neues?“ Für den IT-Vorstand normale Entscheidungen: „Das ist eine ganz gewöhnliche Systemintegration. Unsere Leitfrage lautet: Wo kann der eine vom anderen lernen und profitieren?“ Die für die Integration zuständigen Abteilungen tragen kryptische Abkürzungen. Ganz oben steht der Bereich IS-ADV (Informationssysteme Allianz Dresdner Vertriebssysteme) mit den Frontends. Die Einheit IS-STA ist für die Standardarchitektur, das E-Business-Framework und die E-Mail-Architektur zuständig. Darunter gibt es die zum 1. Januar miteinander verschmolzenen Servicegesellschaften Agis und Dregis mit ihren rund 2500 internen Mitarbeitern. „Dazwischen stehen die Entwicklungsmannschaften für die Branchen“, erklärt Wöbking.

So läuft es jedes Mal: Projektteams arbeiten die verschiedenen Themen ab, ermitteln Synergien - die zu Einsparungen von rund 300 Millionen Euro führen sollen - und suchen das Beste aus beiden Welten. So gab es etwa auch in den Bereichen Bausparen und beim Asset Management zwei verschiedene Systeme. Alle blauen Allianz-Gesellschaften nutzten das E-Business-Framework „I-net“; die Dresdner Bank baute auf die selbst entwickelte Plattform Nector. Nach intensiver Analyse hat sich das Framework der Allianz durchgesetzt. Im Gegenzug konnte die Dresdner Bank das auf Application Service Providing basierende Starship-Portal beisteuern. „Ein wunderschönes Stück Software“, urteilt Wöbking. „Damit machen wir die Verkaufs-Software ganz einfach im Innendienst nutzbar, ohne sie einzeln verteilen zu müssen.“

Banker verkaufen Versicherungen

An der Spitze des Integrationsprozesses steht ein zwölfköpfiger Ausschuss mit 20 Teams aus beiden Häusern. Das Unterteam „Organisation und IT“ (zwölf Teilnehmer, geführt von Wöbking und Klaus-Michael Geiger, Ex-Dresdner-Bank-CIO) ist entsprechend paritätisch besetzt. Dort sitzen die beiden IT-Vorstände und die Direktoren aus Business Lines und IT zusammen. Hinzu kommen IT-Kommissionen für die Sachgruppe der Allianz, die Krankenversicherung und die Allianz Dresdner Financial Services. Neben den rein technisch bedingten Schwierigkeiten wirken sich auch die kulturellen Unterschiede zwischen BankenBanken und VersicherungenVersicherungen auf die IT-Fusion aus. „Der Versicherungsmann will alle Produkt- und Beratungsvarianten haben; erst führt er eine Tarifierung durch, dann erstellt er ein Angebot, zuletzt vervollständigt er den Antrag. Für einen Bankangestellten dagegen müssen die Produktvarianten viel schneller auf den Punkt gebracht werden. Er stellt ein paar Einstiegsfragen, mit denen das Programm automatisch alle Parameter belegt. Ein Versicherungsmann wiederum ist es gewohnt, sein Angebot selbst zu entwickeln“, sagt Schneider. Inzwischen verkaufen die Allianz-Vertreter Bankprodukte und die Banker Versicherungen. Schneider hat im bisherigen Verlauf der Integration erfahren: „Man muss Barrieren überwinden. Denn von heute auf morgen entwickelt sich kein Versicherungsmann zum Banker und auch nicht andersherum. Top-Firmen der Branche Banken Top-Firmen der Branche Versicherungen

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