EU-Sanktionen gegen Moskau

Putin zur Rechenschaft ziehen - nur wie?

25.02.2022
Wochenlang versuchten die EU und ihre Verbündeten, Russland von einem Krieg gegen die Ukraine abzuhalten. Nun ist Russland in das Nachbarland einmarschiert. Und die EU reagiert.
Vladimir Putin sieht die Ukraine als ein Teil von Russland und gab den Marschbefehl.
Vladimir Putin sieht die Ukraine als ein Teil von Russland und gab den Marschbefehl.
Foto: Nick_ Raille_07 - shutterstock.com

Hinter den Kulissen liefen die Vorbereitungen für den schlimmsten aller denkbaren Fälle, einen neuen Krieg in Europa, seit Wochen. Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin trotz aller Drohungen und diplomatischer Mühen in die Ukraine einmarschieren würde, sollte die Reaktion schnell und hart ausfallen. Innerhalb kürzester Zeit wollten die EU-Staaten dann gemeinsam mit den USA und Großbritannien Sanktionen verhängen - beispiellos schmerzvoll sollten sie sein.

Nun war es so weit. Russland begann in der Nacht zum Donnerstag einen Krieg gegen die Ukraine und Bundeskanzler Olaf Scholz und die Staats- und Regierungschefs der anderen 26 EU-Staaten einigten sich so schnell wie wohl noch nie zuvor auf ein umfangreiches Sanktionspaket. Dies werde "Russland wegen seiner Handlungen massive und schwerwiegende Konsequenzen" auferlegen, hieß es in einer Erklärung. Kurz zuvor hatte auch US-Präsident Joe Biden neue Strafmaßnahmen wie strikte Exportkontrollen für den Technologiesektor und Sanktionen gegen vier Kreditinstitute angekündigt.

Details zu den EU-Strafmaßnahmen sollen erst mit dem Inkrafttreten an diesem Freitag öffentlich bekannt werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geht es allerdings um Folgendes:

Finanzsanktionen

Die EU wird russische Banken von den EU-Finanzmärkten abschneiden. Sie sollen sich in der EU künftig kein Geld mehr ausleihen können und auch kein Geld mehr verleihen können. Auch die Refinanzierung von russischen Staatsunternehmen in der EU soll verhindert werden. Ihre Aktien sollen künftig nicht mehr in der EU gehandelt werden dürfen. Um zu verhindern, dass reiche Russen versuchen, Gelder in der EU in Sicherheit zu bringen, sind Anlagebeschränkungen geplant. Bereits in einem ersten Sanktionspaket vom Mittwoch war der Zugang von Banken zu den EU-Finanzmärkten eingeschränkt worden. Auch waren drei russische Finanzinstitute mit Strafmaßnahmen belegt worden.

Nicht Teil der Sanktionen ist den Angaben zufolge ein möglicher Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift. Dies gilt als eine Art "wirtschaftliche Atombombe" und hätte zur Folge, dass russische Finanzinstitute vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen würden, weil Swift das international wichtigste System zum Austausch von Informationen zu Transaktionen ist. Gegen diesen weitreichenden Schritt gibt es in einigen EU-Staaten jedoch Vorbehalte, unter anderem deshalb, weil er auch den EU-Ländern selbst erheblich schaden könnte. In EU-Kreisen wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch zu einem Ausschluss Russlands aus Swift kommt. Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich mit Blick auf diese Möglichkeit hingegen zurückhaltend.

Sanktionen gegen den Transportsektor und Technologie-Embargo

Hier soll vor allem die russische Luftverkehrsbranche von der Versorgung mit Ersatzteilen und anderer Technik abgeschnitten werden. So könne mit relativ kleinem Aufwand riesige Wirkung erzielt werden, hieß es. Exportkontrollen für Hightech-Produkte und Software sollen es auch anderen russischen Schlüsselindustrien schwer machen, sich weiterzuentwickeln. "Wir werden Russlands wirtschaftliche Basis und ihre Fähigkeit zur Modernisierung schwächen", sagte von der Leyen.

Nord Stream 2 und andere Sanktionen gegen den Energiesektor

Die von Russland nach Deutschland führende Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 ist bereits auf Eis gelegt. Die neuen Sanktionen sollen nach dpa-Informationen auch den Energiesektor Russlands treffen. Ausfuhrverbote für zum Beispiel Erdgas waren zunächst jedoch nicht vorgesehen. Allerdings wird es in EU-Kreisen für möglich gehalten, dass Russland selbst die Versorgung der EU mit Erdgas einstellt.

Die EU hängt bislang stark von russischen Gas-Importen ab. Der EU-Kommission zufolge importiert sie 90 Prozent des genutzten Gases, wovon etwa 40 Prozent aus Russland kommen. Wegen des Nord-Stream-2-Stopps drohte der ehemalige russische Regierungschef Dmitri Medwedew bereits mit einer Preisexplosion beim Gas.

Von der Leyen machte am Donnerstag jedoch klar, dass sie die Gasversorgung der EU für gesichert hält. Ihre Behörde hatte angesichts der Eskalation in der Ukraine zuletzt versucht, die Abhängigkeit von Russland durch die Lieferzusagen anderer Länder zu reduzieren. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte zuletzt, dass die deutsche Gasversorgung sicher ist. Deutschland komme komplett ohne russisches Gas aus, allerdings sei mit höheren Preisen zu rechnen.

Einschränkungen der Visapolitik

Die Maßnahmen sollen sich gegen Russen richten, die bislang privilegierte Einreisemöglichkeiten in die EU hatten. Dazu zählen neben Diplomaten beispielsweise auch Geschäftsleute. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Donnerstag, die russische Führung werde nie da gewesener Isolation gegenüber stehen.

Eine förmliche Entscheidung über das von der EU-Kommission und dem Auswärtigen Dienst vorbereitete Sanktionspaket soll umgehend vom Ministerrat getroffen werden. Die Staats- und Regierungschefs forderten zudem die zuständigen Institutionen auf, umgehend mit Arbeiten an einem neuen Sanktionspaket zu beginnen. Es soll auch die Möglichkeit schaffen, die Vermögen von russischen Oligarchen in der EU einzufrieren. (dpa/rs)

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