Retail IT


KI im E-Commerce

Oracle und SAP buhlen um den Handel

Florian Harr ist Director Business Consulting bei der Y1 Digital AG. Der Diplominformatiker verfügt über Erfahrung in der digitalen Beratung und im E-Commerce. Zu seinen beruflichen Stationen zählen die Verlagsgruppe Weltbild sowie der Shoppingsender 1-2-3.tv, wo er maßgeblich für das E-Commerce-Geschäft verantwortlich war.
Für den Online-Handel ist Generative AI ein echter Gamechanger. Aufgaben wie das Verfassen von Produktbeschreibungen, die Lagerverwaltung oder SEO-Prozesse lassen sich optimieren und automatisieren.
Viele Prozesse im Online-Handel lassen sich durch den Einsatz generativer KI automatisieren und vereinfachen.
Viele Prozesse im Online-Handel lassen sich durch den Einsatz generativer KI automatisieren und vereinfachen.
Foto: Andrey_Popov - shutterstock.com

Lange Zeit wurde der KI abgesprochen, in der Wissensarbeit sinnvoll genutzt werden zu können. Doch spätestens seit ChatGPT bestreitet kaum noch jemand das disruptive Potenzial. KI ist salonfähig geworden, die Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche unseres Lebens sind absehbar.

Intelligente, auf Generative AI basierende Assistenten, allen voran ChatGPT von OpenAI, haben innerhalb kürzester Zeit bewiesen, dass sie viele Bereiche verbessern können, so auch den E-Commerce. So gibt es im Kaufprozess auf einer Online-Plattform jede Menge Schnittstellen für KI-Tools, die dem Conversational Commerce Auftrieb geben dürften.

KI-Tools wie ChatGPT können Menschen unterstützen, nicht ersetzen

Werkzeuge wie ChatGPT können heute bei Produktbeschreibungen und Stichwortsuchen helfen. Sie sollten dabei als unterstützende, nicht als ersetzende Tools gesehen werden. ChatGPT kann verschiedene Funktionen einnehmen, die über Prompts aktiviert werden. Egal ob es um Suchmaschinen-Optimierung (SEO), das Erstellen und Lektorieren von Texten, Marketing-Aufgaben oder Keyword-Generierung geht: Der intelligente Assistent springt ein.

Praktischerweise liefert ChatGPT die gängigsten Prompts, etwa für das Marketing, auf Wunsch gleich mit. Darüber hinaus gibt es im Internet alle möglichen Anleitungen und Vorlagen für Prompts. Laut einer McKinsey-Studie wird KI in Zukunft den größten Einfluss auf das Marketing haben. Beispielsweise bieten sich Tools für die Textgenerierung an, etwa für Werbeinhalte, Mailings, Anschreiben, Produktbeschreibungen etc. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom Anfang 2023 plant hierzulande inzwischen jedes sechste Unternehmen den Einsatz von KI zur Textgenerierung.

Mit Hilfe von KI-basierten Sprachmodellen können folgende Aufgaben im E-Commerce und im Handel schneller und effizienter erledigt werden:

1. Produktbeschreibungen leicht gemacht

Bisher waren Unternehmen auf Mitarbeitende oder Agenturen angewiesen, um Produktbeschreibungen zu verfassen und in andere Sprachen zu übersetzen. Mit KI wird es in Zukunft ein Kinderspiel sein, sehr schnell Beschreibungen für das gesamte Produktportfolio zu erstellen - in jeder Sprache.

Unternehmen sollten jedoch darauf achten, dass die generierten Texte qualitativ hochwertig und ansprechend sind. Die KI wird nicht alle Feinheiten und Nuancen eines Produkts herausarbeiten können. Darüber hinaus ist es wichtig sicherzustellen, dass die künstlich generierten Beschreibungen den rechtlichen Anforderungen und E-Commerce-RichtlinienE-Commerce-Richtlinien entsprechen. Das gilt etwa in Bezug auf Produktspezifikationen oder Sicherheitswarnungen. Alles zu eCommerce auf CIO.de

Eine menschliche Überprüfung der Ergebnisse ist also unerlässlich. Ein großer Vorteil: Das große Sprachmodell hinter ChatGPT 4 kann auch Tabellen auswerten. Daher ist es wichtig, dass Online-Händler ihre Produktspezifikationen bestens pflegen. Nur dann können diese Daten als Grundlage für automatisch generierte Produktbeschreibungen herhalten.

2. Produkte finden im Dialog

Die Fähigkeit der KI, Suchanfragen zu verstehen und zu interpretieren sowie relevante Ergebnisse zu liefern, vereinfacht die Suche auf E-Commerce-Seiten erheblich. Wie ein intelligenter ChatbotChatbot kann die KI Suchergebnisse in natürlicher Sprache ausgeben. Allerdings muss sie zunächst darauf trainiert werden, die Intention hinter den Suchanfragen von Kunden richtig zu interpretieren. Die Verarbeitung komplexer oder spezifischer Suchanfragen kann Schwierigkeiten bereiten, erst recht, wenn dabei Fachtermini verwendet werden. Alles zu Chatbot auf CIO.de

Für eine hohe Qualität der Suchergebnisse muss die KI daher kontinuierlich überwacht und angepasst werden. Hier ist es zielführend, wenn Händler ein eigenes Sprachmodell, etwa auf der Basis von GPT 3, erstellen und das System mit eigenen Daten trainieren. Dazu muss intern Know-how aufgebaut oder externes Wissen eingekauft werden.

3. Umsatz und Lagerbestände genau prognostizieren

Mit KI werden Unternehmen Aufträge und Lagerbestände prognostizieren und sowie ihre Prozesse verbessern können. Sofern die Datenqualität adäquat ist, kann künstliche Intelligenzkünstliche Intelligenz mit beeindruckender Genauigkeit vorhersagen, wann die Nachfrage nach einem Produkt besonders hoch sein wird oder wann der Lagerbestand aufgestockt werden sollte. Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de

Die Tools können den Lagerbestand auch überwachen und analysieren, um festzustellen, welche Produkte schnell verkauft werden und welche wie Blei in den Regalen liegen. Durch ein intelligentes Bestandsmanagement optimiert der Händler dann seine Bestellungen und Nachbestellungen. Er vermeidet unnötige Überbestände.

Für eine KI-optimierte Lagerhaltung müssen Unternehmen zunächst relevante Daten sammeln. Andere Unsicherheiten, die die Nachfrage beeinflussen können - saisonale Schwankungen, neue Trends oder das Wetter sind nur ein paar Beispiele - können durch KI-Lösungen zumindest teilweise abgebildet werden. So lässt sich neben der Lagerhaltung auch das Pricing optimieren.

Wird ein Produkt plötzlich stark nachgefragt oder geht ein Lagerbestand zur Neige, optimiert das System automatisch die Lagerhaltung und löst gegebenenfalls Bestellungen aus. Für die aktive Lagersteuerung kann auch das so genannte Dynamic Pricing genutzt werden. Produkte mit Überbeständen werden dann im Preis attraktiver, Bestseller können ein wenig teurer werden.

4. Testing 2.0: KI findet die Fehler

Auch im Backend wird KI die Arbeitsweise verändern. Komplexe Tests und die Suche nach Fehlern können automatisiert werden. Allerdings müssen Testsysteme ausreichend trainiert und validiert werden, um genaue Ergebnisse zu liefern. Es braucht also Testdaten, um das Sprachmodell entsprechend zu füttern.

Shopbetreiber, die dergestalt automatisieren, werden Probleme auf ihrer E-Commerce-Plattform in Zukunft deutlich schneller und effizienter beheben. Hier sind einige Möglichkeiten, wie KI das Testing automatisiert:

  • Automatisiertes Testen: Mithilfe von KI werden Testskripte automatisch erstellt und ausgeführt. Damit lassen sich verschiedene Aspekte des Online-Shops testen - zum Beispiel die Ausführung von Bestellungen oder das Ausfüllen von Formularen. Auch die Funktionsfähigkeit von Schaltflächen und Links lässt sich so überprüfen.

  • Predictive Testing: KI kann Daten aus vergangenen Testläufen ebenso wie das Nutzerverhalten analysieren und dann vorhersagen, welche Bereiche des Shops am ehesten von Fehlern betroffen sind.

  • Personalisiertes Testen: KI personalisiert das Testen, indem sie Tests für verschiedene Nutzersegmente oder Nutzerprofile anpasst. Auf diese Weise kann der Händler sicherstellen, dass der Online-Shop für alle Zielgruppen optimal funktioniert.

  • Fehlererkennung und -behebung: Hier wird KI eingesetzt, um mögliche Fehler im Shop zu erkennen und automatisch zu beheben. Das trägt dazu bei, dass kritische Probleme behoben werden, bevor sie größere Dimensionen annehmen.

  • Optimierung von A/B-Tests: A/B-Tests sind eine gängige Methode, um verschiedene Versionen von Webseiten oder Funktionen zu vergleichen. KI analysiert die Ergebnisse dieser Tests und hilft zu entscheiden, welche Versionen die besten Ergebnisse liefern.

  • Performance-Optimierung: KI wird eingesetzt, um die Performance des Online-Shops zu analysieren und Engpässe oder Flaschenhälse zu identifizieren.

  • Fehlerberichte und Analyse: KI hilft dabei, Fehlerberichte zu erstellen und Muster in den Daten zu erkennen. Dies ermöglicht es dem Händler, häufige Fehlerquellen zu identifizieren und zu beheben.

5. Lästige SEO-Arbeiten erledigt das Tool

Schon heute könnten Unternehmen bei der Keyword-Recherche Zeit und Kosten sparen, wenn sie auf KI setzen würden. In Zukunft wird KI die Search Engine Optimization (SEO) noch effizienter machen. Wurde die Suchmaschinen-Optimierung bisher aufwändig von Menschen nach einem bestimmten Schema vorgenommen, kann die KI dieses Vorgehen nun übernehmen und selbstständig optimieren.

Der Lernprozess beginnt mit dem Handling von zehntausenden vorgegebenen Daten und Keyword-Rankings. Dabei analysiert die KI wesentliche Keyword-Merkmale, die einen Einfluss auf das gewünschte Endresultat haben. Durch diesen Prozess entstehen Entscheidungsbäume, die es dem KI-Tool ermöglichen, auch unbekannte Keyword-Daten eigenständig zu analysieren. Eine solch umfassende Bewertung sorgt dafür, dass das KI-Tool akkurate und aussagekräftige Ergebnisse liefert.

So unterstützt die KI bei SEO-Prozessen:

  • Keyword-Analyse: Mithilfe von KI werden relevante Keywords für den Online-Shop identifiziert.

  • Content-Optimierung: KI hilft dabei Inhalten eine bessere Sichtbarkeit in den Suchergebnissen zu verschaffen. Die Tools können die Relevanz und Qualität der Inhalte analysieren und Verbesserungsvorschläge unterbreiten, um sie suchmaschinenfreundlicher zu gestalten.

  • On-Page-Optimierung: KI kann auch auf technischer Ebene beim Optimieren einer Website für die Suchmaschinen helfen. Sie unterstützt beispielsweise dabei, Meta-Tags, Überschriften, URLs und interne Links zu verbessern, um die SEO-Performance zu erhöhen.

  • Analyse des Suchmaschinen-Rankings: KI überwacht das Ranking eines Online-Shops für verschiedene Keywords in den Suchergebnissen. Sie zeigt, wie gut der Händler im Vergleich zu seinen Mitbewerbern abschneidet und wo möglicherweise noch nachgeschärft werden muss.

  • Sprachsuche: Angesichts der wachsenden Bedeutung von Abfragen in gesprochener Sprache hilft KI dabei, die Website für solche Suchanfragen zu optimieren.

  • Reporting und Analyse: KI-gestützte Tools können SEO-Reports und -Analysen automatisiert generieren.

Fazit: Generative AI automatisiert E-Commerce

Durch KI-basierte Technologien und weitere Innovationen wie Augmented und Virtual RealityVirtual Reality wird das Online-Shopping besser und einfacher. Der Einsatz von KI eröffnet vor allem im Conversational Commerce unzählige Möglichkeiten, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten. Unternehmen sollten sich aber nicht ausschließlich auf KI verlassen, sondern sie als Unterstützung betrachten. Alles zu Virtual Reality auf CIO.de

Es gibt immer unvorhersehbare Faktoren oder auch kreative und kulturelle Aspekte die auf das Online-Shopping Einfluss nehmen. Sie können von der KI oft nicht korrekt verarbeitet oder gedeutet werden. Dass in naher Zukunft vollständig auf eine menschliche Überprüfung verzichtet werden kann, ist daher unwahrscheinlich. (hv)

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