Fettnäpfchen für Neulinge

Wie CIOs Anfängerfehler vermeiden

Mary K. Pratt ist freiberufliche Journalistin in Massachusetts.
Zu viel verändern wollen, zu wenig Unternehmenspolitik im Blick: Hier kommen die größten Stolpersteine für frischgebackene CIOs.
Für unerfahrene CIOs gibt es in den ersten 100 Tagen Einiges zu beachten, um Fettnäpfchen und Stolperfallen zu vermeiden.
Für unerfahrene CIOs gibt es in den ersten 100 Tagen Einiges zu beachten, um Fettnäpfchen und Stolperfallen zu vermeiden.
Foto: Gorodenkoff - shutterstock.com

Neu ernannte CIOs haben eine Fülle von Leitfäden, Whitepapers und Blogs zur Hand, um sich vom ersten Tag an für den Erfolg zu rüsten - denn die ersten 100 Tage in einer neuen Führungsposition sind entscheidend. Aber die Theorie allein ist nur die halbe Miete. Die Praxis macht die FührungskraftFührungskraft und jeder, der diesen schwierigen Prozess durchlaufen hat, weiß, dass die ersten Monate als CIO voller Stolperfallen sein können. Hier sind die Top 10. Alles zu Führung auf CIO.de

Zu viel zu schnell verändern wollen

Veränderungen haben für CIOs oberste Priorität. Laut dem Bericht "State of the CIO 2022" sagen 84 Prozent der IT-Führungskräfte, dass CIOs zunehmend als "Changemaker" und federführend bei Geschäfts- und Technologieinitiativen angesehen werden. Erfahrene IT-Führungskräfte sind wiederum der Meinung, dass dies den Druck auf neue CIOs erhöhen kann, die Dinge neu zu gestalten.

So ein Ansatz kann jedoch ein Fehler sein, meint Joel Schwalbe, CIO von Transnetyx, Anbieter von automatisierter Genotypisierung. Er merkt an, dass IT-Führungskräfte in der Anfangszeit oft versucht sind, zu viel auf einmal zu ändern. "CIO-Neulinge wollen einen guten Eindruck machen, aber das führt zu potenziellen Herausforderungen." Unternehmen seien nur in der Lage, ein bestimmtes Maß an Veränderungen zu verkraften. Realistische Erwartungen sind entscheidend für den Erfolg von CIO-Rookies, sagt er.

Alle auf der Gehaltsliste behalten wollen

Brian Jackson, Research Director in der CIO Practice des Beratungshauses Info-Tech Research Group, hat untersucht, wie CIOs ihre ersten 100 Tage im Amt angehen. Dabei hat er festgestellt, dass viele neue IT-Chefs keinen Grund sehen, aufzuräumen. "Sie gehen davon aus, dass es niemanden gibt, der es verdient, entlassen zu werden - aber manchmal gibt es so jemanden doch", sagt Jackson. Zwar verstehe er den Drang, den Status quo beizubehalten, wenn es um die Mitarbeitenden geht. Neue Führungskräfte im Allgemeinen, besonders im ersten Jahr, würden vermeiden, dass Entlassungen zu ihren ersten Schritten gehören, sagt er.

Häufig sei das jedoch ein notwendiger Schritt, der getan werden müsse. "Es dreht sich nicht darum, einfach zu sagen: 'Ich werde jemanden entlassen'", so Jackson. Vielmehr gehe es darum, zu erkennen, dass eine toxische Persönlichkeit entlassen werden muss, wenn es sie gibt. "Das ist Ihre Aufgabe als Führungskraft. Und wenn man es zu lange auf sich beruhen lässt, wird die Situation nur noch schlimmer und man wünscht sich, man hätte es schon viel früher getan."

Die Kultur nicht frühzeitig bewerten

Die meisten CIOs haben wahrscheinlich schon einmal das berühmte Zitat des Management-Gurus Peter Drucker gehört: "Kultur isst die Strategie zum Frühstück." CIO-Neulinge würden sich diese Botschaft nur selten zu Herzen nehmen, so die Meinung von erfahrenen CIOs. "Einer der Anfängerfehler ist, dass man sein Geschäft, seine Kultur und seine Organisationsstruktur nicht wirklich versteht", sagt Richard A. Hook, Executive Vice President und CIO des Rennstalls Penske Automotive Group sowie CIO von Penske. "Jeder ist auf seinen 100-Tage-Plan fokussiert, aber die Realität ist, dass das Tempo dieses Plans und dessen Zusammensetzung von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein werden."

Daher fordert Hook: "Lernen Sie Ihre Kollegen, deren Teams, Ihr Team und die gesamte Organisation kennen. Letztendlich gewinnen die Unternehmen mit den besten Mitarbeitern. Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Leute und das Unternehmen genau verstehen, bevor Sie zu hart vorgehen." Auch Analyst Jackson stimmt dem zu und sagt, dass neue Führungskräfte die Kultur ihrer Abteilung und die Gesamtkultur des Unternehmens frühzeitig bewerten sollten. "So wissen sie, wie sie sich anpassen und verändern müssen, um in Zukunft möglichst effektiv arbeiten zu können," erklärt er. Es gebe verschiedene Führungsstile und sie könnten alle gleichwertig sein, aber die Kultur Ihres Unternehmens bestimme, was funktioniert. "Und wenn dort nicht die Kultur herrscht, die Sie bevorzugen, dann haben Sie etwas zu tun. Es gibt Möglichkeiten, die Kultur zu verändern und die Menschen dazu zu bringen, sich anders zu verhalten," resümiert Jackson.

Den menschlichen (und politischen) Faktor unterschätzen

Führungskräfte und Vorstandsmitglieder erkennen Technologie heute als integralen Bestandteil des Geschäfts an. Sie tragen zunehmend zu technologischen Entscheidungen bei oder führen sie sogar an. Ein Beispiel dafür sind die Ergebnisse einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Gartner. Demnach gaben 53 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihre Direktoren zu den wichtigsten Entscheidungsträgern für neue Technologieinvestitionen gehören, gleich hinter ihren CIOs und Chief Technology Officers. Gartner stellte außerdem fest, dass 74 Prozent der Technologiekäufe zumindest teilweise von Geschäftsbereichen außerhalb der IT finanziert werden. Nur ein Viertel der Technologieinvestitionen werden vollständig von der IT finanziert.

Für die meisten CIOs mag dies nicht neu sein, da sie schon seit langemdarüber sprechen, mit ihren Kollegen aus den Geschäftsbereichen bei der Entwicklung der IT-Roadmap zusammenzuarbeiten. Dennoch unterschätzen neue CIOs gelegentlich, wie wichtig es ist, Beziehungen aufzubauen, welche Bedeutung Überzeugungsarbeit zukommt und wie man am besten Einfluss nimmt.

"CIO-Neulinge unterschätzen die interne Politik, die mit einer C-Level-Rolle verbunden ist. Oft gibt es versteckte Agenden und Initiativen, die nicht in der offiziellen Unternehmensstrategie auftauchen", sagt Jeff Stovall, ein Industry Executive Director bei Datenbankanbieter Oracle und ehemaliger CIO der Stadt Charlotte in North Carolina. Transnetyx-CIO Schwalbe macht eine ähnliche Beobachtung: "Der CIO-Job dreht sich um Menschen, PR und Marketing. Manche CIO-Rookies glauben vielleicht, dass es sich um einen Technologie-Job handelt, aber das ist nicht der Fall."

Nur die interne Landschaft bewerten

CIOs sind Führungskräfte und müssen als solche handeln. Aber es gibt eine Lernkurve. Jackson zufolge versäumen es viele CIOs, die zum ersten Mal in ein Unternehmen einsteigen, die Landschaft rund um ihr Unternehmen zu erkunden, obwohl dies eine wichtige Aufgabe für jede C-Suite-Position sei. "Neue CIOs sind oft so fokussiert, dass sie einen Tunnelblick bekommen", sagt er. Schließlich seien sie damit beschäftigt, sich über ihr Unternehmen zu informieren, ihre C-Suite-Kollegen zu treffen und ihr IT-Team zu beurteilen. "Das ist alles verständlich. Aber man sollte keine Scheuklappen für die externe Umgebung aufsetzen," sagt er.

Es sei auch die Aufgabe einer neuen Führungskraft, die Konkurrenten und ihre technischen Unterscheidungsmerkmale zu kennen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Jackson empfiehlt CIOs, Branchenverbänden beizutreten, ihre beruflichen Netzwerke auszubauen und an Veranstaltungen für Führungskräfte teilzunehmen. Dadurch erhielten sie Einblicke in den Markt, die Branche und Impulse für die eigene IT-Strategie.

Überstürzt loslegen

Hillary Ross, geschäftsführende Partnerin und Leiterin der IT Practice bei Beratungsunternehmen WittKieffer, ist der Ansicht, dass neue CIOs versucht sein könnten, sich sofort in ihre Arbeit zu stürzen, ohne ein solides Verständnis für das Umfeld zu haben. "Um erfolgreich zu sein, müssen Sie lernen, was funktioniert und was nicht und wie Sie den Wandel in Ihrem neuen Unternehmen beeinflussen können", sagt sie. Wichtig sei, dass neue CIOs zuhören, lernen und erst dann führen. Nehmen sie sich Zeit dafür, können sie Ross zufolge Schmerzpunkte innerhalb der Organisation aufdecken, Projekte selbstbewusst priorisieren und diejenigen Kollegen identifizieren, die starke Fürsprecher für die IT-Agenda sein könnten.

Nur Beziehungen mit der C-Suite aufbauen

Ein weiterer Fehler, den manche CIO-Neulinge machen: Sie sprechen nur mit der obersten Führungsebene. Ross merkt an, dass alle neuen Führungskräfte die Runde machen und mit allen Ebenen der Organisation sprechen sollten. "Es ist wichtig, mit allen zu kommunizieren, damit man erfährt, was sie brauchen und was sie für wirklich wichtig halten," Sagt sie. Das gelte sowohl für Mitarbeiter an der Front als auch für Angestellte in Backoffice-Bereichen wie Finanzen, Buchhaltung und Marketing. "Auch sie sind Ihre Kunden", fügt Ross hinzu.

Neue CIOs sollten zudem dem vorrangig Beziehungen zu ihren IT-Lieferanten aufbauen. Sie können am Ende das Meiste zur IT-Abteilung (und zum IT-Budget) beitragen.

Prozesse und Technologie missachten

CIOs wissen, dass es auf Menschen, Prozesse und Technologie ankommt. Doch während sie ihre Kollegen aus der Führungsebene kennenlernen und mit anderen im gesamten Unternehmen sprechen, sollten neue CIOs auch die Prozesse und Technologien studieren, die sowohl die IT-Abteilung als auch das Unternehmen als Ganzes steuern.

Ross meint jedoch, dass diese Aufgabe manchmal von neuen IT-Leitern übersehen wird. "Es ist wichtig, herauszufinden, was funktioniert, wie vorgegangen wird und ob dies überhaupt der richtige Weg ist", sagt sie. Einige Dinge könnten anfällig sein und auf wackeligen Beinen stehen. Für einen neuen CIO sei es daher laut Ross unerlässlich, seinem "Erbe" auf den Grund zu gehen. "Neue CIOs, die solche Probleme zu Beginn übersehen, werden vermutlich keinen positiven Eindruck hinterlassen," resümiert sie.

Als Einzelkämpfer unterwegs sein

Studien haben immer wieder gezeigt, dass Mentoren ihren Schützlingen dabei helfen, besser zu werden und ihre Ziele zu erreichen. Eine Umfrage der Olivet Nazarene University zum Thema Mentorschaft am Arbeitsplatz ergab, dass 76 Prozent der 3.000 befragten Fachleute einen Mentor für wichtig oder sehr wichtig hielten. Dennoch unterhielt weniger als die Hälfte von ihnen zu diesem Zeitpunkt tatsächlich eine Mentorenbeziehung.

Ross berichtet, dass Personen, die eine neue Position antreten, von einem Mentor enorm profitieren können. Sie empfiehlt neuen CIOs, eine erfahrene IT-Führungskraft für ihre Rolle zu gewinnen, damit sie "jemanden anrufen können, um ehrliche Ratschläge und Erfahrungen zu erhalten".

Alleingänge starten

CIOs brauchen nicht nur Mentoren, sie brauchen auch Verbündete. Das sagt Greg Layok, der als geschäftsführender Partner des Beratungsunternehmens West Monroe und Leiter der Technologieabteilung CIOs berät. "Ich habe schon oft erlebt, dass neue CIOs dies versäumt haben", sagt er. Viele CIO-Neulinge hätten den Eindruck, dass sie erfolgreich sein werden, wenn sie die beste Technologie einführen und erstklassige Lösungen einsetzen, sagt Layok. Dabei würden sie jedoch übersehen, dass ihre guten Ideen als schlechte Ideen wahrgenommen werden könnten, wenn sie nicht alle Stakeholder mit auf die Reise nehmen. Sie müssten das Unternehmen mit ins Boot holen, um die richtige Lösung so zu entwickeln, dass sie den größten Mehrwert bringt.

Layok merkt an, dass neue CIOs vielleicht großartige Ideen in ihre neuen Organisationen einbringen. Die Ideen sind auch tatsächlich notwendig, um diese Organisationen voranzubringen. Diese CIOs seien sich jedoch nicht bewusst, dass sie andere davon überzeugen müssen, dass ihre Ideen etwa das Risiko verringern, die Markteinführungszeit verkürzen, die Rentabilität steigern oder auf andere Weise einen Mehrwert für das Unternehmen schaffen werden.

"CIOs, die zum ersten Mal in dieser Position sind, aber in sehr ausgereiften Organisationen aufgewachsen sind, beherrschen dies vielleicht gut, aber viele andere gehen häufig davon aus, dass sich die Organisation des Wertes der IT bewusst ist," sagt Layok. Er fügt hinzu, dass neue CIOs daran arbeiten müssen, Kollegen für ihre Visionen zu gewinnen. Für CIOs sei es eine besondere Herausforderung, ihren strategischen Einfluss auf das Unternehmen zu zeigen. Aber dies sei auch wichtig, "weil die IT in der heutigen Welt nicht erfolgreich sein kann, wenn sie in einem Silo stattfindet". (ajf/jd)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.

Zur Startseite