Gehobene IT-Jobs

Wie ein CIO die richtigen Talente findet

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
IT-Jobs gibt es genügend, doch es fehlt an IT-Bewerbern, die sie besetzen könnten. Deshalb haben IT-Manager teils überraschende Methoden entwickelt, um ihre Top-Positionen zu besetzen.
  • CIOs ziehen alle Register, um mehr über Bewerber herauszufinden
  • Wer in der Rolle des IT-Käufers übers Ziel hinaus schießt, wird Probleme bei der Jobsuche bekommen
  • Warum es sich lohnt, T-Shirts und Kappen mit Firmenlogo an Uni-Absolventen zu schicken

Bevor General Electric (GE) im Jahr 2014 den IT-Spezialisten Clay Johnson von Boeing anheuerte, hat CIO Jamie Miller ihre Hausaufgaben gemacht. Sie nahm den Hörer in die Hand und sprach mit einer ganzen Reihe von Menschen, von denen sie wusste, dass Johnson eng mit ihnen zusammengearbeitet hatte. Das Spektrum der Informanten ging weit über die vom Kandidaten selbst genannten Referenzen hinaus. Johnson, heute der globale CIO von GEs Power & Water Division, war überrascht vom konsequenten und durchaus aufdringlichen Vorgehen seiner künftigen Chefin, aber er konnte sich schlecht über die Frau beschweren, die schließlich seine Vorgesetzte werden sollte. Und heute? Johnson geht genauso vor, wenn er gutes Personal sucht (Lesen Sie auch: Wo IT-Fachkräfte besonders knapp sind

Gemeinsam mit der Otto Beisheim School of Management und HP betreibt CIO das Leadership Excellence Program (LEP), das CIOs in Sachen Business-Skills weiterbildet.
Gemeinsam mit der Otto Beisheim School of Management und HP betreibt CIO das Leadership Excellence Program (LEP), das CIOs in Sachen Business-Skills weiterbildet.
Foto: WHU - Otto Beisheim School of Management

"Es ist absolut entscheidend, die richtigen Leute zu finden, und wenn man ein gutes Netzwerk hat und sich darin umhört, erfährt man sehr genau, wie diese Person arbeitet, wie sie mit Menschen umgeht und eine Menge mehr", sagt Johnson. Gute IT-Fachkräfte zu finden, ist weltweit zu einer echten Herausforderung geworden, zumal nicht nur die großen IT-Hersteller, sondern inzwischen auch viele Startups eine bedrohliche Konkurrenz sind.

LinkedIn liefert wertvolle Informationen

Wer einen neuen Job sucht, wird naturgemäß nur solche Freunde und Exkollegen als Referenzen nennen, die loyal sind und kein schlechtes Wort über den Kandidaten verlieren. Das wissen CIOs und Personaler, und sie suchen nach alternativen Informationsquellen. Wenn beispielsweise VMware-CIO Bask Iyer einen Kandidaten in Erwägung zieht, prüft er seine CIO-Kontakte, um Auskunft zu erhalten, und er durchkämmt Social-Network-Plattformen wie LinkedIn. "Die Welt ist heute vernetzt", sagt Iyer. "Zwei Klicks auf LinkedIn, und man findet jemanden, der etwas über einen Kandidaten sagen kann."

Iyer geht es bei seinen Recherchen vor allem um die Frage, ob ein Bewerber kulturell zum Unternehmen und ins Team passt. Sucht er beispielsweise nach einem "Hardcore-Programmierer", will er Belege dafür finden, dass der Kandidat wirklich mit Passion bei der Sache ist und nicht einfach nur programmiert, um Geld zu verdienen. In Bewerbungsgesprächen lässt er Interessenten beispielsweise beschreiben, wie sie mit einem konfliktbehafteten Team umgehen oder welche Maßnahmen sie ergreifen würden, um auch unter extremen Bedingungen Erfolg zu haben. "Ich will herausfinden, ob jemand im Team Probleme lösen kann oder nicht", kommentiert er sein Vorgehen.

Für einen guten IT-Job ist Kinderstube wichtig

Tatsächlich kann es sich auf einen Bewerber heute auch negativ auswirken, wenn er in Verhandlungen mit einem Hersteller oder dessen Vertriebsmitarbeitern über die Stränge geschlagen hat. Ralph Loura, CIO von HP Enterprise, schaut sich beispielsweise an, ob ein Kandidat sich in seiner Rolle als Käufer gewissenhaft und fair verhalten hat. Die Art und Weise derartiger Gesprächsführungen liefere Hinweise darauf, wie jemand sein Unternehmen repräsentiere und ob er mit einem allzu harschen Auftritt möglicherweise sogar die eigene Marke beschädige.

Wenn Loura eine Topposition besetzen will, konsultiert er zunächst sein Netzwerk an CIO-Kontakten. "Man bekommt einen guten 360-Grad-Blick auf Bewerber, wenn man sowohl die Hersteller- als auch die CIO-Community um Rat fragt." Der HP-CIO hält fachliche Skills für wichtig, glaubt aber, dass es noch entscheidender ist, ob jemand zur eigenen Unternehmens- beziehungsweise Bereichskultur passt. Gute Aussichten haben für ihn vor allem Führungskräfte, die sich erfolgreich mit Change Management und Geschäftsprozess-Optimierung beschäftigt haben. Außerdem sollten sie die Steuerung der IT-Lieferanten, also das Vendor Management, beherrschen. "Wenn ich im Einstellungsprozess zuerst das kulturelle und erst nachgelagert das technische Thema auf dem Schirm hatte, habe ich das so gut wie nie bereut", sagt Loura.

Psychologen prüfen auf Herz und Nieren

Auch Veresh Sita, CIO bei Alaska Airlines, nutzt sein CIO- und Herstellernetzwerk sowie LinkedIn, um mehr über Jobkandidaten herauszufinden. In Bewerbungsgesprächen lässt er sie oft ein Problem in der Gruppe lösen und anschließend das Ergebnis präsentieren. Die Bewerber sollen zeigen, dass sie mit anderen zusammenarbeiten können. Auf Kandidaten für Schlüsselpositionen setzt er sogar spezialisierte Berater an, die sich mit "Industrie- und Organisationspsychologie" auskennen: "Diese Leute wissen, welchen Persönlichkeitstyp wir brauchen, um unsere Teamkultur zu stärken."

Nehmen die Kandidaten dann ihre Arbeit auf, bewerten Sita und sein Team ihre Leistung nach 30, 60 und 90 Tagen. Das geschieht anonym, die Einsteiger wissen nicht, dass sie in ein solches Beurteilungssystem eingebunden sind. Dieses Verfahren habe sich in neun von zehn Fällen bewährt. "Als Führungskräfte müssen wir einfach sicher gehen, die richtige Wahl getroffen zu haben", sagt der CIO der US-Fluglinie. Das letzte, was er wolle, sei, jemanden schon in den ersten Wochen in Schwierigkeiten zu sehen, ohne eingegriffen zu haben.

Für GEs Bereichs-CIO Johnson ist es zudem wichtig, Nachwuchstalente zu erreichen. Hier stoßen allerdings klassische Methoden an ihre Grenzen: Die Lebensläufe sind noch nicht gefüllt. Es gibt niemanden, der Erfahrung in der beruflichen Zusammenarbeit mit den Youngstern hat und etwas sagen könnte. Deshalb verlässt sich Johnson auf das konzerneigene IT Leadership-Programm. Im Rahmen dieses zweijährigen Trainings-Parcours sammeln junge Informatiker erste Berufserfahrung in der IT.

Ein Care-Paket für Absolventen

Kandidaten für dieses exklusive Programm werden zunächst von den internen Personalexperten mit Hilfe eines Google Hangout interviewt. Johnson selbst telefoniert dann 30 bis 45 Minuten mit ihnen, um herauszufinden, was ihn erwartet. Das Gespräch verläuft betont entspannt; man spricht über das, was gerade an der Uni läuft, und welche Techniktrends die Kandidaten für interessant halten.

Anschließend schickt GE den Bewerbern ein "Care-Paket" mit GE-gebrandeten Gimmicks: T-Shirts, Kappen, Schnellladegeräten fürs Smartphone etc. Mögen diese Dinge auf den ersten Blick auch als trivial erscheinen, so signalisieren sie dem Kandidaten doch das Interesse des Konzerns an seiner Person. Zudem verbreitet sich auf dem Universitätscampus schnell, dass GE es ernst meint. Werden zudem T-Shirts und Kappen mit GE-Logo an den Unis getragen, dürfte das ebenfalls eine gewisse Wirkung entfalten.

Wenn GE dann einen Kandidaten haben will, unterbreitet der Konzern ein Angebot, das einen Bonus für einen Soforteinstieg enthält. Dieser Bonus schmilzt Tag für Tag zusammen, wenn sich der Kandidat nicht zur Unterschrift durchringen kann. "Der Gedanke dahinter ist, Bewerber möglichst schnell zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrags zu bringen. Sie sollen sich nicht noch großartig bei anderen Unternehmen bewerben. Dazu ist der Kampf um Talente zu brutal", sagt Johnson.

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