Strategien


IT-Abteilungen müssen sich neu ausrichten

10 Handlungsfelder für die digitale Transformation der IT

09.01.2017
Von Frederik Ahlemann und
Nils Urbach ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management an der Universität Bayreuth.
Im Zuge der digitalen Transformation wird IT in allen Unternehmensbereichen intensiver genutzt werden. Lesen Sie, worauf IT-Organisationen achten müssen, wenn sie den gestiegenen Anforderungen im Unternehmen gerecht werden wollen.
  • Die Beobachtung von Technologie- und Markttrends muss institutionalisiert werden
  • Finden Sie heraus, welche Kompetenzen Ihre IT hat - und welche nicht
  • Eine andere Kultur ist erforderlich, an die Mitarbeiter schrittweise herangeführt werden müssen
Frederik Ahlemann, Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management an der Universität ­Duisburg-Essen
Frederik Ahlemann, Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management an der Universität ­Duisburg-Essen
Foto: Universität ­Duisburg-Essen

Wie wir vor einigen Wochen in unseren zehn Thesen zur IT-Organisation der Zukunft formuliert haben, wird im Zuge der DigitalisierungDigitalisierung vieles anders. Die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen wird intensiver, die IT-Wertschöpfung verkürzt sich weiter und es gibt neue Entwicklungs- und Betriebsmodelle. In diesem Beitrag wollen wir zeigen, wie sich IT-Führungskräfte bereits heute auf diese Entwicklungen vorbereiten können. Als Startpunkte für eine schrittweise Transformation der IT-Organisation haben wir zehn Handlungsfelder identifiziert, die durchaus nicht alle gleichzeitig angegangen werden müssen. Welche für die eigene IT-Organisation in Frage kommen, hängt von der individuellen Situation ab. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

  • Technology Watch: Eine Eigenschaft der Digitalisierung besteht darin, dass Technologien schnell zur Anwendung gelangen müssen, um neue Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen zu implementieren. Aus diesem Grund kann es wettbewerbsentscheidend sein, früh relevante Technologietrends zu identifizieren und hinsichtlich ihres Verwertungspotenzials zu analysieren.

    Aufgrund der oft hohen Entwicklungsgeschwindigkeit sollte das eine fortlaufende Tätigkeit sein, die nur teilweise an externe Marktforschungs- und Beratungsgesellschaften delegiert werden kann. Innovationen im IT-Markt sind vor allem in Verbindung mit der eigenen Geschäftstätigkeit und dem vorhandenen Portfolio an Fähigkeiten zu sehen. In jedem Fall sind die Fachbereiche in die Technologiebewertung einzubeziehen. Nur so können alle denkbaren Einsatzmöglichkeiten erfasst werden. Gleichzeitig fördert der frühe Austausch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in späteren Phasen der Umsetzung digitaler Innovationen.

    Bereits heute können IT-Führungskräfte damit beginnen, technische Entwicklungen systematisch zu beobachten, zu analysieren und gemeinsam mit der Fachseite und den Facharchitekten zu diskutieren. Hieraus lassen sich Pilotprojekte für die Digitalisierung ableiten und gemeinsam mit den IT-Kunden implementieren - selbst wenn der digitale Umbau (noch) keine Toppriorität im Unternehmen im Sinne großer Transformationsprogramme genießt.

  • Market Watch: Ebenso gilt es, die eigene Branche aufmerksam zu beobachten. Dabei sollten nicht nur etablierte Wettbewerber im Fokus stehen, sondern auch neue, kleine Marktteilnehmer mit disruptiven Geschäftsmodellen. Sie sind aus verschiedenen Gründen von besonderer Bedeutung. Zum einen können Sie schneller als je zuvor das Geschäft der etablierten Player negativ beeinflussen. Zum anderen sind sie möglicherweise interessante Kandidaten für eine Übernahme oder eine Beteiligung.

    Darüber hinaus sollten auch etablierte Technologieunternehmen in den Blick genommen werden. Auf der Suche nach neuen Umsatz- und Wachstumspotenzialen erweitern diese in Zeiten der Digitalisierung regelmäßig ihr Produkt- und Dienstleistungsportfolio. Die Ergebnisse der Technologie- und Marktbeobachtung bilden die Grundlage für die Innovationstätigkeit des Unternehmens, das heißt Erkenntnisse aus diesen Prozessen lassen sich für Innovationsmanagement beziehungsweise Strategieprozesse verfügbar machen.

    Diese Verknüpfung ist entscheidend, wenn beide Prozesse ihre volle Wirkung entfalten sollen. Der Market-Watch-Prozess eröffnet IT-Führungskräften die Chance, sich gegenüber der Geschäftsführung nicht nur als Technologieexperte, sondern auch als ernstzunehmender Ansprechpartner für die Digitalisierung zu positionieren. Gleichzeitig bietet er die Möglichkeit, einen sachorientierten und zukunftsgerichteten Dialog mit dem Business zu eröffnen.

  • Capability-Analyse: Für Unternehmen bietet es sich an, regelmäßig die eigenen Fähigkeiten zu analysieren und mit den heute und zukünftig benötigten Fähigkeiten zu vergleichen. So lassen sich Kompetenzlücken sichtbar machen und schließen. Manchmal kann die eigene Organisation diese Kompetenzlücken schließen, manchmal ist es aber auch sinnvoll, dafür Partnerschaften mit anderen Unternehmen aufzubauen, andere Organisationen zu integrieren oder entsprechendes Personal einzustellen.

    Wir empfehlen IT-Führungskräften, diese Analyse möglichst früh selbständig vorzunehmen, um das eigene Portfolio an Fähigkeiten kennen und schrittweise anpassen zu können. Über die eigenen Fähigkeiten Bescheid zu wissen, ist auch eine gute Basis für den fundierten Austausch mit der Geschäftsführung. Aus einer solchen Diskussion kann beispielsweise eine Intensivierung des Partnermanagements hervorgehen (siehe folgenden Punkt) oder eine veränderte Personalpolitik.

  • Partner Management: Ist abzusehen, dass die internen Kompetenzen nicht ausreichen, um zukünftige Digitalisierungsinitiativen voranzubringen, können Partnerschaften mit anderen Unternehmen sinnvoll sein, die entsprechendes Know-how beisteuern können. In der Regel werden das Technologieanbieter sein, da Geschäfts- und Marktwissen üblicherweise im eigenen Unternehmen ausreichend vorhanden ist. Solche Technologiepartner können auf Basis der zuvor angestellten Capability-Analyse identifiziert werden. Selbst wenn noch keine konkreten Digitalisierungsprojekte anstehen, sollten sinnvolle Lieferantenbeziehungen gepflegt und intensiviert werden, so dass vertrauensvolle Beziehungen entstehen. So erfahren Unternehmen schon heute, welche spezifischen Produkte und Services ihre Lieferanten anbieten oder entwickeln, die morgen für das eigene Unternehmen relevant sein können.

  • Optimierung der Unternehmensarchitektur: Im digitalen Wettbewerb setzen sich die Unternehmen durch, denen es gelingt, schnell Chancen zu ergreifen und sich entsprechend nachhaltig zu transformieren. Viele digitale Innovationen bedingen eine Anpassung von Strukturen und Geschäftsprozessen und - nachgelagert - der unterstützenden IT-Systeme. Gerade letztere sind jedoch oft besonders unflexibel. Deshalb sollten laufende Architekturmanagement-Initiativen verstärkt und erweitert werden, damit sich die Fähigkeit, auf neue Marktanforderungen zu reagieren, verbessert.

    Zukünftige digitale Architekturen sind modular und homogen. Wichtig ist es darauf zu achten, dass Elastizität und Flexibilität bei steigenden Sicherheitsanforderungen erhalten bleiben und gegebenenfalls erhöht werden können. In diesem Zusammenhang gibt es Sinn zu prüfen, ob Public-Cloud-Angebote hilfreich sind. Entsprechende Initiativen zur Weiterentwicklung der Architektur können schon heute auf den Weg gebracht werden.

  • Neue Modelle für die IT-Entwicklung und den IT-Betrieb: Bereits seit geraumer Zeit nehmen Themen wie agile Softwareentwicklung, DevOps, Leightweight IT, Design ThinkingDesign Thinking oder auch Micro Services einen bedeutenden Raum in Diskussionen rund um das IT-Management ein. Viele dieser Ansätze sind dafür geeignet, die Geschwindigkeit und Agilität der IT-Leistungserstellung zu erhöhen. Damit machen Sie Unternehmen fit für die digitale Transformation. IT-Organisationen sollten sich mit diesen Konzepten vertraut machen, sie erproben und bei Eignung stufenweise einführen. So können zu einem späteren Zeitpunkt digitale Innovationen schneller implementiert und reibungsloser betrieben werden. Alles zu Design Thinking auf CIO.de

  • Zusammenarbeit mit dem Business: Die digitale Transformation kann nur dann gemeistert werden, wenn Business und IT enger als bisher zusammenarbeiten. Während Fachbereiche heute Anforderungen an ihre IT weitgehend selbständig definieren und an die IT-Organisation übergeben, werden zukünftige digitale Innovationen nur möglich sein, wenn Geschäfts- und IT-Experten vertrauensvoll, kreativ und eng zusammenarbeiten. Das wird mit den etablierten Prozessen des Demand, Requirements, und Service Management nur bedingt gelingen.

    Gefragt sind neue Modelle der Zusammenarbeit, bei denen die Gräben, die heute zwischen Business und IT immer noch existieren, zugeschüttet werden. Wir empfehlen IT-Führungskräften die Zusammenarbeit mit dem Business zu intensivieren und neue Strukturen und Prozesse zu erproben, die Business und IT näher zusammenbringen. Konzepte wie Co-Location oder gemeinsame Think Tanks sollten frühzeitig getestet werden.

  • Institutionalisierung: Die genannten Punkte implizieren eine Reihe von Veränderungen innerhalb der IT-Organisation und darüber hinaus. Daher stellt sich die Frage nach den erforderlichen Strukturen, Gremien und Rollen. Beispielsweise ist zu klären, wer die Prozesse "Market Watch" und "Technology Watch" übernimmt oder wer für zukünftige digitale StrategienStrategien zuständig ist. Außerdem ist zu klären, wo zukünftige digitale Innovationen überhaupt entstehen sollen.

    In Frage kommen hier ja nicht nur die IT-Organisation, sondern auch spezielle Organisationseinheiten (Two-speed IT), die klassische Forschungs- und Entwicklungsabteilung oder das Business Development. Wenn die IT-Organisation nicht allein zuständig ist, sollten entsprechende Strukturen zumindest geplant werden. Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen anderen Unternehmensfunktionen ist zu durchdenken.

    Darüber hinaus stellt sich in vielen Organisationen die Frage, ob eine besondere, für die digitale Transformation zuständige Führungskraft erforderlich ist (Chief Digital Officer) oder die entsprechenden Aufgaben durch vorhandene Positionen abgedeckt werden können (zum Beispiel dem CIO). Selbst wenn IT-Führungskräfte für derart strukturelle Veränderungen keinen expliziten Auftrag der Geschäftsführung haben, bietet es sich unserer Meinung nach an, Vorüberlegungen anzustellen und gegebenenfalls das Gespräch mit Topentscheidern zu suchen. Andernfalls droht das Risiko, zu einem späteren Zeitpunkt von entsprechenden Planungen überrollt zu werden. Alles zu Strategien auf CIO.de

  • Innovationsmanagement-Prozesse: Eng mit der Frage nach der Institutionalisierung verknüpft ist das Gestalten solcher Prozesse, mit denen sich digitale Innovationen (Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle) initiieren, konzipieren und implementieren lassen. Dabei gilt es Innovationsmanagement-Prozesse zu entwickeln, die sich von etablierten Prozessen des Demand, Requirements und Service Management klar unterscheiden.

    Ein zentraler Unterschied besteht etwa darin, dass nun deutlich mehr Innovationen initiiert als später realisiert werden. Die Erprobung von Ideen mit der Möglichkeit des Scheiterns muss möglich sein. Innovationsmanagement-Prozesse erfordern auch ein eigenes Controlling, das sich in mancher Hinsicht vom etablierten IT-Controlling unterscheidet. Beispielsweise erfolgt die Steuerung des Innovationsportfolios nach anderen Gesetzmäßigkeiten als die Steuerung des klassischen IT-Projektportfolios. Hier kommen also andere Kriterien und Methoden als bisher zum Einsatz. Wir empfehlen IT-Führungskräften, frühzeitig an entsprechenden Konzepten zu arbeiten, um bei entsprechenden Veränderungen vorbereitet zu sein beziehungsweise diese selbst auf den Weg bringen zu können.

  • Kulturwandel: Digitalisierung im Sinne des Hervorbringens immer neuer, digitaler Innovationen bedingt eine andere Kultur als die, die heute in den meisten IT-Organisationen vorzufinden ist. Unternehmerisches Denken und Handeln, ein offener Umgang mit Fehlern, das Begreifen von Scheitern als Lernmöglichkeit, die Überwindung von Abteilungsegoismen, das Denken in Prozessen, die Fokussierung auf Endergebnisse sowie Flexibilität sind zentrale Werte und Prinzipien einer innovativen Organisation. Die meisten heutigen IT-Organisationen sind jedoch von einer klaren Abgrenzung vom Business, einer starken Dienstleistungs- und Abteilungsorientierung, der Ahndung von Fehlern und einem Sicherheits- und Stabilitätsdenken geprägt. Hier können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um einen stufenweisen Wandel im Denken der Mitarbeiter einzuleiten.

Nils Urbach ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management an der Universität Bayreuth.
Nils Urbach ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management an der Universität Bayreuth.
Foto: EBS Business School

Für IT-Führungskräfte gibt es damit bereits heute eine Reihe von Ansatzpunkten, um die Digitalisierung aktiv vorzubereiten beziehungsweise voranzutreiben. Das gilt auch für Branchen, in denen noch keine unmittelbaren Strukturveränderungen wahrgenommen werden. Wir empfehlen, die oben genannten Handlungsfelder auf Basis der individuellen Situation zu priorisieren und anschließend weiterzuentwickeln. Wichtige Faktoren sind in diesem Zusammenhang, ob es bereits einen entsprechenden Gestaltungsauftrag der Geschäftsführung gibt und wie entsprechende Zuständigkeiten verteilt sind.

Aber selbst dann, wenn die digitale Transformation (noch) keine hohe Priorität im Unternehmen genießt, können Vorbereitungen getroffen werden. So können beispielsweise die Themen Technology Watch, Optimierung der Unternehmensarchitektur oder Zusammenarbeit mit dem Business jederzeit angegangen werden. Auf diese Weise lassen sich ein späterer Veränderungsstau und eine Überforderung der Organisation vermeiden.

Nils Urbach und Frederik Ahlemann sind die Autoren des Buchs "IT-Management im Zeitalter der Digitalisierung", das dieses Jahr im Springer-Verlage erschienen ist.
Nils Urbach und Frederik Ahlemann sind die Autoren des Buchs "IT-Management im Zeitalter der Digitalisierung", das dieses Jahr im Springer-Verlage erschienen ist.
Foto: Springer Science+Business Media

IT-Management im Zeitalter der Digitalisierung Auf dem Weg zur IT-Organisation der Zukunft ISBN 978-3-662-52831-0 mehr erfahren

Lesen Sie auch Teil 1 dieser Serie:
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Die digitale Transformation führt zu grundlegenden Veränderungen in organisatorischer, prozessualer, personeller und kultureller Hinsicht. Oft ist noch unklar, in welche Richtung sich die Unternehmens-IT entwickeln wird. Wir haben dazu zehn Thesen formuliert. zum Artikel

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