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E-Government-Monitor 2021

Behörden vermasseln die Digitalisierung

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Deutschen sind unzufrieden mit dem Online-Angebot der hiesigen Verwaltung. Trotz aller Anstrengungen und Investitionen kommt die Digitalisierung des Behördenapparats nicht vom Fleck.
Die Digitalisierung in deutschen Amtsstuben will nicht so recht vorankommen.
Die Digitalisierung in deutschen Amtsstuben will nicht so recht vorankommen.
Foto: Stokkete - shutterstock.com

Die Zufriedenheit der Deutschen mit den E-Government-Angeboten der hiesigen Behörden ist auf ein neues Allzeittief abgestürzt. Nicht einmal mehr die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger ist zufrieden mit den digitalen Verwaltungsservices, hat der aktuelle "eGovernment Monitor 2021" der Initiative D21 und der Technischen Universität München (TUM) ergeben. Im Vergleich zur Umfrage aus dem Vorjahr bedeutet das ein Minus von 15 Prozentpunkten. Das Meinungsforschungsinstitut Kantar hatte im Juni 2021 im Auftrag von D21 und TUM rund 7.850 Deutsche befragt, wie sie das Online-Angebot von Behörden und öffentlichen Einrichtungen in Deutschland nutzen und einschätzen.

"Das Vertrauen der Bürger droht zu erodieren"

"Der Staat hat in den vergangenen zehn Jahren viel Geld und Aufwand in Dienste investiert, die kaum Anwendung bei den Bürgerinnen und Bürgern finden", stellt Helmut Krcmar, Professor an der TUM, fest. Große deutsche digitale Infrastrukturprojekte würden bislang nicht genutzt - sei es die De-Mail, die Behördennummer 115 oder der neue Personalausweis. Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21, ergänzt: "Wenn wir wollen, dass digitale Verwaltungsleistungen wirklich von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen werden, müssen wir Angebote machen, die ebenso leicht und niedrigschwellig sind, wie sie es aus dem privaten Alltag kennen." Dienste müssten funktionieren, durchgängig und intuitiv bedienbar sein.

"Der Staat hat in den vergangenen zehn Jahren viel Geld und Aufwand in Dienste investiert, die kaum Anwendung bei den Bürgerinnen und Bürgern finden", sagt Helmut Krcmar, Professor an der Technischen Universität München (TUM).
"Der Staat hat in den vergangenen zehn Jahren viel Geld und Aufwand in Dienste investiert, die kaum Anwendung bei den Bürgerinnen und Bürgern finden", sagt Helmut Krcmar, Professor an der Technischen Universität München (TUM).
Foto: Foto Vogt

Doch davon sind die Online-Angebote deutscher Behörden weit entfernt. Die Digitalisierung des Staates gehe nur schleppend voran und bleibe weit hinter den Entwicklungen in Wirtschaft und Privatleben zurück, heißt es in der aktuellen Bestandsaufnahme zum deutschen E-Government. Grundsätzlich fehle es an Aufklärung, nicht nur über die Existenz der digitalen Angebote, sondern auch über deren konkreten Nutzen. "Die Studienergebnisse spiegeln wider, dass die bisherigen digitalen Lösungen nicht bei der Lebensrealität der Menschen ansetzen." Das kann aus Sicht der Autoren fatale Folgen haben. "Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die staatliche Leistungsfähigkeit im Bereich der Daseinsvorsorge droht zu erodieren, wenn nicht bald ein Umsteuern geschieht."

Tatsächlich bricht nicht nur die Zufriedenheit mit den Online-Services deutscher Behörden ein, auch die Nutzung hinkt den Erwartungen weit hinterher - zum Beispiel die Behördennummer 115. Sie wurde 2009 ins Leben gerufen, um Menschen in Deutschland mithilfe einer konsolidierten Wissensdatenbank bei verwaltungstechnischen Anliegen zu unterstützen. Zwölf Jahre später kennt noch nicht einmal jeder Dritte dieses Angebot, nur sieben Prozent der Befragten haben dort schon einmal angerufen. Insgesamt stagniert die Nutzungsrate von E-Government-Angeboten und pendelt um die 50-Prozent-Marke. Aktuell sind es 52 Prozent, 2020 waren es 54 Prozent, ein Jahr zuvor 48 Prozent der Deutschen, die in den jeweils zurücklegenden zwölf Monaten ein digitales Verwaltungsangebot genutzt haben.

Viel Kritik an den Online-Services

Das hat vielfältige Gründe - zum Beispiel mangelnde Information. Viele Nutzer wissen beispielsweise gar nicht um die Möglichkeiten. Gerade einmal gut einem Drittel der Befragten ist bekannt, dass die Online-Ausweisfunktion in ihrer Identifikations-Chipkarte aktiviert ist, nur knapp jeder Zehnte hat sie bis dato genutzt. Ein Fünftel sagt, ihnen seien keine Anwendungsmöglichkeiten bekannt und dass sie in dieser Funktion keinen Mehrwert sähen.

Auch an den Angeboten selbst gibt es Kritik. Nutzer sprechen von Medienbrüchen oder beklagen, dass es für ihre Anforderungen gar keinen Online-Service gebe. Das spiegelt sich auch in der deutlich geringeren Zufriedenheit wider. Das betrifft alle abgefragten Aspekte: die Zuverlässigkeit der Systeme, eine einfache Bedienbarkeit, die Aktualität der Inhalte und Angebote sowie die Auffindbarkeit der benötigten Informationen. In allen Belangen sinkt der Anteil der Zufriedenen um acht bis zehn Prozentpunkte. "Die Ernüchterung ist groß, Erwartungen werden auf breiter Front enttäuscht", lautet das Fazit von Thomas Langkabel, National Technology Officer von Microsoft in Deutschland. Bequemlichkeit, Bedienbarkeit, Zuverlässigkeit aber auch Aktualität und Gestaltung ließen zu wünschen übrig.

Einfach mal bei Behörden shoppen

Zumindest die Einsicht, dass sich etwas im Online-Angebot deutscher Behörden verändern muss, scheint bei den politisch Verantwortlichen angekommen zu sein. "Die Erwartungshaltung der Menschen an Online-Angebote der Verwaltung ist gerade in den letzten Monaten während der Pandemie noch mal angestiegen", konstatiert Judith Gerlach, bayerische Staatsministerin für Digitales. "Zu Recht erwarten sie, dass Verwaltungsleistungen genauso einfach online erledigt werden können, wie man beispielsweise eine Reise bucht oder shoppt."

Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales in Bayern, will, dass Online-Behördengänge so einfach funktionieren wie Online-Shopping.
Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales in Bayern, will, dass Online-Behördengänge so einfach funktionieren wie Online-Shopping.
Foto: Staatskanzlei Bayern

Gerlach verweist darauf, dass im Zuge der Umsetzung des Onlinezugangs-Gesetzes das Angebot derzeit massiv ausgebaut werde. Zudem wolle man in Bayern den Grundsatz "Digital First" im Bayerischen Digitalgesetz fest verankern. Zudem würden die Online-Services eng im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt.

Verwaltungsdienste neu denken

Das kommt den Forderungen der Autoren des aktuellen eGovernment-Monitors zumindest entgegen. Sie verlangen, Behördendienste neu zu denken, statt analoge Prozesse eins zu eins ins Netz zu stellen. "Wir brauchen einen Aufbruch zu einem für alle Bürgerinnen und Bürger nutzbringenden zeitgemäßen E-Government", heißt es in dem Bericht. "Ausnahmslos jede Leistung sollte digital first gedacht werden."

Dazu brauche es aber auch einen Wandel in den Köpfen. Ein Schlüssel könnte sein, die Logik umzudrehen: vom Pull-Prinzip, bei dem Menschen Leistungen beantragen müssen, hin zu zum Push-Prinzip, bei dem der Staat "mitdenkt" und die Menschen mithilfe von Technologie darauf hinweist, was sie brauchen könnten oder worauf sie Anspruch haben. "Dies kann die Zufriedenheit bei allen Beteiligten erhöhen und E-Government zu einem integralen Bestandteil der Lebenswelt machen." Schöne neue Behördenwelt.

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