Klimawandel

Die verdrängte Krise

14.01.2021
2020 hat die Corona-Pandemie den Klimawandel zumindest teilweise aus den Köpfen und auch aus den Medien verdrängt. Dabei werden die Alarmsignale nicht weniger.
Der Klimawandel beherrscht die ganze Welt. Doch jeder Staat geht damit unterschiedlich um.
Der Klimawandel beherrscht die ganze Welt. Doch jeder Staat geht damit unterschiedlich um.
Foto: by-studio - shutterstock.com

Zehntausende auf der Straße in friedlichem Protest, rufend und singend, Arm in Arm: So ist Friday for Future zu einer Macht geworden, die der Politik Beine gemacht hat beim Klimaschutz. In den vergangenen Monaten haben Aktivisten sehnsüchtig zurückgedacht an diese Zeit. Denn 2020 hatten Greta Thunberg, Luisa Neubauer und ihre Mitstreiter es sehr viel schwerer, Bilder und Schlagzeilen zu produzieren. Die Corona-Pandemie verdrängte die Klimaproteste größtenteils ins Internet und das Thema von den Titelseiten. Doch für 2021 gibt es Grund zur Hoffnung aus Sicht der Klimaschützer - in Deutschland, Europa und weltweit.

Start in Deutschland: 2021 ist Bundestagswahl. Umwelt, Klima und Energie liegen bei den wichtigen Problemen, die die Forschungsgruppe Wahlen regelmäßig für das ZDF-"Politbarometer" abfragt, immerhin auf Platz zwei hinter Corona, sie dürften also auch im Wahlkampf wichtig werden. Forscher mahnen, dass die 20er Jahre entscheiden, ob das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung auf unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, erreichbar bleibt. Der nächste Koalitionsvertrag wird auch in diesem Licht bewertet werden.

Bundestagswahl gleich Klimawahl?

"Die Bundestagswahl wird Klimawahl", zeigt sich Luisa Neubauer überzeugt, die bekannteste deutsche Klima-Aktivistin. Fridays for Future wolle die Menschen auffordern, "mit uns die Wahl zu einer zu machen, die sich wie noch nie zuvor um das Klima dreht". Der Planet führe täglich vor Augen, wie dringend gehandelt werden müsse. "Alle Parteien sind gefragt, Programmatiken zu erarbeiten, die der Klimakrise und auch ihrem immensen Gefährdungspotential für Deutschland gewachsen sind", mahnt Neubauer. "Sobald große Proteste möglich sind, werden sie auch wieder stattfinden - vorausgesetzt, die Regierung gibt weiterhin so engagiert Gründe zu streiken."

Weiter mit den Klimaschutz-Zielen der Europäischen Union: 2021 wird ausbuchstabiert, was das für die einzelnen Mitgliedstaaten, für Energieproduktion oder die Autobauer bedeutet. Dazu kommen Corona-Wiederaufbauhilfen, die klimafreundliche Technologien voranbringen können oder auf Kohle, Öl und Gas setzen. Von den Experten von Climate Transparency etwa gibt es da bisher ganz gute Noten für die EU. Neubauer sieht die EU besonders in der Verantwortung: Für das 1,5-Grad-Ziel "steht und fällt allerdings alles mit Europa, das vorgeht und vorlebt."

Blick auf die Welt: 2020 fiel die UN-Klimakonferenz dem Coronavirus zum Opfer, sie wird Ende 2021 in Glasgow nachgeholt. Eigentlich sollten alle Staaten bis zum Klimagipfel neue nationale Pläne vorlegen, wie sie ihren Treibhausgas-Ausstoß senken wollen. Ein Mini-Online-Gipfel Mitte Dezember kann nicht dieselbe Strahlkraft entfalten, soll aber zeigen: Das Thema ist nicht vergessen. Zuletzt hatten China, Japan, Südafrika und Südkorea mehr Klima-Ehrgeiz angekündigt. Doch keine Nachricht machte Klimaschützern so große Hoffnung wie die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten. Am 20. Januar tritt er sein Amt an.

Neuer US-Präsident Biden öffnet klimapolitische Türen

Biden will die USA, das Land mit dem zweithöchsten CO2-Ausstoß weltweit, gleich an Tag eins im Oval Office zurück ins Pariser Klimaabkommen holen und die Wirtschaft auf den Weg Richtung Klimaneutralität 2050 bringen. Die kommende US-Regierung werde die Klimakrise als die dringliche Bedrohung für die nationale Sicherheit behandeln, die sie sei, kündigte der designierte Klimabeauftragte John Kerry bereits an. "Gut zu wissen", antwortete die inzwischen 17 Jahre alte Schwedin Greta Thunberg, die eisern jeden Freitag aufs neue ihr berühmtes Schild "Schulstreik fürs Klima" präsentiert. Neubauer glaubt: "Biden öffnet wieder viele klimapolitische Türen."

Weltweit sind Folgen des Klimawandels längst nicht mehr zu übersehen - auch wenn es schwierig bleibt, einzelne Extremwetter-Ereignisse auf die Erderwärmung zurückzuführen. Klar ist aber, dass es mehr werden und dass sie heftiger ausfallen. Ein Rückblick über den europäischen Tellerrand - nach Afrika, Australien, Asien und Mittelamerika:

Afrika hat bislang nur etwa drei Prozent zum globalen CO2-Ausstoß beigetragen, ist aber besonders stark von der Klimakrise betroffen. 2020 mussten die Menschen Ostafrikas mitansehen, wie ihre Felder und Weiden von Millionen von Wüstenheuschrecken kahlgefressen wurden. Hauptgrund für die dort schlimmste Heuschrecken-Plage seit Jahrzehnten war der ungewöhnlich starke und langanhaltende Regen.

Viele Länder im Süden Afrikas erlebten schwere Überschwemmungen, andere litten unter schwerwiegenden Dürren. Trotzdem spielt die Klimakrise als Thema in den meisten Staaten nur eine kleine Rolle, die Anstrengungen vieler Regierungen halten sich in Grenzen.

Australien, das 2019 das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt hatte, startete mit verheerenden Buschfeuern mit Hunderten Millionen toten Tieren ins Jahr 2020. Es folgten Starkregen, Zyklone, Hitzewellen und Dürren. Die Buschbrand-Saison wird Prognosen zufolge wegen des Klimawandels immer früher starten und immer länger dauern.

In Südostasien führt der Klimawandel dazu, dass Indonesien in den nächsten Jahren eine neue Hauptstadt auf der Insel Borneo bauen will. Die bisherige Hauptstadt Jakarta mit zehn Millionen Einwohnern droht wegen des steigenden Meeresspiegels zu versinken. Die Philippinen wiederum wurden 2020 von mehr als 20 Tropenstürmen überrollt. Tropische Wirbelstürme entstehen über dem offenen Meer - und je stärker dieses aufgewärmt ist, desto mehr Energie setzt es frei.

In Lateinamerika wurden in der diesjährigen Hurrikansaison so viele schwere Wirbelstürme registriert wie nie zuvor. 30 Stürme waren stark genug, um einen Namen zu bekommen. Argentinien und Chile litten 2020 erneut unter schweren Dürren - während andere Gebiete regelmäßig von extremen Regenfällen und Überschwemmungen heimgesucht wurden.

Für das Amazonas-Gebiet war 2020 ebenfalls erneut ein schlechtes Jahr. Durch Abholzung und Brände gingen erneut Tausende Quadratkilometer bewaldeter Fläche verloren. Weil der Regenwald im Amazonasgebiet immense Mengen CO2 binden kann, hat er auch für das Weltklima große Bedeutung. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro sieht in der Region allerdings vor allem ungenutztes wirtschaftliches Potenzial und will noch mehr Flächen für Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung erschließen. Internationale Kritik prallt an ihm ab. (dpa/rs)

Zur Startseite