Healthcare IT


Elektronische Patientenakte

Es braucht mehr als nur eine Opt-Out-Lösung

Andreas Strausfeld ist seit 2014 Vorsitzender der Bitmarck-Geschäftsführung. Zuvor war er seit 2008 als Geschäftsführer bei der Bitmarck Holding GmbH und seit 2010 bei der Bitmarck Vertriebs- und Projekt GmbH aktiv. In gleicher Funktion war er auch bis zum 31. Mai 2016 bei der Bitmarck Software GmbH tätig. Davor war der studierte Wirtschaftsinformatiker in verschiedenen leitenden Funktionen bei der DAK tätig.
Das geplante Opt-out-Gesetz für die elektronische Patientenakte ist allein kein Garant für ein Gelingen des zentralen Digitalisierungsprojekts der Gesundheitsbranche.
Mit einer von vielen Menschen genutzten elektronischen Patientenakte (ePA) soll sich die Versorgung der Bevölkerung insgesamt verbessern.
Mit einer von vielen Menschen genutzten elektronischen Patientenakte (ePA) soll sich die Versorgung der Bevölkerung insgesamt verbessern.
Foto: angellodeco - shutterstock.com

Mit großen Erwartungen gehen die Blicke in Richtung Berlin. Anfang 2023 möchte das Bundesgesundheitsministerium seine Digitalstrategie vorlegen. Ein Schlüssel-Element ist dabei die elektronische Patientenakte (ePA). Denn diese wurde konzipiert, um einen bedeutenden Zweck zu erfüllen: Sie soll die Versicherten über die Grenzen von Arztpraxen, Apotheken und KrankenhäusernKrankenhäusern hinweg mit allen Leistungserbringern digital vernetzen. Top-Firmen der Branche Gesundheit

Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass bis 2025 mindestens 80 Prozent der gesetzlich Versicherten eine ePA haben und sie nutzen. Das klingt ambitioniert - speziell angesichts der Tatsache, dass sich bislang von den potenziell 73 Millionen Nutzenden in Deutschland lediglich gut 550.000 für eine ePA entschieden haben (Stand: Anfang November 2022). Es erfordert Konsequenz und die richtigen, ineinandergreifenden Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen.

Zusätzliche Authentifizierungsverfahren müssen umgesetzt werden

So ist das Opt-out-Modell mittlerweile durch den Gesetzgeber bestätigt. Doch das automatische Anlegen der ePA ist nur die halbe Miete - sie muss auch von möglichst vielen genutzt und von den Leistungserbringern befüllt werden. Dafür sprechen nicht nur wirtschaftliche Gründe. So zeigt eine McKinsey-Studie auf, dass durch die DigitalisierungDigitalisierung des deutschen Gesundheitswesens 42 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden können. Die ePA ist dabei das zentrale Element, um diese Vorteile abzuschöpfen. Doch sie ist auch - das kommt in der Diskussion oftmals zu kurz - eine Schlüsseltechnologie, um den Versicherten eine Vielfalt an zeitgemäßen, digitalen Services von ihren Krankenkassen zur Verfügung zu stellen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Das Thema der Authentifizierungsverfahren spielt dabei eine zentrale Rolle für die Nutzererfahrung, die ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Akzeptanz digitaler Lösungen ist: Wir begrüßen daher ausdrücklich die aktuellen Entwicklungen rund um die Einführung einer zusätzlichen Authentifizierungsmöglichkeit. Konkret bedeutet das: Neben einem Authentifizierungsverfahren, das dem Sicherheitsniveau "hoch" entspricht, können die Versicherten dann auch in die Nutzung eines Verfahrens einwilligen, das einem anderen angemessenen Sicherheitsniveau entspricht.

Vereinfachung und Vereinheitlichung

Dies alles trägt einem übergeordneten Ziel Rechnung: Die Digitalisierung von Anwendungen im Gesundheitswesen soll durch nutzerseitige Vereinfachung, aber auch konstante Vereinheitlichung, Zusammenführung, und stetige Ergänzung der Funktionalität dafür sorgen, dass sich die Versorgung der Versicherten signifikant verbessert.

Ein Beispiel mag das belegen: So setzt BITMARCK zusammen mit der ePA weitere etwa 20 Gesetzesvorgaben des Bundesministeriums für Gesundheit qualitätsgesichert um - beispielsweise den Kommunikationsdienst im Medizinwesen (KIM), die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) statt der bekannten "gelben Scheine" oder die "App auf Rezept" beziehungsweise digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs).

Damit Anwendungen wie diese nicht isoliert für sich stehen, hat BITMARCK das GesundheitsCockpit (GeCo) entwickelt. Krankenkassen können mit dem GesundheitsCockpit zusätzliche digitale Services rund um die elektronische Patientenakte anbieten, diese miteinander vernetzen und dadurch Mehrwert für Versicherte schaffen. Die Nutzer sollen von einer "Ende-zu-Ende"-Verbesserung in der Versorgung profitieren. Dabei kommunizieren die unterschiedlichen Services und Applikationen miteinander. Auf diese Weise liefert das GeCo mehr Funktionen als die Summe seiner Teile.

Um die Versorgung der Versicherten zu verbessern, braucht es eine funktionierende ePA. Deshalb ist es nicht hilfreich, wenn jetzt Forderungen nach einer grundsätzlich neuen Architektur der ePA laut werden. Stattdessen braucht es so schnell wie möglich - am besten früh im Jahr 2023 - eine verbindliche Spezifikation seitens der Gematik, die gemeinsam mit den Herstellern erarbeitet wurde.

Kurzfristiger Start der ePA im Opt-out-Modell

Die Einbindung muss sich dabei von der Festlegung der Spezifikationen bis zur iterativen Umsetzung erstrecken. Dann ist auch der kurzfristige Start der ePA im Opt-out-Modell möglich. Zu beachten ist speziell in dieser Sache allerdings: Vor allem im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Opt-out-Verfahrens benötigt es dringend einen Konsens aller Beteiligten. Sprich: Welche Prämissen gelten bei einem Opt-out? Bei der Erarbeitung müssen alle relevanten Stakeholder beteiligt sein, um eine übergreifende Akzeptanz zu erlangen - mehr von der heutigen ePA hilft am Ende niemandem.

Ein entscheidender Punkt wird auch sein, ob es gelingt, eine verpflichtende Befüllung der ePA durch alle Beteiligten im deutschen Gesundheitswesen zu realisieren. Insbesondere ist der Gesetzgeber gefordert, eine Befüllung der ePA durch die Leistungserbringer sicherzustellen. Auch braucht es eine neue Betrachtungsweise des Datenschutzes und der Datennutzung: Potenziale für ein effizientes Versorgungssystem dürfen nicht durch Prioritätsannahmen wie DatenschutzDatenschutz vor Gesundheitsschutz ausgebremst werden. Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Jede Entscheidung zugunsten des Datenschutzes muss den Versicherten die Konsequenzen für den Gesundheitsschutz transparent darlegen. Die optimale Nutzung von Daten in der Gesundheitsversorgung erfordert die Realisierung des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes.

Mit einer von vielen Menschen genutzten ePA wird auch die Versorgung der Bevölkerung insgesamt verbessert. Das beweist schon ein kurzer Blick ins Ausland, wo die elektronische Patientenakte zum Teil schon seit Jahrzehnten ihre Vorteile beweist. Diesen Umstand gilt es aber in den öffentlichen Diskussionen stärker zu betonen. Dafür braucht es eine Aufklärungskampagne der Bundesregierung - vergleichbar mit der aktuellen Impfkampagne - die den Versicherten die Vorteile der ePA vor Augen führt und über Themen wie Nutzen und Sicherheit sachlich informiert.

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