Erfolg, wenn Mitarbeiter an erster Stelle stehen - nicht Aktionäre und Kunden

"Führen, nicht folgen"

18.08.2008
Von Klaus Boldt

Vom früheren Deutschland-Chef der Boston Consulting Group, Dieter Heuskel, ist die schöne Erkenntnis überliefert: "Strategiekonzepte, Managementbestseller und Erfolgsregeln kursieren in steigender Zahl und lösen einander immer schneller ab." In der Tat biegen sich die Regale deutscher und amerikanischer Buchhandlungen unter der Last der Managementliteratur.

Der Grund dafür ist, dass sich im Prinzip alles Mögliche über Management sagen lässt - solange man die alten Regeln nicht antastet. Wirklich Neues haben die meisten Autoren deshalb nicht zu bieten. Denn um wirkliche Veränderungen herbeizuführen, muss man die Management-DNS verändern. Doch davor scheut man zurück. Seit Jahrzehnten erscheinen Bücher darüber, wie man Mitarbeiter motivieren und überhaupt arbeiten lassen soll. Und mit welchem Ergebnis? Dass sich heute weniger als 20 Prozent aller Beschäftigten als besonders engagiert bezeichnen.

Sie behaupten, dass flexible Arbeitsabläufe und eine weitgehende Selbstbestimmung der Mitarbeiter unverzichtbar für echte Veränderungen seien. 1960 hat der MIT-Professor Douglas McGregor das Buch "The Human Side of Enterprise" veröffentlicht, und in dem stand das Gleiche: Flache Hierarchien und allgemeine Begeisterung seien die Voraussetzung für den Unternehmenserfolg.

Es war ein wichtiges Werk, und doch hat sich auch 48 Jahre nach seiner Veröffentlichung wenig geändert. Und warum? Weil sich nichts verändern kann, wenn man nicht die Prinzipien selbst infrage stellt und Alternativen anbietet. Es ist, als ob man glaubt, einen Menschen durch eine Maniküre oder einen neuen Haarschnitt verändern zu können. Ich bin der festen Überzeugung, dass Kreativität und Leidenschaft die wichtigsten Eigenschaften sind, die etwas bewirken. Wir sollten uns also darum kümmern, dass unsere Unternehmen jene Kreativität und Leidenschaft ihrer Leute auch künftig inspirieren.

Ich habe immer an revolutionäre Ziele geglaubt

Wie stellt sich ein Theoretiker das in der Praxis vor?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten, es gibt keine allgemeingültige, bewährte Methode. Wir kennen Beispiele von Unternehmen, die in vielerlei Hinsicht vorbildlich sind und die ihre Managementabläufe sehr erfoIch habe immer an revolutionäre Ziele und evolutionäre Wege geglaubt.lgreich verändert haben, wie Whirlpool, General Electric oder Procter & Gamble. Das kann man beschreiben, und man kann davon lernen. Aber auch die besten Firmen sind nicht so gut, dass man ihrem Weg bedenkenlos folgen sollte. Man muss führen, nicht folgen.

Drei Unternehmen haben Ihrer Meinung nach Wegweisendes geleistet: Google, die Biosupermarktkette Whole Foods und der Textilhersteller Gore. Was haben diese Firmen, was andere nicht haben?

Alle drei verbindet, dass ihre eigenen Angestellten an erster Stelle stehen - und nicht ihre Kunden oder Aktionäre. Die folgen erst an zweiter und dritter Stelle. Das heißt nicht, dass sie sich nicht um ihre Aktionäre kümmerten. Aber Aktionäre schaffen keine Werte. Es wäre dumm, alles Handeln an deren Interessen auszurichten. Die Fähigkeit, Werte zu schaffen, hängt davon ab, ob man seine Mitarbeiter inspirieren kann, und das gelingt diesen Unternehmen auf sehr unterschiedliche Weise, aber überall durch große Freiheiten und flache Hierarchien.

Mitarbeiter von Google dürfen einen Teil ihrer Arbeitszeit auf eigene Projekte verwenden. Klassische Befehlsstränge fehlen weitgehend. Junge Firmen mögen eine Zeit lang so funktionieren. Aber glauben Sie wirklich, dass man Siemens oder VW auf diese Weise managen kann?

Ich bin kein romantischer Visionär und weiß, dass so ein Prozess Jahre dauert, vielleicht Jahrzehnte. Das hängt nicht vom Unternehmen allein ab, sondern von vielen anderen Faktoren. Aber wir sollten uns davor hüten, die heutige Organisation des Managements als einzig mögliche zu betrachten. Ich sage vielen Unternehmern: Warum verkaufen Sie Produkte des 21. Jahrhunderts und managen Ihre Firma mit einer veralteten Technik? Ich habe immer an revolutionäre Ziele und evolutionäre Wege geglaubt.

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