Retail IT


Warenwirtschaft bei Kaiser’s Tengelmann

Größtes IT-Projekt vor dem Abschluss

16.06.2009
Von Frank Grünberg

Fast die Hälfte der Prozesse geändert

Gemeinsam mit den "Prozesseigentümern", die für alle Einzelprozesse bestimmt werden, machen sich die Verantwortlichen anschließend daran, eine vollständige Soll-Prozessbeschreibung aller Geschäftsabläufe zu erarbeiten. Zwei entscheidende Fragen sind: "Wie sollen die Prozesse künftig ablaufen?" und "Was lässt sich bei den aktuellen Prozessen optimieren?" Die Antworten treiben das Projekt gleich in doppelter Hinsicht. Erstens liefern sie eine Blaupause für organisatorische Veränderungen. "Wir haben damals etwa 50 Prozent aller Prozesse verändert", sagt Beye. Zweitens bilden sie die Grundlage für die Ausschreibung des neuen WWS.

Dieter Beye, IT-Leiter, Kaiser’s Tengelmann AG: "Erstmals im Lebensmitteleinzelhandel gelingt die Umstellung auf eine schnittstellenfreie integrierte Software über alle Prozesse hinweg."
Dieter Beye, IT-Leiter, Kaiser’s Tengelmann AG: "Erstmals im Lebensmitteleinzelhandel gelingt die Umstellung auf eine schnittstellenfreie integrierte Software über alle Prozesse hinweg."

Potenziellen Softwarelieferanten lassen die Verantwortlichen nur wenig Spielraum. Klar ist, die IT muss sich an die Prozesse anpassen und nicht umgekehrt. Das Rennen macht die Compex Systemhaus GmbH aus Heidelberg. Das Softwarehaus bringt die Standardsoftware "Compex Commerce" mit, die sich tatsächlich unkompliziert entlang den KTAG-Bedürfnissen entwickeln lässt. "Die Software kann flexibel modelliert werden, ohne den Kern verändern zu müssen", erklärt Beye. "Damit ist sichergestellt, dass wir den Standard sehr individuell an unsere Bedürfnisse anpassen können, ohne nachhaltige Störungen zu riskieren, und dies bei voller Release-Kompatibilität." Ende April 2004 werden beide Seiten handelseins.

Zehn Anwendungen in einer

In den folgenden zwölf Monaten geht es ans Eingemachte. Die Projektteams erstellen insgesamt 25 Fein-Pflichtenhefte, in denen sie Prozesse wie "Verkaufspreise pflegen", "Rechnungen prüfen", "Wareneingang" oder "Kommissionierung" en detail beschreiben. Dies wird in einer Dokumentation von über 17 000 Seiten zusammengestellt. Erst dann wird das Ganze "in Software gegossen", und zehn der früheren Softwarelösungen werden in einer einzigen vereint.

Auch die Datenmigration aus den heterogenen Altsystemen ist bis dahin gelöst. Es gilt, die Artikelnummern für Lager und Filialen so zu vereinheitlichen, dass sich Artikel künftig aus einer Software heraus und ohne Medienbruch verwalten lassen. Die Größenordnung ist beeindruckend: 3200 Lieferanten, 81 000 Artikel und 130 000 Einkaufspreise müssen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, 380 Millionen Abverkäufe und 36 Millionen Verkaufspreise aus dem alten in das neue System übertragen werden - ein Kraftakt, aber für den Aufbau des modernen Dispositionssystems unumgänglich. "Wir stellen den Filialleitern heute automatisiert Bestellvorschläge zur Verfügung, die diese bestätigen, abändern oder unverändert übernehmen können", erklärt Beye. "Damit lassen sich unsere Warenpräsenz verbessern und weitere Umsatzpotenziale heben."

Zunächst aber muss das neue WWS umfassende Tests bestehen, die das übliche Maß weit überschreiten. Nicht nur, weil 17 Test-, Schulungs-, Entwicklungs- und Performance-Umgebungen eingerichtet wurden. Die Verantwortlichen ergänzen die Funktions-, Anwendungs- und Integrationstests auch um einen "Wirklichkeitstest". Sie bilden einzelne Tage der KTAG durch Echtdaten aus der Vergangenheit nach. Insgesamt werden 32 000 Testfälle in rund 550 Szenarien abgearbeitet. Darüber hinaus werden 18 Kernprozesse mit Massendaten auf ihre Verarbeitungsgeschwindigkeit geprüft.

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