7 Geheimnisse im IT-Talent-Management

So finden CIOs IT-Talente

Stacy Collett ist Autorin für Computerworld, CSO und Network World. Sie deckt eine Vielzahl an Sicherheits- und Risikothemen ab.
Bastian Seebacher ist freier Mitarbeiter der Redaktionen CIO und COMPUTERWOCHE.
CIOs geben Tipps, wie Unternehmen IT-Talente dauerhaft anziehen und nachhaltig aufbauen können.
Um dem IT-Fachkräftemangel entgegen zu wirken, braucht es mehr als einen dicken Geldbeutel. Respekt, Diversity und aktive Förderung machen Unternehmen attraktiv für neuen Talente.
Um dem IT-Fachkräftemangel entgegen zu wirken, braucht es mehr als einen dicken Geldbeutel. Respekt, Diversity und aktive Förderung machen Unternehmen attraktiv für neuen Talente.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Plante Moran besetzt offene IT-Stellen im Durchschnitt in nur 48 Tagen. Selbst bei den am schwersten zu besetzenden Stellen in den Bereichen Anwendungsentwicklung, Datenanalyse, Cybersicherheit und Cloud-Engineering dauert es nur wenige Wochen von der Stellenausschreibung bis zur Einstellung. Das umfasst mehrere Gesprächsrunden und Tests, um sicherzustellen, dass die Bewerber geeignet sind. Im Vergleich dazu benötigten die meisten Arbeitgeber im Jahr 2020 laut einer Umfrage der Recruiting-Cloud-Plattform iCIMS durchschnittlich rund drei Wochen mehr, um eine Stelle im Technologiebereich zu besetzen.

Glasfaserhersteller Owens Corning rekrutiertrekrutiert oft Informatiktalente, auch wenn keine Stelle zu besetzen ist. "Wenn sich ein hervorragender Technologe an die Personalabteilung wendet oder ein IT-Mitarbeiter eine gute Empfehlung ausspricht, stellen wir einfach ein, und zwar oft auch dann, wenn wir keine Position zu besetzen haben", sagt CIO Steve Zerby. "Wir bauen Rollen um Menschen herum und nicht umgekehrt." Alles zu Recruiting auf CIO.de

Talente, die gerne kommen

Rich Gilbert, Chief Digital and Information Officer bei Aflac, betont, wie wichtig das Umfeld ist. Der Versicherer zählt laut Fortune seit 19 Jahren zu den Top-Innovatoren in der Versicherungsbranche. "Wir zahlen nicht die höchsten Gehälter in der IT-Branche, aber wir haben Talente, die gerne zu uns kommen, weil es das Gesamtpaket ist, was zählt. Von der Vergütung über die Prämien, die Anerkennung und das Engagement bis hin zum Gefühl, Teil von etwas zu sein, das größer ist als jeder Einzelne," so Gilbert.

Um Talente anzuziehen, braucht es mehr als nur ein gutes Gehalt. Zwar besagt die IT-Gehaltsstudie 2021 von IDG, dass Tech-FachkräfteTech-Fachkräfte am häufigsten wegen einer höheren Vergütung einen neuen Job suchen (61 Prozent). Aber sie wollen auch beruflich weiterkommen (47 Prozent), eine interessante Arbeit (38 Prozent) und persönliche Erfüllung. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de

Solche Anforderungen sind meist in branchenführenden IT-Teams zu finden. Sie haben gute Führungskräfte und Manager sowie Zugang zu neuesten Technologien. Außerdem verfolgen die Mitarbeiter einen klaren Karriereweg und arbeiten in einer Kultur der Exzellenz, des offenen Dialogs sowie der Wertschätzung und Anerkennung.

Wie gelingt es CIOs so ein Umfeld zu schaffen? IT-Chefs von einigen der begehrtesten Arbeitgeber berichten über ihre Strategie.

Wertvolle Arbeit mit Rückhalt von Führungskräften

Eines der Dinge, die IT-Talente zu Plante Moran locken, ist laut CIO Paul Blowers die Unterstützung und der Respekt für das IT-Team durch die oberste Führungsebene. "Für IT-Talente ist es sehr wichtig, dass sie Teil der Strategie eines Unternehmens sind, dass sie unternehmerisch handeln, Ideen einbringen und Teil der Unternehmensmission sind"

Das IT-Team werde als Geschäftspartner im Unternehmen betrachtet, erklärt Blowers' Kollegin Joni Propst. Sie leitet das digitale Projekt- und Portfoliomanagement, und berichtet: "Wir sind dafür zuständig, die Technologiestrategie festzulegen und setzen diese mit der vollen Unterstützung des Unternehmens um."

Talente ziehen Talente an

Talente wollen mit anderen begabten Menschen zusammenarbeiten. Eine einzige Neueinstellung kann einen Dominoeffekt bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften im technischen Bereich haben.

Tony Gallardy, CIO der Navy Federal Credit Union, überzeugte Sovan Shatpathy, der nie im Finanzwesen gearbeitet hatte, im Juni 2020 als CTO einzusteigen. Shatpathy sollte die digitale Transformation der Volksbank leiten. Shatpathys Ruf als Führungspersönlichkeit und Innovator trug dazu bei, mindestens acht neue IT-Mitarbeiter für das Team zu gewinnen. Sie hatten während seiner Karriere beim Bahnunternehmen Amtrak, Cisco und Oracle mit ihm zusammengearbeitet. "Mission, Kultur und die Förderung der Mitarbeiter sind auf dem Markt von Bedeutung", fügt Gallardy hinzu.

Vielfalt in der Führung fördert Diversity

Vor sechs Jahren fiel es dem Industrieunternehmen Owens Corning schwer, weibliche Talente für die IT zu gewinnen. Das änderte sich, nachdem Zerby zwei IT-Leiterinnen ernannt hatte. Heute ist eine davon Vizepräsidentin und etwa 40 Prozent der IT-Mitarbeiter sind weiblich. 2015 lag die Quote noch halb so hoch. "Es besteht kein Zweifel daran, dass sie die Arbeit in diesem Unternehmen weniger abschreckend machen", sagt Zerby. Die Leute sähen gerne ein ähnliches Gesicht, das habe einen Unterschied gemacht, um vielfältige IT-Talente anzuziehen.

Ähnliches deutet auch die IDG IT-Gehaltsstudie an. Demnach hat sich die Zahl der IT-Fachleute, die sich einen Arbeitsplatz mit mehr Vielfalt wünschen, 2021 verdoppelt im Vergleich zum Vorjahr.

Der Versicherungskonzern The Hartford wirbt um Fachkräfte, indem er Mitarbeitergruppen für Asiatisch-Pazifische, Schwarze, Hispanische, LBGTQ+, Militärische, weibliche, ältere und junge Fachkräfte unterstützt. Dadurch "werden die Mitarbeiter in die Lage versetzt, sich in Geschäftsmöglichkeiten einzubringen, Talente zu fördern und stärkere Beziehungen untereinander aufzubauen", sagt CIO Deepa Soni. Rund ein Drittel der IT-Führungskräfte sind Frauen sowie Persons of Colour.

Kontakt zu neuester Technologie

Die meisten IT-Talente suchen Unternehmen, die ihnen die Möglichkeit bieten, die modernsten Technologien kennenzulernen und mit ihnen zu arbeiten.

Plante Moran hat zum Beispiel ein Joint Venture mit drei seiner größten Konkurrenten gegründet. Das Quartett will gemeinsam in neue Technologien wie künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Blockchain und Robotic Process Automation investieren. "Dieses Zentrum für Forschung und Entwicklung ermöglicht es uns, bei Innovationen wirklich an die Grenzen zu gehen. Es gibt unseren IT-Mitarbeitern die Möglichkeit, an neuen und innovativen Dingen zu arbeiten, sie dann zu implementieren und umzusetzen", sagt Blowers.

Versicherer Aflac hat seine IT-Organisation in "Digital Services" umbenannt, um ihre Rolle zu verdeutlichen. Sie ist daran beteiligt, die Geschäftsstrategie festzulegen und arbeitet gemeinsam mit dem Business an Lösungen. Im Rahmen eines Enablement-Programms werden technische Mitarbeiter in mobilen und Web-Entwicklungs-Frameworks wie Ionic und Angular geschult. Zudem können sie sich als ScrumScrum Master, Scrum Product Owner und Full-Stack-Entwickler zertifizieren. "Auch wenn die Mitarbeiter bereits über hervorragende Fähigkeiten verfügen, bauen wir diese kontinuierlich aus und investieren in sie", erklärt Gilbert. Alles zu Scrum auf CIO.de

Mittelständler nutzen ihren Ruf

Mittelständische Unternehmen wie Pflege-Spezialist Amedisys sind zu Magneten für IT-Talente geworden, indem sie ihren regionalen Ruf und schlanke Betriebsmodelle nutzen. Das Unternehmen mit Sitz in Baton Rouge, stellte letztes Jahr während der Pandemie 18 technische Mitarbeiter ein. Viele kamen durch Empfehlungen aus der IT-Abteilung, die für die Kultur des Unternehmens warben.

"Die Unternehmens-IT in Louisiana ist traditionell eine eher kleine Gruppe, aber wir haben uns den Ruf erarbeitet, neue und aufregende Dinge zu tun", erläutert CTO Keith Blanchard. Mit 124 Mitarbeitern im IT-Team ist es "ein ziemlich kleiner Laden", ergänzt CIO Mike North und das solle auch so bleiben. "Das ist ein Teil der Magie - lean genug zu bleiben, um sicherzustellen, dass jeder gehört wird und jeder das Gefühl hat, ein Teil von etwas zu sein".

Blanchard weiß aus erster Hand, dass kleine, aber eingeschworene Technikteams passender sein können als große. Vier Jahre, nachdem er das Unternehmen verlassen hatte, um für einen Softwarekonzern zu arbeiten, kehrte er als CTO zu Amedisys zurück. Inzwischen versteht Blanchard den Wert eines kleineren IT-Teams besser. "Wir respektieren und schätzen die Meinung jedes Teammitglieds. Sie können etwas vorschlagen, das dann einen ganzen Geschäftszweig voranbringt oder eine neue Betrachtungs- oder Arbeitsweise anstößt." Das sei aufregend und IT-Fachleute seien auf der Suche danach, etwas zu bewirken.

Eine starke Pipeline aufbauen

Viele Unternehmen, die Top-Talente im IT-Bereich anziehen, bekommen sie aus Vertragsverhältnissen und Verbindungen zu Universitäten oder Trainingsorganisation.

Navy Federal etwa heuerte mehrere Externe an, die helfen sollten, auf ihre neue digitale Plattform zu migrieren. Nachdem sie eine Weile bei der Bank verbracht hatten, baten einige von Ihnen darum, bleiben zu können. "Es ist erstaunlich, welche Leute wir aus dem Vertragspool herausholen", so Gallardy, wenn man ihnen das Gefühl gebe, als wären sie Vollzeitangestellte. Er legt wert darauf, die Talente mit einzubeziehen. Er lädt Dienstleister regelmäßig zu Townhall-Meetings, Weihnachtsfeiern und virtuellen Treffen ein.

Die Die Volksbank nutzt auch ein "Talentoptimierungsprogramm" um mit vielversprechenden Kandidatinnen und Kandidaten aus anderen Bereichen des Unternehmens in Kontakt zu kommen. "Wir wissen, dass es bei uns Tech-Talente gibt, die nicht in der IT arbeiten", so Gallardy. Deshalb hat er ein Bewertungsverfahren entwickelt, um Mitarbeiter mit IT-Fähigkeiten zu entdecken. Sie können ein neunmonatiges Programm durchlaufen, um ins IT-Team aufgenommen zu werden.

Unbegrenztes hybrides Arbeitsmodell

"Ich glaube nicht, dass man in der Lage sein wird, IT-Talente in großem Umfang anzuziehen, ohne der Belegschaft eine gute, hybride Arbeitserfahrung zu bieten", erläutert Plante-Moran-CIO Blowers. "Wir wollen zukünftigen Talenten vermitteln, dass wir eine fantastische virtuelle Erfahrung bieten. Sie bekommen die Möglichkeit, remote zu arbeiten und sich trotzdem miteinbezogen und unserer Kultur verbunden zu fühlen." Gleichzeitig müsse aber auch eine Büro-Umgebung für persönlichen Austausch zur Verfügung stehen. Es sei Mitarbeitern wichtig, Menschen zu treffen, Beziehungen aufzubauen, unmittelbar von anderen zu lernen und die eigene Karriere voranzutreiben. "Man muss auf seine Mitarbeiter hören," resümiert er.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.

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