IT-Arbeitsmarkt in Bewegung

So halten CIOs IT-Mitarbeiter

Stacy Collett ist Autorin für Computerworld, CSO und Network World. Sie deckt eine Vielzahl an Sicherheits- und Risikothemen ab.
Von politischen und sozialen Fragen bis hin zur Vier-Tage-Woche – auch jenseits der Pandemie gibt es starke Kräfte, die die IT-Arbeitslandschaft umgestalten.
Eine Möglichkeit, um Mitarbeiter vom Jobwechsel abzuhalten, ist, ihnen interne Austiegs- und Entwicklungsoptionen anzubieten. Zu rigide Stellenbezeichnungen können dabei hinderlich sein.
Eine Möglichkeit, um Mitarbeiter vom Jobwechsel abzuhalten, ist, ihnen interne Austiegs- und Entwicklungsoptionen anzubieten. Zu rigide Stellenbezeichnungen können dabei hinderlich sein.
Foto: YanLev - shutterstock.com

Die Besorgnis über eine drohende Rezession hat den boomenden IT-Arbeitsmarkt nicht aus der Bahn geworfen. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden in den USA laut dem Beratungsunternehmen Janco Associates 115.000 neue IT-Stellen geschaffen. Trotz Inflation, hoher Energiekosten und dem Angriffskrieg auf die Ukraine stellte die Wirtschaft weiterhin rekordverdächtig viele IT-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ein, aber es ist nach wie vor schwierig, seine Talente an sich zu binden.

Die Gehälter für bestehende IT-Belegschaft und mittlere Führungskräfte stiegen um knapp drei Prozent, während neu eingestellte Fachkräfte fünf bis sechs Prozentpunkte mehr als die alteingesessenen Kollegen erhielten, was den Anreiz für einen Jobwechsel erhöhte.

Als ob das nicht schon genug wäre, um IT-Führungskräfte zu verunsichern, gibt es eine Reihe weiterer Faktoren - von Urteilen des Obersten Gerichtshofs über den Klimawandel bis hin zur Vier-Tage-Woche und der Zeitspanne, die man im Büro verbringt. All diese Faktoren wirken sich auf die Wahl des Arbeitsplatzes und die Verweildauer der Mitarbeiter aus. Branchenbeobachter haben fünf starke Kräfte ausgemacht, von denen die IT-Arbeitslandschaft beeinflusst wird.

1. Dynamik des Arbeitstages und der Arbeitswoche

In den vergangenen zwei Jahren haben CIOs mit ihren Mitarbeitenden hybride Arbeitsformen vereinbart, um sie an Bord zu halten. Heute geht es um die Frage, wann und wie viele Stunden sie arbeiten müssen, sagt Brian Kropp, Vice President of Human Resources Research beim Beratungsunternehmen Gartner. Diese Frage stelle sich in dem Maße, in dem Unternehmen das geistige Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen und sich fragen, ob die 40-Stunden-Woche die produktivste und gesündeste Art zu arbeiten ist.

"Wir beobachten bereits, dass Mitarbeiter ihren Tag immer heterogener gestalten. Es geht nicht mehr um 8:30 bis 17:30 Uhr, sondern um ein paar Stunden am Morgen, ein paar Stunden am Nachmittag und ein paar Stunden am Abend. Andere wiederum beginnen ihren Tag um 10 Uhr und arbeiten bis 7 Uhr oder von 6 bis 2 Uhr", berichtet Kropp. Einige Unternehmen erwägen auch eine Lockerung der 40-Stunden-Woche. "Es wird viel über eine 32-Stunden-Woche oder eine Vier-Tage-Woche geredet, aber das betrifft immer noch eine relativ kleine Anzahl von Unternehmen, vielleicht fünf Prozent", so Kropp.

Die Entwicklung könnte jedoch an Fahrt gewinnen, wenn Unternehmen keine weiteren Anreize mehr haben, um Mitarbeiter einzustellen, sagt Arran Stewart, Mitbegründer der Personalvermittlungsplattform Job.com. "Kann ich ihnen nicht mehr Geld zahlen oder kostenlose Mitgliedschaften in Fitnessstudios oder Kindertagesstätten anbieten, dann bleibt meist nur ein weiterer freier Tag - vor allem im IT-Markt, wo ein Großteil der Arbeit auf Ergebnissen oder Leistung basiert." Die meisten Unternehmen denken laut Gartner-Analyst Kropp über flexiblere Optionen nach, beispielsweise das Angebot von zehn weiteren bezahlten Urlaubstagen oder die Festlegung des ersten Freitags im Monat als unternehmensweiten freien Tag beziehungsweise "Tag der geistigen Gesundheit".

2. Einfluss politischer und sozialer Themen auf Mitarbeiter

Laut einer Gartner-Umfrage erwarten 70 Prozent der Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber, dass er zu sozialen und politischen Ereignissen in der Welt Stellung bezieht. So erhielt der CEO eines globalen Finanzdienstleisters an dem Wochenende nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs zur Abtreibung rund 30 Anrufe von leitenden weiblichen Vizepräsidenten, die ihn fragten, ob das Unternehmen öffentlich Stellung beziehen würde. "Er steht unter großem internen Druck", sagt David Dotlich, Präsident und Senior Client Partner bei Beratutngsunternehmen Korn Ferry, der mit dem Firmenchef gesprochen hat.

"Ich spreche mit CEOs, die sich manchmal gefangen fühlen zwischen dem, was Mitarbeiter zu ihnen sagen, und dem, was sie öffentlich sagen wollen," meint Dotlich. In der Technologiebranche gehe es um die Arbeitnehmer und darum, was Firmen tun könnten, um Arbeitnehmer zufrieden zu stellen. Im Verbraucherbereich sei die Situation etwas differenzierter.

Bis zum 30. Juni hatten 45 Prozent der US-Arbeitgeber entweder eine Stellungnahme zum Urteil des Obersten Gerichtshofs abgegeben oder planten eine solche, so Gartner-Berater Kropp. Auch Tech-Mitarbeiter, insbesondere jüngere, wollen, dass ihre Unternehmen zum Klimawandel Stellung beziehen. Fast die Hälfte der Generation Z (48 Prozent) und der Millennials (43 Prozent) geben laut einer Deloitte-Umfrage an, dass sie auf ihren Arbeitgeber Druck ausgeübt haben, damit dieser etwas gegen den Klimawandel unternimmt. Zwei Drittel der Führungskräfte fühlen sich von ihren Mitarbeitern zum Handeln gedrängt.

Diejenigen, die sich am lautesten zu diesem Thema äußern und das Gefühl haben, dass ihr Arbeitgeber ihnen zuhört und ihr Feedback berücksichtigt, sind auch loyaler. Dies deutet darauf hin, dass es für beide Seiten langfristig von Vorteil ist, wenn der Arbeitgeber zuhört und handelt. Wenn sie jedoch Stellung beziehen (oder nicht), führt dies oft zu einer Situation, in der beide Seiten nicht gewinnen können. "Unabhängig von der politischen Zugehörigkeit: Wenn ein Arbeitgeber nichts sagt, geht man davon aus, dass er mit der anderen Seite übereinstimmt. Wenn man also nichts sagt, verprellt man alle. Aber auch wenn man etwas sagt, verprellt man jemanden", argumentiert Kropp.

Der Berater rät Unternehmen, die Grundwerte festzulegen, bevor es zu strittigen Situationen kommt. So könnten sich Führungskräfte darauf beziehen, wenn sie entscheiden, ob und wie sie auf politische und soziale Fragen reagieren. "Wenn Sie erklären, dass eine Entscheidung auf den Werten basiert, die Sie als Unternehmen vertreten, wird die große Mehrheit der Mitarbeiter sie akzeptieren", sagt er.

3. Die (komplizierte) Rückkehr der Vergünstigungen

Obwohl sich Remote-Mitarbeiter als ebenso effizient und oft produktiver erwiesen haben als Mitarbeiter in einem Büro, nehmen Manager Remote-Arbeit anders wahr. Etwa 64 Prozent der von Gartner befragten Führungskräfte glauben, dass Mitarbeiter vor Ort leistungsfähiger sind, und drei Viertel der Manager geben an, dass Menschen vor Ort eher befördert werden.

"Ich denke, dass die Sichtbarkeit im Office größer ist und man die Leute einfach besser kennt und ihre Leistung besser einschätzen kann", sagt Dotlich von Korn Ferry. "Man muss einen gewissen Prozentsatz der Zeit im Büro verbringen, weil man so Zugang zu Informationsnetzwerken erhält, informelle Gespräche führt, Innovationen durch ungeplante Begegnungen hervorbringt und einfach viele Zugänge zur Kultur und dem informellen Netzwerk hat. Aber man muss nicht die ganze Zeit im Office sein."

Greife man jedoch nicht ein, würden die unbewussten Denkmuster alles untergraben, was mit der Gleichstellung erreicht werden soll, sagt Kropp. Bei einer Befragung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu ihren Arbeitsvorlieben haben acht Prozent mehr Frauen als Männer den Wunsch geäußert, von zu Hause aus zu arbeiten, häufig wegen der Kinderbetreuung oder aus anderen familienbezogenen Gründen. "Wenn wir nichts unternehmen, werden sich unsere Bemühungen um Vielfalt, Gleichberechtigung und Eingliederung verschlechtern", argumentiert Kropp mit Bezug auf das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern und einem geringeren Grad an Diversität in den Führungsetagen.

4. Der interne Marktplatz für Kompetenzen

Interne Qualifikationsmarktplätze entwickeln sich zu einem Mittel, um Tech-Fachkräfte zu halten und gleichzeitig den Anforderungen an ein flexibles, digitales Umfeld gerecht zu werden. Millennials unter den Tech-Mitarbeitern berichten beispielsweise häufig, dass sie sich im Organigramm mit einer vordefinierten Stellenbeschreibung gefangen fühlen, die ihre Arbeit einschränkt, berichtet Jonathan Pearce, Workforce Strategies Lead bei Deloitte Consulting. "Sie haben das Gefühl, dass es einfacher wäre, ihre KarriereKarriere voranzutreiben, wenn sie sich außerhalb des Unternehmens umsehen würden anstatt intern. Sie erkennen keine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen", erklärt Pearce. Alles zu Karriere auf CIO.de

In der Zwischenzeit müssen Projektmanager die zu erledigende Arbeit mit den richtigen Kompetenzen verbinden, von denen einige vielleicht aus einer Unterfunktion der IT stammen. Interne Qualifikationsmarktplätze erfüllen beide Anforderungen, indem sie die Qualifikationen der Mitarbeiter und nicht ihre Berufsbezeichnung mit der zu erledigenden Arbeit abgleichen.

"Wir sehen enorme Investitionen in KI-gesteuerte Plattformen für das Qualifikationsmanagement, um die Fähigkeiten der Mitarbeiter auf dynamischere Weise abzustimmen", sagt Pearce. Das Konsumgüterunternehmen UnileverUnilever nutzte beispielsweise seinen internen Talentmarktplatz "FLEX Experiences", um während der Pandemie mehr als 8.000 Mitarbeiter umzuschichten und 300.000 Arbeitsstunden freizusetzen. Top-500-Firmenprofil für Unilever

Ein interner Talentmarktplatz kann auch die interne Voreingenommenheit bei Einstellungen verringern und die Vernetzung zur Förderung der Vielfalt verbessern. Personaler können sich auf reale Kompetenzen und Erfahrungen konzentrieren und nicht auf die Ausbildung, indem sie beispielsweise dieses Feld ausblenden. Andere nutzen die Plattform, um Mentorenbeziehungen aufzubauen, die von Senior zu Junior, von Junior zu Senior, von Peer zu Peer und von Experte zu Novize reichen. Dieses soll Tabus in den Beziehungen abbauen, Menschen weltweit miteinander vernetzen und die interne Bindung stärken.

5. Führungskräfte als Dirigenten komplexer Teams

Unternehmen erkennen, dass es bei hybrider Arbeit mehr darauf ankommt, wie die Teams zusammenkommen, und nicht nur darauf, was für das Unternehmen oder den Einzelnen richtig ist, sagt Pearce. Daher erhöhen immer mehr Firmen die Erwartungen an ihre Teamleiter, die entscheiden sollen, wie die Arbeit erledigt wird, um dann das Team zur Rechenschaft zu ziehen, wenn es um Leistung und Belohnung geht.

"Wir erwarten, dass mehr Teamleiter offene Diskussionen mit ihren Mitarbeitern darüber führen, was in Bezug auf die Kommunikation funktioniert und was nicht, wie schnell sie reagieren sollen und wie sie zusammenkommen, wenn sie kooperieren müssen", sagt Pearce. Die Frage sei nun, wie man sie als Manager besser machen könne - nicht nur als Manager der Arbeit, sondern auch als Dirigenten eines komplexeren Team-Umfelds.

Gute Manager würden ihren Teams die Arbeit angenehmer machen. Zudem seien sie besser in der Lage, die Stärken der einzelnen Mitarbeiter zu erkennen und zu nutzen. Außerdem könnten sie Mitarbeitern helfen, die Fähigkeiten und Erfahrungen zu erwerben, die sie für ihre berufliche Entwicklung benötigen.

Alle drei Faktoren sind wichtige Voraussetzungen für die Mitarbeiterbindung. Pearce verweist auf einen Kunden, der eine Trennung der Rollen des Arbeitsmanagers und des Personalmanagers anstrebte. "Nicht, dass dies per se ein besseres Konstrukt gewesen wäre. Was jedoch zählte, war vielmehr die Erkenntnis, dass wir Manager darauf vorbereiten müssen, als Personalmanager zu agieren", so Pearce. Dies gelte vor allem für Soft SkillsSkills der FührungFührung. (ajf/jd) Alles zu Führung auf CIO.de Alles zu Skills auf CIO.de

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.

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