Digitalisierung und Data Analytics

Wie Design Thinking komplexe Probleme lösen kann

24.08.2017
Von  und Steven Ney
Dr. Sebastian Leder ist am Deloitte Analytics Institut zuständig für "Liaison and Ideation", i. e. Networking und Partnering. Seine Arbeit besteht aus der Vernetzung und der Zusammenarbeit mit dem Quintett Politik, Wissenschaft/Forschung, Technologie und Wirtschaft, sowie StartUps.
Hochkomplexe Probleme, sogenannte "Wicked Problems" lassen sich mit herkömmlichen linearen Methoden und Organisationsstrukturen nicht lösen. Integrative und interdisziplinäre Ansätze wie Design Thinking sind eine gute Alternative.

Welche Rolle kann Design ThinkingDesign Thinking im Bereich der DigitalisierungDigitalisierung und Data Analytics spielen? Diese Frage ist umso interessanter, wenn man sich vor Augen führt, dass Design Thinking (DT) sich überwiegend analoger Methoden und Techniken bedient. Dabei gibt es in der Methodik und den Arbeitsweisen des DT keinen expliziten Verzicht auf digitale Werkzeuge – die Methode stammt schließlich aus dem Silicon Valley. Alles zu Design Thinking auf CIO.de Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Design Thinking bedient sich häufig einfacher analoger Techniken wie Haftzetteln und Whiteboards.
Design Thinking bedient sich häufig einfacher analoger Techniken wie Haftzetteln und Whiteboards.
Foto: bbernard - shutterstock.com

Trotz alledem fällt Besuchern der HPI School of Design Thinking in Potsdam stets auf, wie sehr sich die kleinen Teams von fünf bis acht Mitgliedern auf bunte Klebezettel, mobile Whiteboards und Bastelmaterial aller Art verlassen. Sehr digital oder analytisch sehen die Arbeitsräume von DT-Teams nicht aus.

Diesem Anschein zum Trotz, eignet sich Design Thinking gut, um komplementär zu Data Analytics, die schwierigsten heutigen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft anzugehen.

Lösungsansätze für komplexe Probleme

Der Grund dafür ist, dass kleine Teams mit den Methoden und Arbeitsweisen des Design Thinkings effektiv sogenannte "Wicked Problems" lösen können. Diesen Begriff hat der Gestalter und Ingenieur Horst Rittel mit seinem Kollegen Melwyn Webber Anfang der 1970er Jahre geprägt. Während sich "Tame Problems", die "zahmen Probleme", mit bestehenden linearen Organisationsstrukturen und deren Problemlösungsansätzen gut lösen lassen, ist den hochgradig komplexen Wicked Problems nur noch mit der Kombination verschiedener Disziplinen, Denkschulen und Methodenansätze beizukommen.

Das es mit Design Thinking möglich ist, Wicked Problems zu lösen, liegt insbesondere an dessen drei Kerneigenschaften: Erstens findet man in DT-Teams Mitglieder, die auf verschiedene Wissensressourcen zurückgreifen können. Zweitens ermöglicht die im Prozess verankerte Nutzerorientierung das Erkennen von Fragestellungen, die zu Ideen und Innovationen inspirieren. Drittens arbeiten DT-Teams in relativ schnellen, iterativen Prozessschleifen. Hier werden Ideen schnell zu Prototypen verwandelt. Diese werden wiederum der Prüfung von Nutzern und Stakeholdern unterzogen. Das führt über schnellen Lernzyklen zu Verbesserungen.

Die interdisziplinäre Zusammenstellung der DT-Teams ermöglicht einen effektiven Umgang mit der Komplexität von Wicked Problems. Die inter- und transdisziplinäre Arbeitsweise erlaubt es den Teams nicht, die Komplexität dieser Probleme willkürlich zu reduzieren.

Interdisziplinär und integrativ

So wird vermieden, dass Lösungsansätze zu sogenannten "Unexpected Consequences" führen und damit dem Scheitern ausgesetzt werden. Roger Martin von der Rotmans School of Management nennt diese Art transdisziplinärer Arbeit "Integrative Thinking". Sie umfasst die Fähigkeit, verschiedene konkurrierende Ansätze, Modelle und Erklärungen so zu integrieren, dass effektive und innovative Problemlösungen entstehen. In dieser Weise suchen die Teams in den Widersprüchen und Ambivalenzen der Wicked Problems gezielt nach Lösungen.

Im Design Thinking sind Nutzer und Stakeholder die Inspirationsquelle für Innovationen. Das bedeutet, dass Design Thinking Teams das "integrative Denken" auf relevante Herausforderungen und Probleme konzentrieren können. Die Methoden der qualitativen Sozialforschung, insbesondere die Ethnographie, helfen den Teams zu verstehen, wie sich Wicked Problems im Alltag von Nutzern, Kunden und Stakeholdern manifestieren. Dadurch sind DT-Teams in der Lage, konkrete Fragen zu formulieren, die Räume für Innovationen eröffnen.

Durch den iterativen Gestaltungsprozess können Teams sich der Wissensunsicherheit komplexer Probleme zu stellen. Hierbei versuchen Teams nicht, die inhärenten Ambivalenzen und Unsicherheiten solcher Fragestellungen aufzulösen. Im Gegenteil: Gute DT-Teams erkennen, dass Wissen um komplexe Probleme unvollständig, risikobehaftet und wenig belastbar ist.

Innovationen aus dem Design-Thinking-Prozess sind immer provisorische Lösungsvorschläge. Ihre Richtigkeit oder Schlagkraft lässt sich niemals rein theoretisch oder konzeptionell herleiten. Der Wert ergibt sich immer nur aus der Auseinandersetzung mit Nutzern, Kunden und Bürgern.

Deswegen wandeln DT-Teams ihre Ideen rasch in Prototypen um. Diese werden von Nutzern eingehend kritisch geprüft und getestet. Die Erkenntnisse dieser Nutzertests fliessen dann wieder in den Design Thinking Prozess ein. Ideen und Innovationen sind daher immer nur Hypothesen, die es in der Gegenüberstellung mit der Realität zu prüfen gilt. Die Ambivalenzen und Unsicherheiten bleiben zwar bestehen, sind aber ein Teil des Innovationsprozesses.

Der Wert von Design Thinking für Data Analytics

Im Kontext von Data Analytics ermöglicht die Nutzerorientierung von Design Thinking, Einsatzfelder für die neuen Datentechnologie zu entdecken. Indem DT-Teams komplexe Probleme aus der Sicht von Nutzern darstellen, lassen sich relevante Ansatzpunkte finden, um Data Analytics sinnvoll und vor allem auch problemorientiert einzusetzen.

Die Methoden und Arbeitsweisen des Design Thinkings vermeiden die Risiken einer technologiegetriebenen Produktentwicklung. Konventionelle Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen hat sich oft von den Möglichkeiten bestimmter Technologien sowie deren Vermarktungspotenzial inspirieren lassen.

Allerdings läuft diese Strategie die Gefahr, Produkte zu entwickeln, die keine Nutzerprobleme lösen und daher keine Bedürfnisse befriedigen. Am Ende eines solchen teureren und langwierigen Prozesses steht oft ein Produkt, das keiner wirklich braucht. Die im Design Thinking übliche nutzerorientierte Forschung verringert dieses Risiko, in dem sie durch die Forschungsergebnisse darstellt, wie sich abstrakte Fragestelleungen als konkrete Herausforderungen und Probleme im Alltag der Nutzer darstellen. Diese Erkenntnisse bilden dann die Grundlage für eine problem- und bedürfnisorientierte Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen.

Fazit

Design Thinking erlaubt es Data-Analytics-Teams durch nutzerzentrierte Forschung, sogenannte 'wicked problems' aus Sicht von Stakeholder und Nutzern so darzustellen. Daher kann dann sich die Produktentwicklung entlang von Bedürfnissen und Problemen von Nutzern orientieren.

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