CIO Auf- und Aussteiger


Visionär und Unternehmer

Der Web-Meister

22.01.2007
Von Simon Hage

O'Reillys Geschäft sind Visionen, und davon hat er etliche. "Unsere Zivilisation steckt in einem Prozess der Selbstfindung", sagt er, "Dinge werden möglich, die vorher nicht möglich waren". Das Internet trage zur Entwicklung einer globalen Gesellschaft bei, "egal ob diese Entwicklung nun in 100 oder in 500 Jahren abgeschlossen ist."

"Computer werden halb menschlich"

In seiner Freizeit liest der pragmatische Visionär am liebsten historische Romane oder Science-Fiction. Zu seinen Lieblingsbüchern gehört die Mars-Trilogie von Kim Stanley Robinson. An Science-Fiction-Romanen gefallen ihm die Heldenfiguren, die Probleme von globaler Bedeutung lösen: "Man bekommt eine Vorstellung, wie man etwas verändern kann".

So verwundert es nicht, dass manche von O'Reillys Gedanken wie abenteuerliche Zukunftsgeschichten anmuten. Er ist fasziniert von der Idee der Verschmelzung von Mensch und Computer. Allerdings nicht im Sinne eines Cyborgs, einer Maschine mit menschlichen Zügen, sondern umgekehrt: "Wir haben die Computer erweitert, indem wir uns selbst zu Elementen des Computers gemacht haben".

Jahrelang habe man versucht, "Intelligenz in Systeme zu packen, die unabhängig von uns existieren können". Heute gehe es aber vielmehr darum, Applikationen durch eine gemeinsame menschliche Anstrengung zu erweitern: "Software entsteht aus einem dynamischen Prozess." Mit Hilfe vieler User werde Open-Source-Software ständig weiterentwickelt. Diesen Gedanken hatte O'Reilly bereits zuvor in seiner Rede aufgegriffen: "Unsere Computer werden halb menschlich".

Das Publikum lauschte gebannt. Vermutlich ist es die Kombination aus Schlichtheit und Fantasterei, die O'Reilly zu einem fesselnden Redner macht. "Die Entwicklung des Internets ist noch nicht abgeschlossen", prophezeite der Web-Guru. Nach einer Stunde beendete O'Reilly seine engagierte Rede. Er nahm seine altmodische, braune Ledertasche in die Hand und verließ die Bühne - um anschließend im halbdunklen Hinterzimmer weiter zu philosophieren. Wer die Welt verändern will, darf nicht rasten.

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