WEF 2024 – Microsoft-Chef Satya Nadella im Interview

"Intelligence at your fingertips"

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Angst vor Speed of Change

Schwab: Diese Geschwindigkeit führt auch zu Angst und Pessimismus. Wie können wir sicherstellen, dass wir es richtig machen? Hast Du einen Ratschlag?

Nadella: Für mich ist die Sache klar. Die vielleicht größte Lektion, die wir als digitale Technologiebranche im Zusammenhang mit KI gelernt haben, ist, dass wir bei jeder neuen Technologie nicht nur die Vorteile betrachten dürfen, sondern auch über die unbeabsichtigten Folgen nachdenken. Und zwar bevor sie eintreten. Das ist eine grundlegende Veränderung.

Zudem sind Sicherheit, Vertrauen, Gerechtigkeit wichtige Themen für alle Menschen auf der Welt. Für viele Branchen ist das keine neue Erkenntnis - für die Tech-Branche aber zum Teil schon. Wir müssen uns in dieser Situation stellen. Und wir dürfen es nicht der Industrie allein überlassen. Überall sei es in den USA, in Großbritannien oder in der EU kümmern sich Regierungen darum.

Wir brauchen Leitplanken

KI und die Tech-Industrie brauchen aus Sicht des Microsoft-Chefs Leitplanken.
KI und die Tech-Industrie brauchen aus Sicht des Microsoft-Chefs Leitplanken.
Foto: World Economic Forum/Faruk Pinjo

Es ist schön zu sehen, dass die Welt auf uns zukommt und sagt, wir brauchen neue Technologien. Und wir brauchen Leitplanken und Normen dafür, wie wir diese Technologie einsetzen. Ich denke, dass diese Kombination aus privater InnovationInnovation mit einem Ansatz, bei dem die Sicherheit an erster Stelle steht, sicherstellt, dass der breite gesellschaftliche Nutzen verstärkt und die unbeabsichtigten Folgen eingedämmt werden. Das ist der Weg in die Zukunft. Alles zu Innovation auf CIO.de

Schwab: In der derzeit zersplitterten Welt dürfte es schwer sein, globale Regeln zu entwickeln - und die wären sehr wichtig. Gibt es eine realistische Chance, dass wir etwas Ähnliches wie im Umweltbereich sehen, wo wir die COP oder die Internationale Energieagentur haben? Ist so etwas wünschenswert?

Globale Normen erforderlich

Nadella: Ja, das ist sehr wünschenswert. Es handelt sich um globale Herausforderungen, die globale Normen und Standards erfordern. Es scheint sich ein breiter Konsens abzuzeichnen, dass wir bei Large Foundation Models wirklich strenge Evaluierungsrichtlinien sowie Sicherheitsmaßnahmen und Leitplanken benötigen, bevor wir etwas Neues einführen. Zumindest in allen Hauptstädten, in denen ich bin, reden die Leute im Wesentlichen alle über das Gleiche. Wir können einen Konsens finden.

Schwab: Ich bin Ingenieur und habe Schwierigkeiten zu erfassen, was KI und insbesondere die neuen Formen wie GenAI wirklich sind. Verstehen Politiker wirklich KI und können Sie sie entsprechend regulieren?

Weniger Ehrfurcht zeigen

Nadella: Ich glaube, dass nichts unsere Fähigkeit übersteigt, Dinge richtig zu regeln. Ein der großen Lektionen der Geschichte ist, dass wir nicht so viel Ehrfurcht vor einer Technologie haben dürfen, dass wir meinen, wir könnten sie nicht kontrollieren. Dann können wir sie nicht zum Wohle unserer Gesellschaft einsetzen. In diesem Zusammenhang müssen sich unsere Politiker also einmischen - und das ist nicht der Fall. Es mag im Innern Hightech sein, aber es sollte verwaltbar sein und die Grundsätze der Verwaltung sollten klar sein.

Schwab: Ein anderer Ansatz wäre die Regulierung der Anwendungen. Welchem Ansatz ist zu bevorzugen?

Nadella: Wir benötigen beide Ansätze, da wir mit zwei unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert sind. So gibt es Risiken, die im Hier und Jetzt bestehen. Denken Sie etwa an Deep Fakes im demokratischen Prozess oder an Bioterrorismus. Diese Fragen müssen mit Vorschriften außerhalb des Anwendungsbereichs behandelt werden.

Anwendungen regulieren

Nadella ist davon überzeugt, dass KI eine Produktivitätsrevolution einläutet.
Nadella ist davon überzeugt, dass KI eine Produktivitätsrevolution einläutet.
Foto: World Economic Forum/Faruk Pinjo

Dann gibt es noch das existenzielle Risiko. Schließlich handelt es sich bei KI um eine sich selbst verbessernde Technologie. Wenn wir hier die Kontrolle verlieren, dann ist das ein existenzielles Problem. Um das zu verhindern, brauchen wir eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen und Vorschriften.

Schwab: Satya, als das Internet aufkam, argumentierten viele, dass es die Produktivität steigern werde. Wir erlebten dann träges Produktivitätswachstum. Wird KI uns positiv überraschen oder ebenfalls enttäuschen?

Nadella: Momentan gibt es aus meiner Sicht - inflationsbereinigt - kein Wirtschaftswachstum in der Welt. Einige Industrieländer haben negatives Wirtschaftswachstum. In einer solchen Welt brauchen wir einen neuen Input, und deshalb bin ich sehr optimistisch, dass KI die Allzwecktechnologie sein wird, die das Wirtschaftswachstum vorantreibt.

Produktivitätsrevolution

Nebenbei bemerkt, das letzte Mal, als wir wirkliches Wirtschaftswachstum sahen, war bei der Einführung des PCs. Er hat unsere Art zu arbeiten und unsere Geschäftsprozesse verändert.

Etwas ähnliches werden wir jetzt mit KI erleben, wenn sich die Copilots ausbreiten. Die Arbeit, die Arbeitsmittel und die Arbeitsabläufe werden sich grundlegend ändern. Das wird zu mehr wirtschaftlicher Leistung und zu einer wissenschaftlichen Beschleunigung führen. Ich denke wir stehen am Beginn einer Produktivitätsrevolution.

Das ungekürzte Interview finden Sie als Video "A Conversation with Satya Nadella and Klaus Schwab" auf der Website des Weltwirtschaftsforum.

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