Einzelhandel

IT macht Druck

Reppesgaard studierte in Hannover und arbeitete danach als Reporter und Moderator bei Hörfunk von Radio Bremen zu innen- und jugendpolitischen Themen und in den Bereichen Technologie und Wissenschaft. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg, seit 2001 arbeitet er mit Christoph Lixenfeld im druckreif Redaktionsbüro zusammen.
Mit Preisschlachten und Billigoffensiven versuchen Deutschlands Handelshäuser auch in Krisenzeiten gute Umsätze zu machen - und sind dabei mehr denn je auf scharf eingestellte Warenwirtschaftssysteme und auf ein reibungsloses Supply Chain Management angewiesen.

König Kunde kauft nur noch das Nötigste. Laut einer Untersuchung des Allensbach-Instituts stellt derzeit jeder dritte Bundesbürger größere Anschaffungen zurück. Und wenn man einkauft, dann so billig wie möglich, frei nach den Mottos: "Wir sind doch nicht blöd" und "Geiz ist geil" - allerdings nur für die Verbraucher. Ruinöse Preiskämpfe bescheren dem Einzelhandel laut Mercer Management Consulting eine fundamentale Krise. Deutsche Handelsunternehmen haben es schwerer denn je zu überleben. Sie arbeiten - anders als die US-amerikanische und britische Konkurrenz - seit Jahren ineffizient und wachsen langsamer als die Gesamtwirtschaft. Die mageren Margen in der Branche, die schon vor der Ramschwelle nur zwischen einem halben und anderthalb Prozent lagen, sind auf einen historischen Tiefststand gefallen; der Gesamthandelsumsatz sank 2002 um drei Prozent.

Doch es gibt auch Handelskonzerne, die trotz Krise zulegen. Klare Umsatzgewinner des vergangenen Jahres seien die Discounter, so das Frankfurter Beratungshaus M+M Eurodata: Lidl, Netto und Norma haben Kunden dazugewonnen, und Aldi als Klassenbester steigerte den Umsatz um satte 11,9 Prozent auf 21,6 Milliarden Euro. Auch der Umsatz der Elektronikmärkte Media-Markt und Saturn Hansa, beides Tochterunternehmen der Metro AG, wuchs zweistellig.

Erfolgskritische IT im Einzelhandel

Nach Meinung von Handelsexperten haben die CIOs der Retail-Riesen an diesen Erfolgen großen Anteil. Denn mithilfe kluger IT-Lösungen lassen sich die Preise drücken und gleichzeitig die entscheidenden Margenprozente herauskitzeln, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Gerade der Einsatz leistungsstarker Warenwirtschaftssysteme und ein smartes Supply Chain Management machen die genannten Unternehmen stark.

Die anglo-amerikanische Konkurrenz dient hier als Vorbild. Wal-Mart-Gründer Sam Walton fuhr früher von Supermarkt zu Supermarkt, um akribisch alle Einzelheiten über jedes Produkt, jeden Preis und jeden Konkurrenten seiner Märkte in Erfahrung zu bringen. Aus dem Impuls, das eigene Geschäft so gut wie möglich zu kennen, entstand bei Wal-Mart das vier Milliarden Dollar teure Warenwirtschaftssystem Retail Link. Die Datenbank der Zentrale in Bentonville im US-Bundesstaat Arkansas wird Nacht für Nacht mit den Verkaufszahlen aller Produkte sämtlicher Filialen gefüttert. Mehr als 200 Terabyte Einkaufsdaten lassen sich so nach geografischen oder demografischen Kriterien, Farben oder Packungsgrößen auswerten. Filialmanager nutzen die Datenbank, um zu sehen, ob sich etwa ein T-Shirt in Grün oder in Weiß besser verkauft, bestücken ihr Sortiment entsprechend und initialisieren automatisch Frachtorders. So stimmen die Angebote - und die Preise, denn hohe Prozesskosten fallen mit der digitalen Sortimentsteuerung, ganz ohne aufwendige telefonische Disposition, nicht an. Als ebenso vorbildlich gilt die Fähigkeit der britischen Supermarktkette Tesco, mit IT-Unterstützung die Preise schlank zu halten. Tesco operiert mit einem Kundenkartensystem, das eine gezielte Käuferansprache ermöglicht.

Zwar ist in Deutschland die bipolare Anbindung von Handelspartnern via EDI - statt über eine zentrale Handelsplattformen - weit verbreitet. In Sachen Supply Chain herrscht aber vielfach Nachholbedarf. "Die historisch gewachsene Systemlandschaft ist heterogen, arbeitet nicht vernetzt und blockiert an vielen Stellen wichtige Automations- und Effizienzsteigerungspotenziale", heißt es in einer Accenture-Studie. Und: "Wer sein Unternehmen nicht umfassend und zielgerichtet restrukturiert, wird über kurz oder lang von Innovationsführern aus dem In- und Ausland verdrängt."

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