Strategien


Mittelstands- und Branchenlösungen fehlen

Produktivität mit System

06.05.2002
Viele große Unternehmen bereiten sich auf firmenübergreifende Anwendungen vor und vereinheitlichen ihre ERP-Landschaft. Coca-Cola Deutschland arbeitet schon seit 1983 mit Standard-Software. Vorteil: Das gesamte ERP lässt sich auf die IT-Infrastruktur des US-Mutterkonzerns verlagern.

Softdrinks für den Massengeschmack verkaufen sich am besten mit Einheits-Software, das stand für Coca-Cola früh fest. Schon 1983 führte die deutsche Division SAPSAP ein. Seitdem dient in Sachen ERPERP (Enterprise Resource Planning) Standard-Software als Datenrückgrat. "Routinen für Buchhaltung, Personalwesen und Logistik erledigte ERP wesentlich effizienter als zuvor eine Fülle verschiedener Systemplattformen, Anwendungsprogramme und Eigenentwicklungen", sagt Frank Martin Bleckmann, CIO in der Essener Konzerntochter.

Diese Vorteile überzeugten Mitte der 90er-Jahre auch die Unternehmenszentrale in Atlanta. "Die Coca-Cola-Company wollte nicht mehr mit den unterschiedlichen Finanzprogrammen ihrer fast 200 weltweit tätigen Töchter zusammenarbeiten", sagt Bleckmann. "Schließlich trugen unsere Erfahrungen stark zur Company-Entscheidung für SAP R/3 und gegen andere ERP-Anbieter bei."

Coca-Cola steht mit der ERP-Einführung nicht allein. Zahlreiche international agierende Unternehmen vereinheitlichen ebenfalls konzernweit ihr ERP und setzen neue Software-Releases ein. Allerdings müssen viele von ihnen großen Aufwand betreiben, um ihre heterogene ERP-Landschaft zu integrieren. "Große Konzerne wie der Lebensmittelhändler Unilever investieren eine Menge, um alle ihre weltweit eingesetzten ERP-Installationen auf eine Integrationsplattform zu bringen", sagt Andreas Bitterer von der Meta Group. Eine Aufgabe, die bei Coca-Coca entfällt: Wenige zentrale Rechenzentren mit einheitlichen Systemen machen den ERP-Job für sämtliche Divisonen des roten Riesen.

Allein deutsche Unternehmen gaben nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Pierre Audoin Conseil (PAC) letztes Jahr 1,3 Milliarden Euro für Lizenzen, Wartung und Service von ERP-Software aus (2000: 1,2 Milliarden Euro). Dabei investierten Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern 700 Millionen, Firmen mit 250 bis 1000 Mitarbeitern 400 Millionen und Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeitern 200 Millionen Euro. Hinzu kommen 2001 noch Investitionen von insgesamt 3,8 Milliarden Euro für Beratung, Implementierung, Anpassung und Schulung (2000: 4,1 Milliarden Euro).
ERP der nächsten Generation

Geld, dass Unternehmen auch dafür ausgeben, um sich auf firmenübergreifendes E-Business vorzubereiten. Der HandelHandel über elektronische Marktplätze und Internet-Portale (B2B) soll an das ERP der nächsten Generation angebunden werden; die Gartner Group hat dafür den Namen ERP II geprägt. Analyst Bitterer: "Bei den Unternehmen wachsen die Geschäftsprozesse von ERP immer stärker mit denen von SCM (Supply Chain Management) und CRMCRM (Customer Relationship Management) zusammen. Die Grenzen dabei sind fließend, besonders durch die Initiativen bei der Anwendungsintegration."

Zwar bestätigt auch Dieter Pfaff, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters RAG Informatik, diesen Trend: "Nachdem ERP-Software die firmeninternen Abteilungsgrenzen überwunden hat, sprengt das ERP der nächsten Generation die Unternehmensgrenzen." Doch nennt er auch gleich den Grund, warum diese Entwicklung noch am Anfang steht: "Technisch ist das erst jetzt ausgereift. Die Infrastruktur der Rechenzentren muss aus Gründen der Datensicherheit jedoch noch stark umgebaut werden."

So schicken auch die neun deutschen Coca-ColaKonzessionäre alle für Logistik, Verkauf und Marketing wichtigen Daten noch über die selbst entwickelte Software-Basis oder andere Programme an die deutsche Zentrale. Zudem erledigen sie die Geschäfte mit nationalen Großkunden in der gemeinsamen Verkaufsgesellschaft CCDV über eine spezielle SAP-R/3-Lösung. Und auch der Berliner Lizenznehmer CCE, mit dem Coca-Cola Essen im Unterschied zu den acht unabhängigen Konzessionären einen Beherrschungsvertrag besitzt, arbeitet mit einem eigenständigen SAP-R/3-System.

Analyst Jean-Christian Jung vom Marktforscher PAC sieht firmenübergreifende ERP-Anwendungen deshalb kritisch: "Selbst wenn der Trend der Anbieter in Richtung einer 100-prozentigen Vernetzung geht, macht dies betriebswirtschaftlich oft keinen Sinn, vor allem im Mittelstand."

Kollege Bitterer von der Meta Group hält es ebenfalls für unwahrscheinlich, dass übereinstimmende ERP-Systeme Unternehmen bei der Kooperation besonders unterstützen: "Der meiste firmenübergreifende Datentransfer findet noch immer über offene Standards wie Edi, XML oder Soap statt. Gleiche ERP-Lösungen zwischen Lieferant und Unternehmen bringen deshalb nur bedingt Vorteile."

Schnellere und effizientere Analysen

Coca-Cola sieht denn auch die Vorteile zunächst innerhalb des Konzerns. "Mit der einheitlichen ERP verschafft sich die US-Zentrale einen schnelleren Überblick der weltweiten Geschäfte, weil Daten nicht mehr aufwendig angefordert und konsolidiert werden müssen", so Klaus Hemmersbach, Director Business Systems Integration in Essen. "So lassen sich Ergebniskonsolidierungen und Analysen schneller und effizienter umsetzen."

Vor dem täglichen globalen Einsatz stand eine gut durchdachte Einführung von ERP, bei der alle Beteiligten zusammenarbeiteten. Die deutsche Division brachte ihre langjährigen SAP-Erfahrungen in den internationalen Roll-out der Company ein. "Wichtig für die Akzeptanz vor Ort war, dass alle Verantwortlichen aus Marketing und IT beteiligt wurden", sagt Bleckmann. "Das war kein rein technisches Projekt, sondern eine Business-Einführung."

Nebenbei entledigte sich die deutsche Division der gesamten Technik, indem sie die konzernangepasste Standard-ERP-Lösung einsetzt; das komplette System läuft auf der Infrastruktur in Atlanta. Die übrige IT der deutschen Tochtergesellschaft wurde an den Dienstleister EDS übergeben. So wird das IT-Management in Essen nun von einem kleinen Team unter der Leitung von Bleckmann und Hemmersbach erledigt.

Damit sind die beiden eine Art Helden für Outsourcing-Anbieter wie die SAP-Tochter SI. Dort zeigt man sich zuversichtlich, was den Trend zum ERP-Outsourcing angeht. "In Summe ist das Geschäftsfeld OutsourcingOutsourcing und Application Support bei uns im Jahr um 300 Prozent gestiegen", sagt Vorstandsvorsitzender Ulrich Assmann und gibt als Faustregel aus: "ERP sollten alle Unternehmen auslagern, die in verschiedenen Zeitzonen arbeiten oder rund um die Uhr Service brauchen. Besonders Firmen mit weniger als 1000 SAP-Arbeitsplätzen können vom Suppport der Outsourcing-Anbieter profitieren."

Die ganz große Hoffnung setzt die ERP-Anbieterzunft jedoch in den Mittelstand; hier vermutet sie enormen Nachholbedarf bei der Einführung moderner, E-Business-fähiger ERP-Systeme. Die bisherigen Angebote, etwa R/3 oder My SAP Basis, waren zu teuer und komplex für Unternehmen, deren Informationsverarbeitung nur als Werkzeug dient. Die nächste Software-Generation, allen voran das Produkt der jüngsten SAP-Tochter Top Manage sowie Microsofts Great-Plains-Paket, soll die Ansprüche des Mittelstands erfüllen - kostengünstig, verfügbar und stabil zu sein. Die Chancen sind gut, dass die Anbieter damit Erfolg haben, glaubt August-Wilhelm Scheer, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender des IT-Dienstleisters IDS Scheer: "Der Mittelstand braucht neue ERP-Lösungen, weil die alten Anwendungen am Ende sind."
Standard von Eigenentwicklungen befreit

Zudem kostet die Weiterentwicklung eigener ERPSoftware, aber auch komplexer Konzernpakete auf Standardbasis sehr viel Geld. Das war der Grund, warum sich die CCDV, das Gemeinschaftsunternehmen der Coca-Cola-Lizenznehmer, für eine Standardlösung entschied. Den Ausschlag für die Wahl von SAP für die Erledigung der Abrechnungen gab die Zusage des Walldorfer Software- Hauses, die Besonderheiten dieser Lösung anschließend in den SAP-Standard zu übernehmen. So war die CCDV nicht gezwungen, eine eigene Software zu entwickeln.

Bis zu Gründung der CCDV hat die Coca-Cola-Zentrale in Essen die Abrechnungen für die Konzessionäre mit einer eigenentwickelten Software erledigt. Weil dieses Programm nicht mehr weitergeführt werden musste, sparte man Kosten und Ressourcen. "Das ermöglicht uns eine noch bessere Konzentration auf das Kerngeschäft", so Bleckmann. "Wir sind ein Softdrink-Unternehmen und kein Software-Unternehmen." Alles zu CRM auf CIO.de Alles zu ERP auf CIO.de Alles zu Outsourcing auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de Top-Firmen der Branche Handel

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