Höhere Preise und Cloud-only

SAP-Kunden verlieren das Vertrauen

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Ärger auch in Großbritannien und Irland

Der Ärger der Anwender ist kein auf Deutschland begrenztes Phänomen. Auch in Großbritannien und Irland sind die SAP-Kunden sauer, berichtet The Register. "Im Jahr 2020 kündigte SAP an, dass sie ihr Innovationsversprechen für SAP S/4HANA bis 2040 verlängern würde", zitiert das IT-Nachrichtenportal Paul Cooper, Chairman der UK & Ireland SAP User Group (UKISUG). "Die Verpflichtung galt damals für alle Kunden, nicht nur für die in der Cloud."

Cooper zufolge sei die einzige Möglichkeit für On-premises-Kunden, neue Innovationen zu erhalten, die Nutzung der SAP Business Technology Platform (BTP). Doch das führe zu einer doppelten Belastung, da die Wartungsgebühren zur Finanzierung von Produktinnovationen verwendet würden, während die Nutzer für die BTP auch noch separat zahlen müssten.

Cloud-Kunden könnten stattdessen automatisch auf Innovationen zugreifen, ohne für BTP zu bezahlen, moniert der Anwendervertreter von der Insel. Es bestehe die Gefahr, dass ein zweigeteiltes Produktinnovationssystem zwischen Cloud- und On-Premise-Kunden entsteht. Cooper fordert, dass SAP mehr tun müsse, um alle Kunden gleichermaßen zu unterstützen.

S/4HANA-Migrationen auf dem Prüfstand

Die Diskussion kommt für SAP zu einer Unzeit. Mit seinen Steigerungsraten und dem Ausblick für das weitere Cloud-Geschäft konnte der Softwarekonzern zuletzt nicht die hohen Erwartungen der Börse erfüllen. Dazu kommt, dass viele Unternehmen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten IT-Projekte auf den Prüfstand stellen und genau auf ihren Return on Investment (RoI) abklopfen - die teuren S/4HANA-Migrationen zuallererst. Zudem wird vielen Unternehmenslenkern mehr und mehr klar, dass die Cloud gerade hinsichtlich der damit verbundenen Kosten und hohen Komplexität nicht immer das beste Betriebsmodell für ihre IT-Infrastrukturen sein muss.

SAP-CEO Christian Klein steckt in einer Zwickmühle: Die Börse verlangt nach besseren Cloud-Geschäften, doch die eigenen Kunden wollen nicht so recht mitziehen.
SAP-CEO Christian Klein steckt in einer Zwickmühle: Die Börse verlangt nach besseren Cloud-Geschäften, doch die eigenen Kunden wollen nicht so recht mitziehen.
Foto: SAP SE

Ein Dilemma für SAP. Der Konzern muss liefern, was sein Cloud-Geschäft betrifft, darf aber auch seine zögerlichen und skeptischen Kunden nicht verprellen. Leo Apotheker hatte vor 15 Jahren viel Porzellan zerschmissen. Seine Nachfolger Bill McDermott und Jim Hageman Snabe brauchten Jahre, das verlorengegangene Vertrauen wiederherzustellen. Christian Klein war mit vielen Vorschusslorbeeren als SAP-CEO angetreten. Die Hoffnungen ruhten darauf, dass eine neue, junge Manager-Generation in Walldorf den Weg für die Anwender in ein neues IT-Zeitalter ebnet.

Hasso Plattner macht den Weg frei: SAP steht vor einer Zeitenwende

Doch dieser Weg verläuft allem Anschein nach holprig. Der Net Promotor Score, ein Index für die Kundenzufriedenheit, war bei SAP im vergangenen Jahr deutlich eingebrochen. Zuletzt veröffentlichte der Konzern gar keine Zahlen mehr dazu. Man müsse diese Metrik grundsätzlich neu justieren, hieß es dazu. Klein muss aufpassen, dass mühsam zurück erkämpfte Vertrauen seiner Klientel nicht wieder zu verspielen. Sonst ergeht es ihm wie einst Apotheker.

Korrektur: In einer ersten Version des Artikels hieß es, dass SAP mit der Preiserhöhung bei der Wartung fast 600 Millionen Euro mehr im Jahr verdienen würde. SAP weist richtigerweise darauf hin, dass der Wert von fünf Prozent Wert nicht pauschal angeführt werden könne, da es eine Vielzahl an Ländern gebe, bei dem der jeweilige Index unter fünf Prozent liegt – Kunden zahlten dort nur den von den jeweiligen Regierungen / staatlichen Stellen veröffentlichen Prozentsatz. Dieser liege in den USA beispielsweise bei drei Prozent. Wir haben den Passus im Artikel korrigiert.

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