Volkswirte sind sich einig

Teil-Lockdown ohne viel Einfluss auf Wirtschaftsleistung

29.11.2020
Der Teil-Lockdown wird der deutschen Wirtschaft in ihrer Gesamtheit kaum bleibenden Schaden bescheren. Die Herausforderung: Die betroffenen Betriebe müssen über Wasser gehalten werden.
Das weitgehend geschlossene Gastgewerbe fällt nicht stark ins Gewicht. Es hat nur einen Anteil von 1,6 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland.
Das weitgehend geschlossene Gastgewerbe fällt nicht stark ins Gewicht. Es hat nur einen Anteil von 1,6 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland.
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Der verlängerte Teil-Lockdown in Deutschland wird nach Auffassung von Volkswirten führender Finanz- und Forschungsinstitute kaum gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft in der Bundesrepublik haben. Die hauptsächlich betroffenen Branchen wie Gastronomie, die Kulturszene oder die Verkehrsbranche hätten einen vergleichsweise geringen Anteil an der Bruttowertschöpfung, sagte die "Wirtschaftsweise" und Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen, Veronika Grimm.

So habe das derzeit weitgehend geschlossene Gastgewerbe einen Anteil von 1,6 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung - die gegenwärtig vergleichsweise gut laufende IndustrieIndustrie dagegen einen Anteil von rund 25 Prozent und der ebenfalls geöffnete Einzelhandel von um die 10 Prozent. "Die Wirtschaft wird dadurch nicht stark einbrechen. Es kommt jetzt darauf an, die betroffenen Betriebe gut durch die Krise zu bringen", sagte Grimm in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb seien die Milliarden-Ausgaben von Bund und Ländern für Hilfsprogramme gerechtfertigt. Top-Firmen der Branche Industrie

Ein längerer Konjunkturwinter

Auch Katharina Utermöhl, Volkswirtin bei der Allianz-Gruppe in Frankfurt, geht von einer nur leichten negativen Wirkung des Teil-Lockdowns aus, was auch für die Situation auf dem Arbeitsmarkt gelte. "Der zweite Lockdown wird hier keine nennenswerten Auswirkungen haben", sagte sie mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen. Die Bundesagentur für Arbeit wird ihre November-Statistik an diesem Dienstag (1. Dezember) bekanntgeben.

"Wir glauben aber auch, dass es ein längerer Konjunkturwinter wird", sagte Utermöhl. Die wirtschaftliche Erholung im nächsten Jahr werde erst einsetzen, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen gegen Covid-19 geimpft worden sei. Nach einem Minus von sechs Prozent im laufenden Jahr rechnet Utermöhl 2021 mit einem Anstieg des Bruttoinlandprodukts (BIP) von nur 2,5 Prozent. "Kräftiger Rückenwind ist erst ab Mitte des kommenden Jahres zu erwarten, wenn ein Großteil der Risikobevölkerung geimpft sein wird", sagte sie.

"Durch den Lockdown Light wird das Bruttoinlandsprodukt erneut schrumpfen, allerdings weit weniger stark als im Frühjahr", betonte auch Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatseigenen Bankengruppe KfWKfW. "Die Zahl der Arbeitslosen könnte sich durch die Betriebsschließungen um etwa 100.000 erhöhen, die Zahl der Kurzarbeiter vorübergehend um bis zu einer halben Million", sagte sie. Betroffen seien vor allem Geringqualifizierte, Minijobber und Beschäftigte im unteren Einkommensbereich. Top-500-Firmenprofil für KfW

Übliche Herbstbelebung bleibt aus

Marc Schattenberg, Volkswirt bei der Deutschen Bank, glaubt an ein kräftigeres Wachstum von 4,5 Prozent im kommenden Jahr. Allerdings sieht auch er die Anwendbarkeit eines Impfstoffes als entscheidend an. Insgesamt sei die gegenwärtige Situation nicht vergleichbar mit der im Frühjahr, als etwa Grenzen zu Nachbarländern geschlossen werden mussten und internationale Lieferketten unterbrochen waren. Schattenberg warnt aber auch vor zu viel Gelassenheit. "Von einer sonst üblichen Herbstbelebung kann in diesem Jahr keine Rede sein", sagte er. Dem Arbeitsmarkt fehlten die Jobs für Saisonarbeiter.

Trotz der wegen der Corona-Hilfen für Wirtschaft und Privatleute höher als geplant ausfallenden Staatsschulden sehen die Experten keine problematische Situation für die deutschen Staatsfinanzen heraufziehen. "Aktuell ist die finanzpolitische Lage so, dass die Tragfähigkeit der öffentlichen FinanzenFinanzen überhaupt nicht in Frage steht", sagte die "Wirtschaftsweise" Grimm. Die Staatsverschuldung werde zwar vermutlich erst in zehn Jahren wieder Vorkrisenniveau erreichen, sagte Utermöhl. Dies sei aber verkraftbar - vor allem dann, wenn die Politik bei der Refinanzierung nicht ausschließlich auf höhere Steuern, sondern auch auf mehr Wachstum setze. (dpa/rs) Top-Firmen der Branche Finanzen

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