Enterprise Architecture

Wie Beiersdorf und Dr. Oetker EAM einsetzen

Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.
Eine neu verstandene Enterprise Architecture verzahnt Business- und IT-Strategien noch enger. Wie das funktionieren kann, zeigen zwei prominente Beispiele.
"Wir hatten wenige strategische Synergien in der IT und einen relativ geringen Beitrag von EAM im digitalen Transformationsprozess", sagt Melanie Czink, Head of Enterprise Architecture bei Beiersdorf
"Wir hatten wenige strategische Synergien in der IT und einen relativ geringen Beitrag von EAM im digitalen Transformationsprozess", sagt Melanie Czink, Head of Enterprise Architecture bei Beiersdorf
Foto: Beiersdorf

Je größer die anstehenden Veränderungen in den Unternehmen, desto stärker setzen sie auf Enterprise Architecture Management (EAM). Unter IT- und Business-Verantwortlichen wächst die Einsicht, dass die Enterprise Architecture mit ihrem Methoden-, Architektur- und Technologie-Know-how einerseits sowie mit ihrem Prozess- und Business-Verständnis andererseits ideal positioniert ist, um den digitalen Change zu begleiten. Zwei Mitglieder des Cross-Business-Architecture Lab (CBA Lab) zeigen am Beispiel der Großunternehmen BeiersdorfBeiersdorf und Dr. OetkerDr. Oetker, wie sich die Herangehensweise in Sachen EA verändert. Top-500-Firmenprofil für Beiersdorf Top-500-Firmenprofil für Dr. August Oetker KG

Ein Unternehmen müsste agieren können wie ein großer Vogelschwarm, der auf plötzlich auftauchende Hindernisse und Gefahren mit schnellen Richtungswechseln in perfektem Formationsflug reagiert. Dabei geht der ursprünglich eingeschlagene Kurs nicht verloren. Eine moderne Enterprise Architecture kann auch komplexen Organisationen zu dieser im digitalen Zeitalter so nötigen Agilität und Flexibilität verhelfen. Diese treffende Beschreibung stammt von Gordon Cooper, Director of Services and Customer Success beim Softwareanbieter MEGA North America.

In der Realität arbeiten Unternehmen hart an diesem Zielbild, sind aber unterschiedlich nah dran. In Sachen "neues EA-Bewusstsein" haben sich auf dem Weg zu solchem "Schwarmverhalten" in den letzten Jahren - vorangetrieben durch die Anforderungen der DigitalisierungDigitalisierung und zum Teil auch durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie - mehrere Erkenntnisse durchgesetzt, die von Beratern, Anwendern, der Gartner Group und auch dem CBA Lab formuliert wurden. Ihnen gemein ist, dass sie sehr gut ein Bild beschreiben, dass die Mitglieder des CBA Labs heute im "neuen EA Bewusstsein" sehen: Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

  • Business Outcome statt Prozessoptimierung - Dahinter steht die Erkenntnis, dass die EA nur dann wirken kann, wenn sie einen direkten Beitrag zum Erreichen der Geschäftsziele liefert. Das heißt unter anderem, sie muss auch Kriterien entwickeln, die diesen Beitrag messen können. Und sie muss sich mit Business Assets genau so intensiv beschäftigen wie mit IT-Assets.

  • Konzentration auf das Gesamtunternehmen statt auf IT - Enterprise Architecture als Unternehmens- und nicht als IT-Funktion ist bereits eine alte Forderung (eigentlich bereits, seit es Enterprise Architecture gibt). Allerdings wird sie erst in jüngerer Vergangenheit außerhalb der EA-Community ernst genommen. Die Unternehmensführungen haben inzwischen erkannt, dass die digitalisierungsbedingten, teilweise radikalen Veränderungen nur realisiert werden können, wenn eine Konversionsschicht Brücken baut, um Geschäftsstrategie und Technologie miteinander zu verbinden. Diese Zwischenebene ist die Enterprise Architecture.

  • Beratung statt Kontrolle - Die schnelle Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Prozesse hat es nötig gemacht, dass Enterprise-Architekten deutlich früher in die Veränderungsprozesse involviert sind, in agilen Umgebungen teilweise sogar als Mitglieder von Entwicklungs- und Projektteams. Schon beim Entstehen von Piloten und Minimal Viable Products beeinflussen sie Architekturentscheidungen.

  • Leitplanken statt Command and Control - Durch die Vielzahl paralleler Entwicklungen wäre die Architektur ein klarer Flaschenhals, wenn sie jedes Projekt mit detaillierten Vorgaben versehen würde. Heute werden deshalb Leitplanken installiert, die die Richtung vorgeben, aber die Einzelentscheidung innerhalb der vorgegebenen Rahmen den Teams überlassen.

  • Architekturskizze statt festgefügter Plan - Auch dieser Paradigmenwechsel ist der Veränderungsgeschwindigkeit der VUCA-Welt geschuldet. Pläne werden schnell zu Makulatur und sind schwieriger anzupassen, als neue Skizzen anzufertigen.

  • Konzentration auf Future State statt auf As-it-is State - Die Enterprise Architecture hat erkannt, dass sie von der Führungsebene (in Geschäft und IT) am besten akzeptiert wird, wenn sie sich mehr auf Veränderungsgestaltung und Begleitung konzentriert als auf die Beschreibung des Status Quo. Selbstverständlich ist letzterer wichtig, um sich weiterzuentwickeln, aber die Erfassung des Istzustands ist eher eine Wegmarke als ein Ziel.

  • Menschen- statt System-fokussiert - Diese Perspektive ist im Cross-Business-Architecture Lab 2021 erarbeitet worden. Sie besagt im Grunde, dass sich Enterprise Architecture in Unternehmen viel leichter verankern lässt und die Leitplanken der EA viel schneller akzeptiert werden, wenn die Entscheidungsträger in IT und Business in die Architekturentwicklung involviert sind und für die Architektur in ihren Bereichen Verantwortung übernehmen. Damit bekommen Communities eine Rolle zur Umsetzung der Enterprise Architektur.

Unternehmen, die im Cross-Business-Architecture Lab organisiert sind, arbeiten gemeinsam daran, EA in einem neuen Bewusstsein wie oben beschrieben auszuprägen und dementsprechend einzusetzen. Und zwar so, wie es zum einzelnen Unternehmen am besten passt. Die Beispiele Dr. Oetker und Beiersdorf zeigen, wie es funktionieren kann:

Dr. Oetkers Enterprise Architecture soll dezentral arbeiten

Die Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG als Unternehmen mit mehr als 40 Landesgesellschaften, einer zentralen IT-Organisation, einem Digitaldienstleister in Berlin und einem partnerschaftlich verbundenen Rechenzentrumsbetreiber setzt seit 2018 verstärkt auf EAM. Ursprünglich von der IT initiiert und von der Geschäftsführung unterstützt, um Transparenz in die IT-Anwendungslandschaften zu bringen und sie zu harmonisieren, ist das Architekturdenken im Konzern mittlerweile umfassender geworden.

Die Transparenz ist inzwischen durch ein zentrales Repository, das mit dem BPM-Tool verknüpft ist, weitgehend vorhanden. Doch nun will das Enterprise-Architecture-Team mehr erreichen. Es geht ihm auf der einen Seite um Planung und Governance, auf der anderen Seite aber auch um ein möglichst gutes Zusammenspiel zwischen Business und IT. Das soll letztlich dabei helfen, die zum Teil widersprüchlichen Interessen zwischen lokalen Einheiten und dem Gesamtunternehmen auszugleichen.

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