Strategien


HUK-Coburg und Swiss Life

Wie Versicherungen ihre IT transformieren

Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Daniel Thomas, IT-Vorstand der HUK-Coburg, und Lothar Engelke, CIO von Swiss Life Deutschland, erklären, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Business und IT verändert.
Daniel Thomas, Vorstand für Betriebsorganisation, Digitale Services und IT bei der HUK-Coburg: "Der Anteil der agil gesteuerten und geplanten Vorhaben wird zunehmen, weil sich die Reaktionszeit auf Marktgegebenheiten verkürzt."
Daniel Thomas, Vorstand für Betriebsorganisation, Digitale Services und IT bei der HUK-Coburg: "Der Anteil der agil gesteuerten und geplanten Vorhaben wird zunehmen, weil sich die Reaktionszeit auf Marktgegebenheiten verkürzt."
Foto: Huk-Coburg

Wie sieht die IT-Organisation der Zukunft aus? Welche Zusammenarbeitsmodelle mit Fachabteilungen bewähren sich in der Praxis und wie weit sind Unternehmen beim Einführen agiler Methoden? Mit solchen Fragen beschäftigt sich eine qualitative Studie der Beratungsfirma Kobaltblau Management Consultants, an der auch IT-Chefs großer VersicherungsunternehmenVersicherungsunternehmen teilnahmen. "Die IT der Zukunft wird noch stärker mit dem Business verbunden sein als heute", sagt etwa Lothar Engelke. "Eine komplette Verschmelzung beziehungsweise Produkt-IT sehe ich für Swiss Life nicht." Top-Firmen der Branche Versicherungen

Für einen Versicherer sei es nicht angemessen, den agilen Begriff der Produktorientierung zu verwenden, weil der Begriff ´Produkt´ traditionell anders besetzt sei. Deshalb arbeiteten bei Swiss Life auch keine Product-, sondern Solution-Teams. Engelke rechnet noch für eine längere Zeit mit einem hybriden IT-Organisationsmodell, also einer "Kombination aus virtuellen End-to End-Teams, je nach Applikations- oder Prozessbereichen". Dafür gebe es Gründe: "Im Unternehmen gibt es noch eine ganze Reihe von Anwendungssystemen, die in ihrem Grundmuster eine rein agileagile Vorgehensweise schwierig machen." Alles zu Agile auf CIO.de

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Daniel Thomas, Vorstand für Betriebsorganisation, Digitale Services und IT bei der HUK-Coburg. Man müsse genau prüfen, wo welches Modell Vorteile bringe: "Bereiche, die Trends und großen Unsicherheiten unterliegen, sind prädestiniert für eine Ende-zu Ende-Produktverantwortung. Hier müssen Teams - egal ob virtuell oder fest zugeordnet - möglichst autark, autonom und schnell arbeiten."

Der oft zitierte Citizen Developer, der mit Hilfe von Low-Code- oder No-Code-Plattformen eigene Anwendungen erstellt, könne zwar bei bestimmten Problemen für eine Entlastung der IT sorgen, so Thomas. "Ein Bestandsführungssystem lässt sich aber damit nicht realisieren. Die Frage nach No-Code oder Low-Code stellt sich auch dann nicht, wenn die Fachseite sich über die Lösung eines Problems noch gar nicht im Klaren ist."

Swiss Life: 40 Prozent der IT-Kosten kommen aus Fachbereichen

Bei Swiss Life kommen bereits 40 Prozent der IT-Aufwendungen nicht aus dem Budget des CTO, sondern aus den Fachbereichen, berichtet Engelke. Die Gefahr einer Schatten-ITSchatten-IT sieht er dabei nicht. Swiss Life Deutschland setze bewusst auf "individuelle Datenverarbeitung", kurz IDV. Diese werde nicht von der IT verantwortet. Der Manager nennt ein Beispiel: "Für das gesamte Finanzwesen kommen die SAP-Systeme der Konzerngruppe aus der Schweiz zum Einsatz - mit Schnittstellen zu unserer IT. Die Verantwortung dafür hat in Deutschland der CFO. Er arbeitet mit der IT in der Schweiz zusammen und steuert sie auch bei der Bereitstellung von SAP-Services." Alles zu Schatten-IT auf CIO.de

Lothar Engelke, CIO von Swiss Life Deutschland: "Die IT der Zukunft wird noch stärker mit dem Business verbunden sein als heute. Eine komplette Verschmelzung beziehungsweise Produkt-IT sehe ich für Swiss Life nicht."
Lothar Engelke, CIO von Swiss Life Deutschland: "Die IT der Zukunft wird noch stärker mit dem Business verbunden sein als heute. Eine komplette Verschmelzung beziehungsweise Produkt-IT sehe ich für Swiss Life nicht."
Foto: Swiss Life Deutschland

Entscheidend für das Funktionieren dieses Modells seien die Governance-Prozesse: "Wenn ein Fachbereich individuelle Lösungen nutzt oder weiterentwickeln möchte, dann muss er das ´Plattform Governance Board´ informieren, in dem IT und Fachbereiche vertreten sind." Gemeinsam werde dann entschieden, ob die Lösung im Sinne der Gesamtlandschaft die Richtige ist.

HUK-Coburg: Abteilung Digital Services drückt aufs Tempo

Um Kunden schneller neue digitale Lösungen anbieten zu können, hat die HUK-Coburg die Abteilung "Digital Services" (DS) aufgebaut. Ihre Aufgabe ist die Entwicklung digitaler Dienste für Kunden gemeinsam mit den Business-Verantwortlichen. Dazu gehören etwa Websites und Apps wie die Telematik-Dienste des Versicherers. Das Besondere dabei: Die Einheit hat keine Business-Verantwortung, wie Thomas betont. Sie stelle lediglich Skills und Verfahren bereit: "Der Product Owner sitzt auf der Business-Seite, die die Fach-Skills beisteuert. Product Owner und Digital Service Owner bilden ein Tandem."

Die Coburger orientieren sich dabei auch am Organisationsmodell des Streaming-Anbieters Spotify, der je nach Anforderung oder Projekt virtuelle Teams aufstellt. "In der Abteilung DS kann beispielsweise die Zahl der digitalen Serviceteams variieren", erläutert der HUK-Coburg-CIO. Die Teams würden dynamisch und entsprechend der notwendigen Fähigkeiten organisiert. Über einen gewissen Zeitraum blieben sie konstant, damit sich die Mitglieder kennenlernen und Prozesse sich einspielen könnten.

Dennoch gibt es bei der HUK-Coburg nach wie vor die klassische IT, räumt Thomas ein: "Der Bereich digitale Services als Abteilung ist eingebettet in ein ansonsten auf dem klassischen Plan-Build-Run-Ansatz organisierten IT-Ressort." So gibt es beispielsweise Schnittstellen zur Anwendungsentwicklung und zur Betriebsorganisation, zu der unter anderem das Business IntelligenceBusiness Intelligence Center gehört. Das Idealbild aus Sicht des CIOs: "Für den Entwickler in der Abteilung DS macht es keinen Unterschied mehr, ob er sich eine Entwicklungsumgebung aus der Amazon Cloud oder aus der internen Cloud zusammenstellt. Das sollte möglichst per Selfservice und automatisiert erfolgen." Alles zu Business Intelligence auf CIO.de

Bei Swiss Life Deutschland will CIO Engelke sämtliche Anwendungssysteme sowohl in der Entwicklung als auch im Betrieb kontinuierlich und stabil von einem Team betreuen lassen: "Um das umzusetzen, ist die gesamte Anwendungslandschaft Teams zugeordnet. Das heißt: In der Regel ist ein Team nicht für eine Anwendung zuständig, sondern eher für ein Produkt- oder Anwendungscluster." Diesem Team stehe ein Product-Owner vor, der immer aus den Fachbereichen komme.

Stirbt der klassische Demand Manager aus?

Mit den organisatorischen Maßnahmen in der IT verändert sich auch das Demand Management. "In Teilen wird die Rolle des Demand Managers der Product Owner übernehmen", erwartet Thomas von der HUK-Coburg. Der Business Lead liege dann auf der Fachseite. Der Product Owner solle Anforderungen aus den verschiedenen Fachbereichen bündeln, gemeinsam mit diesen eine Priorisierung vornehmen und festlegen, was im nächsten Sprint zu tun ist.

Den Löwenanteil mache konzernweit aber noch das klassische Anforderungs-Management aus, das eher dem Wasserfall-Modell folge. Das aber werde sich über kurz oder lang ändern, glaubt der CIO: "Der Anteil der agil gesteuerten und geplanten Vorhaben wird zunehmen, weil sich die Reaktionszeit auf Marktgegebenheiten verkürzt. Dafür müssen beide Systeme optimal aufeinander abgestimmt sein."

Profil Lothar Engelke, Swiss Life Deutschland

Lothar Engelke, Jahrgang 1966, studierte Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Dortmund. Im Anschluss an sein Studium übernahm er Verantwortung als Projektmanager bei IBM Deutschland. Seine berufliche Laufbahn in der Versicherungsbranche begann er 1997 bei AXA Deutschland in leitender Funktion im Architekturmanagement. 2002 wurde er zum Mitglied der Geschäftsführung der AXA Technologie Services ernannt. Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker wurde 2004 Mitglied der Geschäftsführung der Gothaer Systems GmbH. Nach rund sechsjähriger Tätigkeit in dieser Position wechselte Engelke 2010 in den Ergo-Konzern als Mitglied der Geschäftsführung der Itergo GmbH. Seit 1. Juli 2019 ist er Chief Technology Officer (CTO) bei Swiss Life Deutschland.

Profil Daniel Thomas, HUK-Coburg

Daniel Thoms - Jahrgang 1976 - studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe. Er begann seine berufliche Laufbahn 2002 bei der HUK-Coburg. 2011 wurde er Leiter der Abteilung Kraftfahrt Betrieb, 2014 Generalbevollmächtigter der HUK-Coburg und gleichzeitig stellvertretendes Vorstandsmitglied der HUK24. Seit Januar 2016 ist Daniel Thomas Mitglied der Vorstände der HUK-Coburg VersicherungsgruppeHUK-Coburg Versicherungsgruppe, zuständig für die Bereiche Betriebsorganisation, Informatik Anwendungsentwicklung und Betrieb sowie Digitale Services. Top-500-Firmenprofil für HUK-Coburg Versicherungsgruppe

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