Neues Berufsbild?

Wer braucht einen Chief Artificial Intelligence Officer (CAIO)?

Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

Vom CTO zum CAIO

Aufgrund der fachlichen Nähe und geringen Verfügbarkeit von vergleichbarer Expertise findet man momentan häufig ehemalige CTOs und CIOs in leitenden KI-Positionen, aber auch ein Hintergrund als Data Scientist oder in Computerlinguistik (= Schnittstelle zwischen Computertechnologie und menschlicher Sprache) werden immer begehrter. Außerdem sind Change-Kompetenzen unerlässlich, da KI an vielen Stellen völlig neu etabliert werden muss. Frustrationstoleranz, Fingerspitzengefühl, Charisma, Leidenschaft und nicht zuletzt: Proaktivität! Denn Veränderung fällt häufig schwer, es hilft ungemein, wenn man dabei aktiv auf die Belegschaft zugeht.

Welche Rolle bleibt hier noch für den CIO/CDO/CTO und gibt es Konflikte beim Thema Zuständigkeit?

Bludau: Ganz allgemein ist der CTO in erster Linie für die technologische Gesamtvision und -strategie des Unternehmens verantwortlich, der CIO für die Informationsmanagement- und IT-Strategie, während der CDO die digitale Transformation vorantreibt. Es ist wichtig zu bemerken, dass die genaue Aufgabenverteilung und -bezeichnung zwischen verschiedenen Rollen von Unternehmen zu Unternehmen leicht variiert. In einigen Unternehmen überschneiden sich gewisse Verantwortlichkeiten der CTO, CIO, CDO und CAIOs, wohingegen anderswo klare Trennlinien gezogen werden.

Kein Patentrezept für die CAIO-Position

Auch kommt es ganz auf das individuelle Unternehmen und Geschäftsmodell an, welche Position oder Kombination an Positionen Sinn ergeben. Da die Einsatzgebiete von KI unglaublich vielseitig sind, gilt das in besonderem Maße für den CAIO. Auch eine temporäre CAIO-Besetzung kann sinnvoll sein, wenn man beispielsweise KI-Boden aufholen möchte und der hauseigene CIO oder CTO nicht über genügend entsprechende Kenntnisse verfügt.

Welche Unternehmen brauchen derzeit und künftig einen CAIO und wie stellt sich die Lage in Deutschland dar?

Bludau: Im Grunde alle Unternehmen, die verstärkt auf KI zurückgreifen oder dadurch einen großen Mehrwert schaffen würden. Noch gibt es in C-Suites selten einen dezidierten CAIO, immer häufiger aber eine vergleichbare Position, wie Head of AI, CIO/CTO mit KI-Expertise oder auch CAIDO (= Chief Artificial Intelligence and Data Officer). Die genaue Bezeichnung der Rollen und die Verteilung von Verantwortlichkeiten untereinander kann je nach Unternehmensstruktur und -bedarf variieren.

Der schleppende Digitalisierungsfortschritt behindert Deutschland auch in Sachen KI. Allerdings wagt Baden-Württemberg gerade einen Vorstoß, KI-weltmarktführende Region zu werden. Dafür wurden gleich zwei milliardenschwere Projekte ins Leben gerufen (IPAI Heilbronn und Cybervalley Tübingen).

US-Konzerne investieren in ganz anderen Dimensionen

Dass aktuell die Big-Tech Unternehmen (Alphabet, Amazon, Meta, Apple, Microsoft) Vorreiter in KI sind, dürfte niemanden überraschen. Das Ausmaß des Vorsprungs ist mittlerweile allerdings bedenklich und wird am Investitionsvolumen deutlich: 2022 investierten die fünf Big-Tech Firmen mehr als drei Mal so viel in KI, wie die 29 forschungsintensivsten deutschen Unternehmen zusammen! Zur adäquaten Verwaltung solch gigantischer Investitionen braucht es natürlich eine verantwortliche Position im C-Level, wie auch immer man sie betiteln möchte. Und zum Aufholen dieses schier absurden Vorsprungs werden größere Investitionen notwendig sein.

Wie erleben Sie die Nachfrage?

Bludau: Nach einer Studie des ifo-Institutes nutzen derzeit gerade einmal 13 Prozent deutscher Unternehmen KI-Applikationen. Zwar steigt die Nachfrage, allerdings planen gerade auch nur weitere neun Prozent die Einführung von KI. Für 41 Prozent ist das tatsächlich noch überhaupt kein Thema, im Baugewerbe sogar 60 Prozent. Dementsprechend wird bisher relativ selten explizit nach CAIOs gesucht. Wir registrieren eine erhöhte Nachfrage nach Führungskräften mit dezidierter KI-Expertise, teilweise angetrieben vom Hype rund um moderne KI-Tools, allen voran ChatGPT. Häufig wird auch ein klassischer CTO, CIO oder sogar ein CDO gesucht, der aber unbedingt KI-Kenntnisse, quasi als Zusatzqualifikation, mitbringen muss.

KI-Kenntnisse und unternehmerische Fähigkeiten - große Mangelware

Im Zusammenhang mit KI riechen viele Top-Manager schon förmlich einen "Blue Ocean", also ein unerschlossenes Geschäftsfeld. Auf der anderen Seite will man keinem kostspieligen Hype auf den Leim gehen. Denn tiefgehende KI-Expertise in Kombination mit unternehmerischen Fähigkeiten ist noch recht selten zu finden, daher kann ein CAIO recht schnell sehr teuer werden. In diesen Momenten kann externe Hilfe sehr viel Wert sein, um entsprechende Vor- und Nachteile im Hinblick auf das eigene Unternehmen objektiv herauszuarbeiten und so eine passgenaue Lösung zu finden.

Haben bald die meisten Unternehmen einen CAIO oder droht ihm das gleiche Schicksal wie dem CDO?

Bludau: Wie gesagt sind momentan qualifizierte CAIOs in aller Regel noch sehr kostspielig, es braucht einen hohen potenziellen Mehrwert, um eine Position in der FührungsetageFührungsetage zu rechtfertigen. Kurzfristig wird das vielen Unternehmen zu teuer sein. Dazu kommt in Deutschland das Bottleneck der schleppenden Digitalisierung, das an vielen Stellen eine intensive Nutzung von KI sowieso verhindert. Es gilt also - nach wie vor - die deutsche Digitalisierung voranzutreiben. Mittel- bis langfristig gehe ich davon aus, dass eine verstärkte KI-Expertise fester Bestandteil der Profile von hochrangigen CTOs und CIOs sein wird. In diesem Fall würde dem CAIO tatsächlich ein ähnliches Schicksal drohen. Davon sind wir aber noch einige Jahre entfernt. Alles zu Führung auf CIO.de

Kaan Bludau ist Gründer und Geschäftsführer von BludauPartners Executive Consultants GmbH. Er verantwortet das Kerngeschäft des Executive Search und betreut nationale und internationale Großunternehmen und Konzerne bei der Besetzung von gehobenen und strategisch bedeutenden Top-Managementpositionen, in der Beurteilung von Führungskräften sowie bei der Neuausrichtung von Unternehmensorganisationen.

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