Strategien


Roland Berger und McKinsey

Wucht von Industrie 4.0 wird unterschätzt

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

Digitale Reife wenig ausgeprägt

Eine Umfrage unter 300 Top-Managern der deutschen Wirtschaft habe ein Erkenntnis- und Durchdringungsproblem offenbart, wird in der Roland Berger-Studie ausgeführt. Nur gut die Hälfte der befragten Unternehmen habe sich intensiv mit dem Thema der digitalen Transformation beschäftigt. Lediglich ein Drittel der deutschen Unternehmen schätzt seine digitale Reife als hoch oder sehr hoch sein.

"Immerhin 62 Prozent der Unternehmen mit einer EBIT-Marge von über 15 Prozent bescheinigen sich eine hohe oder sehr hohe digitale Reife", heißt es in der Studie. Nach Branchen betrachtet, liegen ChemieChemie, Logistik und Energie vorne. "Das Schlusslicht in Sachen digitaler Reife bilden - nach eigener Einschätzung - viele mittelgroße Unternehmen der Elektroindustrie sowie des Maschinen- und Anlagenbaus." Konkret bedeutet das, dass sich Firmen aus diesen Branchen als besonders anfällig für Störungen durch digitale Technologie betrachten. Top-Firmen der Branche Chemie

Als "Durchdringungslücke" definiert Roland Berger die Differenz zwischen den Werten für die digitale Reife und der Relevanz für die eigene Branche. Mit 28 Prozentpunkten ist sie besonders ausgeprägt in der Energietechnik. Über 15 Prozentpunkten liegt sie außerdem in den Branchen Logistik, AutomobilAutomobil, Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Elektroindustrie. Top-Firmen der Branche Automobil

Falsche Ziele und Schwerpunkte

"Viele Unternehmen scheinen im Hinblick auf ihre Anstrengungen zur digitalen Transformation falsche Schwerpunkte zu setzen", kommentieren die Studienautoren. "Anstatt verstärkt auf die Entwicklung neuer Produkte und Kundenschnittstellen zu setzen, sieht ein Großteil das primäre Ziel in der Effizienzsteigerung."

Europäische Unternehmen müssten ein tieferes Verständnis der digitalen Transformation entwickeln und neue, tragfähige Geschäftsmodelle erarbeiten, so die Berater. Sonst könnten branchenfremde Marktteilnehmer, die über eine hohe Digitalisierungskompetenz verfügen, sie aus lukrativen Teilen der Wertschöpfung verdrängen. "Ob vor einigen Jahren durch AmazonAmazon oder zuletzt Uber - diese Beispiele zeigen, wie radikal Marktumbrüche durch die digitale Transformation ausfallen können", sagt Schaible. Alles zu Amazon auf CIO.de

Auf dieses neue Wettbewerbsumfeld müssten sich Dienstleister und Industrie zügig einstellen. "Neue, unternehmensübergreifende Kooperationen sind hierfür nötig - durchaus auch mit Wettbewerbern, zum Beispiel bei der Pilotierung und beim Aufbau gemeinsamer digitaler Plattformen und Geschäftsmodelle", erläutert Schaible.

Automobil und Logistik spüren die Wucht

Die Digitalisierung trifft die verschiedenen Branchen der europäischen Industrie laut Roland Berger zeitversetzt und unterschiedlich intensiv. Die Branchen Automobil und Logistik seien schon jetzt mit großer Wucht betroffen. Bis 2015 gebe es hier ein Wertschöpfungspotenzial von 445 Milliarden Euro.

Der zweiten Digitalisierungswelle mit Maschinen- und Anlagenbau, Elektroindustrie sowie Medizintechnik schreiben die Berater ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 630 Milliarden Euro zu. 175 Milliarden sind es in einer dritten Welle für Chemieindustrie und Luftfahrttechnik.

3 Ratschläge von Roland Berger

Bei der Erhöhung der digitalen Reife in den Unternehmen geht es laut Studie vor allem um die Erschließung neuer Wertschöpfungspotenziale. "Dafür sollten sich die Unternehmen ein tieferes Verständnis für die digitale Thematik und ihre Marktfolgen aneignen", so Roland Berger. Für die Entwicklung eines digitalen Masterplans empfehlen die Berater ein dreistufiges Vorgehen:

1. Analyse des Einflusses digitaler Technologien auf die Industrie: Hierbei geht es um das Aufzeigen eintretender Veränderungen. Zu fragen ist etwa nach veränderten Wertschöpfungsketten und dem Entstehen neuer, skalierbarer Plattformen.

2. Abgleich mit aktueller Position des eigenen Unternehmens: Zu bestimmen sind Umsetzungs- und Kompetenzlücken. Es gilt unter anderem, vorhandene personelle Ressourcen und die organisatorische Verankerung der digitalen Geschäftsstrategie zu beleuchten.

3. Entwicklung einer Umsetzungslandkarte: Die Entwicklung einer Roadmap für die digitale Transformation geht einher mit einer Reihe von zu beantwortenden Fragen. Für welche Zukunftsszenarien müssen wir uns bereits heute Optionen sichern? Welche Fähigkeiten müssen wir aufbauen (Datenverarbeitung, Automatisierung, Vernetzung, Kundenschnittstelle)?

Mit welchen Marktteilnehmern sollten wir uns zusammenschließen (strategische Partnerschaften, "Coopetition")? Welche Plattformen/Standardisierungsprozesse müssen wir aktiv mitgestalten? An welchen Stellen sollten wir politischen Einfluss nehmen? Wie müssen wir unsere Cyber SecuritySecurity weiterentwickeln? Alles zu Security auf CIO.de

Die Unternehmensspitze sollte die digitale Reife des Unternehmens in den Mittelpunkt der Strategie rücken, rät Roland Berger. Digitalisierung sei Chefsache. "Die Techniker, selbst jene aus den IT-Abteilungen, müssen an die digitale Zukunft herangeführt werden", heißt es weiter in der Studie. "Sie sind vielfach für Instandhaltung und Verbesserung bestehender Systeme ausgebildet und eingesetzt und sollten die Chance erhalten, neue Wege zu entdecken."

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