Die wöchentliche CIO-Kolumne

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Heinrich Seeger arbeitet als IT-Fachjournalist und Medienberater in Hamburg. Er hat über 30 Jahre IT-journalistische Erfahrung, unter anderem als Gründungs-Chefredakteur des CIO Magazins. Er entwickelt und moderiert neben seiner journalistischen Arbeit Programme für Konferenzen und Kongresse in den Themenbereichen Enterprise IT und Mobile Development, darunter IT-Strategietage, Open Source Meets Business, droidcon und VDZ Tech Summit. Zudem gehört er als beratendes Mitglied dem IT Executive Club an, einer Community von IT-Entscheidern in der Metropolregion Hamburg.
Das Versandhaus Quelle verkauft seit dem 10. Juni 2003 Autos über das Internet. Das erscheint spektakulär, weil Kraftwagen größer, teurer und imageträchtiger sind als die meisten Web-Waren. Im Prinzip ist das Geschäftsmodell aber nicht neu, auch wenn die aufgeregten Reaktionen der Autobranche und ihr nahe stehender Experten einen Tabubruch vermuten lassen.

Der Deutschen liebstes Kind, nach zähen Verhandlungen mit beschlipsten Verkäufern in klimatisierten Showrooms ausgewählt, mit feuchten Händen gekauft, klopfenden Herzens in Empfang genommen und voller Besitzerstolz vom Hof des Autohauses gefahren - seit heute wechselt es mit einem profanen Mausklick den Besitzer: das Auto.

Autokauf ist Vertrauenssache, hieß es immer. In den 70er-Jahren reichte der Stoff für eine erfolgreiche Fernsehserie , in der die Schmittings mit ihrer neuen Renommierkutsche herzlich unglücklich wurde; Gerd Baltus glänzte als allzu vertrauensseliger Familienvater, Liane Hielscher als zackig-kühle Geschäftsführererin des Autohauses Neubert. In einer fiktiven Neuauflage des Epos' zu Internetzeiten würde Volker Schmitting nach den üblen Erfahrungen mit seinem neuen Amalfi 1800 CS sicherlich kein Auto blind online kaufen.

Angesichts ungewöhnlicher und deshalb anfangs belächelter Geschäftsmodelle, die sich mittlerweile off- wie online etabliert haben, ist die Quelle-Offerte heute jedoch alles andere als skurril. Das kann man von den geringschätzigen Reaktionen darauf nicht behaupten. Die lauten nämlich noch genauso wie 1973, als Tchibo erstmals nachwies, dass ohne merkantile Denkverbote und mit intelligentem Lieferketten- und Vertriebsmanagement Branchengrenzen im HandelHandel kein Thema mehr sein müssen. Als wenn nichts gewesen wäre: Laut dem Onlinedienst Heise hält der Verband der Automobilindustrie (VDA) die Quelle-Aktion für eine pure Marketingmaßnahme. Der Gelsenkirchener Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer disqualifizierte sie laut dpa als "Werbegag", und sein Bamberger Kollege Wolfgang Meinig bezweifelt, dass Hersteller an Versandhäuser liefern werden. Top-Firmen der Branche Handel

Tchibo fing in den 70ern mit Fahrrädern an. Zuerst grinsten die Profihändler, dann liefen sie Sturm. Aber da war es schon zu spät. Die Kaffeeröster hatten eine Erfolgsgeschichte zu schreiben begonnen; mittlerweile machen sie mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Non-Food-Artikeln - und sogar drei Viertel des Profits. Aldi , Lidl , Marktkauf und andere haben längst nachgezogen.

Über kurz oder lang werden auch Autos unter mehr als nur einer Adresse via Internet verkauft werden. Alle Argumente gegen den Quelle-Deal lassen sich entkräften:

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