Fachkräftemangel

Löst Low Code das Personalproblem der IT?

Andreas Gärtner ist Partner bei Senacor, einem der führenden Anbieter für Business- und IT-Transformation, Digitalisierung und individuelle Softwareentwicklung im deutschsprachigen Raum.


Kay Wossidlo ist Partner bei Senacor und leitet seit 2017 das Münchner Office. Sein Schwerpunkt liegt auf Transformations- und Digitalisierungsprojekten im Banking-Bereich.
Low-Code- und No-Code-Werkzeuge helfen, den Bedarf an IT-Spezialisten zu senken und bestimmte Anwendungen schneller zu entwickeln. Doch es gibt auch Risiken.
Software-Entwicklung aus dem Baukasten: Mit Low-Code- und No-Code-Plattformen können Unternehmen dem Fachkräftemangel in der IT entgegenwirken.
Software-Entwicklung aus dem Baukasten: Mit Low-Code- und No-Code-Plattformen können Unternehmen dem Fachkräftemangel in der IT entgegenwirken.
Foto: MeshCube - shutterstock.com

Die IT-Branche hat ein Problem. Die Auftragsbücher sind voll, es herrscht Goldgräberstimmung, aber es gibt nicht genug Schaufeln. Obwohl ein Großteil der Unternehmen und öffentlichen Institutionen auf ihre Dienste im Bereich Software-Entwicklung angewiesen ist, kann die Branche nur langsam, mitunter sogar gar nicht liefern. Dies gilt sowohl für IT-Dienstleister als auch für die vielen IT-Abteilungen in Anwenderunternehmen.

Es fehlt an erfahrenem Personal für die Entwicklung qualitativ hochwertiger Software. Anbieter von Low-Code- und No-Code-Plattformen, darunter Appian, Mendix, ServiceNow, Pega oder Microsoft Power Platform, versprechen Abhilfe: Mit sogenannten Low-Code- beziehungsweise No-Code-Werkzeugen würden auch Mitarbeiter mit geringen oder gar keinen Programmierfähigkeiten in die Lage versetzt, Apps und andere Programme zu erstellen.

Digitalisierung verstärkt Fachkräftemangel

Mehr Automatisierung und Digitalisierung sorgen für einen immer größer werdenden Personalbedarf. Doch das Angebot an Fachkräften kann mit diesem Wachstum nicht Schritt halten. So sorgt unter anderem der demografische Wandel für einen Arbeitnehmermarkt, in dem IT-Experten eine starke Position haben. Sie können sich ihren Arbeitgeber aussuchen. Ihre teure und zeitintensive Ausbildung sowie die daraus resultierenden Gehaltsvorstellungen können sich aber längst nicht alle Firmen leisten. Das stellt vor allem kleine und mittelständische Betriebe vor Probleme, passendes Personal zu finden und zu halten.

Eine Studie von Eurostat aus dem Jahr 2021 hat die Lücke an qualifiziertem IT-Personal quer durch alle Branchen und Länder für Europa erfasst und beschrieben. 55 Prozent der untersuchten Unternehmen klagten darüber, dass sie Positionen nicht besetzen können. Als Hauptgründe galten: es gibt keine Bewerber oder aber überzogene Gehaltsvorstellungen, gepaart mit mangelnder Erfahrung. In der Konsequenz gingen insbesondere Firmen aus der IT-Branche und Großunternehmen dazu über, das bestehende Personal besser zu schulen und zu befähigen, mit den neuen Erfordernissen Schritt zu halten. Dieser Trend ist ungebrochen, die Herausforderungen bei der Personalbeschaffung steigen Jahr für Jahr an.

Outsourcing-Kapazitäten werden knapper

Auch globale Veränderungen sorgen für Spannungen auf dem Arbeitsmarkt. Während noch vor einigen Jahren das Outsourcing von Software-Entwicklung als probates Mittel zur Beschaffung von Kapazität und auch zur Preisreduktion angesehen wurde, werden auch hier die Kapazitäten immer knapper - insbesondere im europäischen Ausland.

Der Krieg in der Ukraine und die zunehmende Abschottung Chinas verstärken diesen Effekt. Des Weiteren setzt sich in vielen Fällen die Erkenntnis durch, dass die erhofften Effizienzvorteile schwer zu realisieren sind, da sich praktische Probleme manifestieren, die den Projektausgang negativ beeinflussen können. Unterschiedliche Sprachen, Führungsstile, Arbeitskulturen, Zeitzonen oder das Fehlen von Fachkenntnissen sind nur einige der Faktoren, die beim Outsourcing mitgedacht werden müssen und die Beschaffung von Fachkräften erschweren.

Anwendungsarchitekturen werden komplexer

Ein Grund für das schwindende Personal liegt auch in den Arbeitsinhalten. So sind Fachleute, insbesondere aber Quereinsteiger, mitunter überfordert mit der Komplexität im Software-Engineering. Während noch vor zehn bis 15 Jahren größtenteils monolithische und auf einzelnen Applikationsservern betriebene Anwendungen auf Basis von verhältnismäßig einfach begreifbaren Dreischichten-Architekturen dominierten (Frontend, Backend, Datenhaltung), sind aktuelle Anwendungssystem-Architekturen aufgrund der gestiegenen funktionalen und nichtfunktionalen Anforderungen deutlich komplexer.

Eigenschaften wie dynamische Skalierbarkeit, Zero-Downtime und hohe Compliance-, Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen machen das Umsetzen von Softwareprojekten deutlich aufwändiger. Lange Projekte, zermürbende Diskussionen und multidimensionale Abhängigkeiten binden Personal und können zudem Frusttreiber bei Mitarbeitern sein. Diese Verflechtungen sorgen für Fluktuation, stören Abläufe und verursachen Spannungen im Arbeitsalltag. Oft übersteigen Investitionen in technische Aspekte und in die Umsetzung nichtfunktionaler Anforderungen den für die eigentliche Fachlichkeit notwendigen Aufwand um ein Mehrfaches.

Softwareentwicklung im Baukastensystem bietet Vorteile

Plattformen, auf denen mit wenig oder gar keinem Code Software gebaut werden kann, versprechen Abhilfe in Sachen Personalmangel. Der Nutzen scheint klar: Werden keine Coding-Kenntnisse benötigt, braucht es auch keine neuen Fachkräfte. Auch bei näherer Betrachtung spricht einiges dafür, dass Low-Code- und No-Code-Plattformen dem Staffing-Problem der IT entgegenwirken. Unter dem Schlagwort "Low-Code/ No-Code" hat sich mittlerweile eine Ausbildung im Format learning by doing etabliert, die rasch Erfolge zeigt.

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