Digitalisierung im Fußball

Real Madrid in der Offensive

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Auch wenn es sportlich nicht mehr ganz so gut läuft wie noch vor wenigen Jahren, spielt Real Madrid in der Digitalliga ganz vorne mit.
Das altehrwürdige Santiago-Bernabéu-Stadion im Herzen Madrids wird zu einem digitalen Fußball-Dom umgebaut.
Das altehrwürdige Santiago-Bernabéu-Stadion im Herzen Madrids wird zu einem digitalen Fußball-Dom umgebaut.
Foto: Real Madrid

Längst hat die DigitalisierungDigitalisierung auch den Fußball fest im Griff. Die großen Vereine positionieren sich im Web zunehmend als Big Player im Omni-Channel-Commerce: Dabei werfen sie ihren Markenwert als Partner für Sponsoren in die Waagschale und befeuern auch ihr eigenes Merchandising-Geschäft, das für die meisten Vereine längst zum wichtigsten Standbein im Business geworden ist. Auch im Spielbetrieb spielen Daten eine immer wichtigere Rolle, etwa wenn es darum geht, die Spielerfitness einzuschätzen oder die geeignete Taktik zu bestimmen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Fußball als digitales Fanerlebnis - das will auch der spanische Traditionsverein Real Madrid vorantreiben - gemeinsam mit Adobe. Die Adobe Experience Cloud soll der Schlüssel dafür sein, den Verein in eine globale Unterhaltungs- und Lifestyle-Marke zu transformieren. Die Fans sollen weltweit ein umfassendes Sport-Entertainment erleben können - und das online genauso wie offline. Das Ziel: Die Bindung der Fans zum Verein sowohl im Stadion als auch zu Hause durch positive Erlebnisse stärken und global ausbauen.

Digitales Ökosystem für die Fan-Experience

Basis bildet Adobes Experience Platform, die Kundendatenplattform der Adobe Experience Cloud. Damit will Real Madrid künftig einheitliche Kundenprofile in Echtzeit erstellen und so präzise nachvollziehen, wann und über welchen Kanal Fans mit der Marke in Kontakt treten. Das soll es dem Verein erlauben, seine Anhänger mit personalisierten Inhalten anzusprechen.

"Das Erlebnis unserer Fans steht an erster Stelle", sagt Michael Sutherland, Chief Transformation Officer bei Real Madrid. Sie verlangten heute mehr als nur Erlebnisse im Stadion. Viele seien selbst kreativ und erwarteten das auch von ihrem Verein. "Wir wollen unser digitales Ökosystem ausbauen, um eine globale Community anzusprechen und zu begeistern", kündigte Sutherland an. Es gelte, die Fans besser kennenzulernen, um ihnen die Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können, die sie sich wünschten.

Daten und ein positives Kundenerlebnis - neudeutsch Experience - sind die entscheidenden Faktoren für die Interaktion des Fußballvereins mit seinen Fans. Dabei verschmelzen physische und virtuelle Welt. Die Verantwortlichen von Real Madrid haben angekündigt, das legendäre Santiago-Bernabéu-Stadion durch ein breites Angebot an Produkten, Dienstleistungen und Online-Erlebnissen für ein weltweites Publikum zugänglich zu machen. "Das Stadion wird zu einem virtuellen Anlaufpunkt, der Millionen Fans zugänglich ist", hieß es.

Dafür baut Real Madrid derzeit Santiago Bernabéu von Grund auf um. Dabei kam dem Verein im vergangenen Jahr der Corona-Lockdown zumindest in dieser Hinsicht durchaus gelegen, als die Fans für Monate vom Stadionbesuch ausgeschlossen waren. Aus dem altehrwürdigen Stadion im Stadtteil Chamartín im Zentrum Madrids soll ein neuer digitaler Fußball-Dom werden. Der Verein spricht von einer technologischen Plattform, einem digitalen Stadion der Zukunft - mit noch mehr Platz für Geschäfte, Events und Meetings.

Dieses Fan-Erlebnis soll aber nicht nur auf das Stadion in der spanischen Hauptstadt beschränkt bleiben. Der Verein entwickelt mit "Real Madrid World" eine Art Fußball-Erlebnispark, der ähnlich wie Disney-World an verschiedenen Orten rund um den Globus aufgebaut werden soll. Die erste Fußball-Park der Spanier soll 2022 seine Pforten in Hengqin, in der chinesischen Provinz Guangdon, öffnen. Geplant ist ein 12.000 Quadratmeter großer Unterhaltungskomplex. Den Fans sollen dort unter anderem interaktive Trainingsspiele, ein Gang durch die Geschichte des Vereins, Restaurants und natürlich ein offizieller Club-Shop geboten werden.

Mit digitaler Transformation zu "Real Madrid Next"

Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht die Digital-Transformation-Abteilung von Real Madrid. Hier wurden die zentralen Aufgaben für die weitere Entwicklung des Vereins zusammengeführt. In der Saison 2019/20 wurde beispielsweise der Bereich Insights & BI eingerichtet. Das Ziel: Alle Daten aus dem Tagesgeschäfts zu sammeln, aufzubereiten und zu analysieren.

Die Ergebnisse sollen allen Abteilungen im Verein zur Verfügung stehen. Real Madrid will so sicherstellen, dass sämtliche Entscheidungen Daten-basiert getroffen werden, um kontinuierlich Leistung und Einnahmen zu verbessern. Wenn es um die Entwicklung neuer ProjekteProjekte geht, etwa beim Stadion-Umbau oder im E-Commerce, sei der Bereich Digital Transformation entscheidend beteiligt, heißt es von Seiten der Vereinsverantwortlichen. Alles zu Projekte auf CIO.de

In den kommenden Jahren dürften weitere Aufgaben hinzukommen. Real Madrid hat sich ein Modernisierungsprogramm verordnet. Unter "Real Madrid Next" sollen verschiedene Innovationsprojekte gebündelt und vorangetrieben werden - Technologie und Tools sind die Schlüssel dafür. Dafür will der Fußballclub auch eng mit Startups zusammenarbeiten. Sechs Kernbereiche haben die Vereinsbosse identifiziert:

  • E-Health: Mit Hilfe von Datenanalysen soll die physische und mentale Fitness der Fußballstars kontrolliert und optimiert werden.

  • Performance: Datenanalysen sollen dazu herangezogen werden, die Leistung der Sportler besser überwachen zu können. Dabei sollen auch Sensoren helfen, die über längere Zeiträume Körper- und Leistungsdaten sammeln.

  • Fan Engagement: Die Fans sollen ein auf ihre individuellen Wünsche hin optimiertes und personalisiertes Real-Madrid-Erlebnis genießen können.

  • Audiovisuelle Inhalte: Audiovisuelle Fußballinhalte sollen aufgewertet werden. Dazu zählen beispielsweise digitale Einblendungen von Zusatzinhalten und -informationen oder auch Second-Screen-Angebote.

  • Social: Die Aktivitäten im Social Web wollen die Madrilenen ausbauen, gerade auch mit Blick auf eine Interaktion mit Fans. So soll es beispielsweise Training-Tutorials via App geben.

  • Cybersecurity und Infrastruktur: Mit zunehmender Digitalisierung wachsen auch die Sicherheitsherausforderungen. Real Madrid und viele andere Fußball-Club verarbeiten sensible Daten ihrer Fans. Ein Breach wäre katastrophal für das Vertrauen, aber auch für das Geschäft.

App, Omni-Channel, Social - die "Galaktischen" ganz digital

Die Grundlagen für die weitere Digitalisierung sind bei den Spaniern bereits gelegt. Realmadrid.com ist das fünfte Jahr in Folge die weltweit meistbesuchte Website eines Fußballvereins, wie Daten von Comscore belegen. Mitte des Jahres lag die durchschnittliche monatliche Zahl der Nutzer bei gut 1,5 Millionen. Der Online-Auftritt, der auch ins Englische, Französische, Deutsche, Portugiesische, Japanische, Chinesische, Indonesische und Arabische übersetzt wird, hat in der zurückliegenden Saison 69 Millionen Besucher und insgesamt 174 Millionen Seitenaufrufe verzeichnet. Auch auf den verschiedenen Social-Kanälen spielt Real ganz vorne mit. Knapp 350 Millionen Follower vereinen die Spanier auf Facebook, Instagram, Twitter und Co.

Die offizielle App, die 2015 herauskam, ist ebenfalls in verschiedenen Sprachen zu haben, seit kurzem auch in Deutsch. Sie kann bislang neun Millionen Downloads verbuchen. Im vergangenen Jahr verpasste der Verein seiner App einen kompletten Relaunch. Eine neues User Interface sowie verschiedene Formen von Gamification und Projekte wie "Fanconnect" sollen die Bindung der Fans an die "Galaktischen" erhöhen.

Wie wichtig die Online-Präsenz ist, hat sich gerade in Corona-Zeiten gezeigt. Als die Läden im Lockdown geschlossen bleiben mussten, hing das Geschäft am Online-Business. Die Vereinsverantwortlichen in Madrid haben schnell reagiert. Ende Juni 2020 wurde ein neues Omni-Channel-Retail-Programm aufgesetzt und ein neuer Online-Store gelauncht. Mit dem US-Unternehmen Legends nahmen die Madrilenen einen Partner mit ins Boot, der alle Beziehungen zu den Fans managen soll, offline wie online, von der Technologie bis zum Produkt.

Hier laufen auch die verschiedensten Fäden eines immer weiterwachsenden Ökosystems zusammen. Real Madrid verkauft mehr als 12.000 Produkte, vom Trikot bis zum Juwelen-Collier. Fast 120 Lizenzabkommen sind zu verwalten. Außerdem arbeitet der Verein mit über 100 Firmen daran, immer neue Produkte zu entwickeln.

Marke Real Madrid ist Milliarden wert

All diese Aktivitäten scheinen sich auszuzahlen. Real Madrid rangiert laut Forbes-Liste vom Frühjahr dieses Jahres mit einem Markenwert von 4,75 Milliarden Dollar im Ranking der wertvollsten Fußballvereine nur knapp hinter dem katalanischen Erzrivalen FC Barcelona (4,76 Milliarden Dollar). Schon mit etwas Abstand folgt der FC Bayern mit 4,22 Milliarden Dollar.

Während sich die Madrilenen im Marken-Ranking mit Platz zwei begnügen müssen, liegen sie beim lukrativsten Sponsorenvertrag klar in Führung. 82,5 Millionen Dollar bekommt der Club jedes Jahr für den Deal mit der arabischen Fluglinie Emirates. Manchester United (TeamViewer) und der FC Barcelona (Rakuten) verdienen mit jeweils knapp 65 Millionen Dollar jährlich deutlich weniger an ihren Sponsorenverträgen. Auch dem FC Bayern bringt der Deal mit der Deutschen Telekom mit einem Jahresvolumen von 35,4 Millionen Dollar klar weniger ein.

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