CIO-Barometer zur Digitalisierung

Das Glas ist nur halbvoll

Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.
In der Index-Studie "CIO Barometer" vergeben deutsche CIOs und IT-Entscheider nur 102 von 200 möglichen Punkten für den Stand der digitalen Transformation.
CIOs und IT-Entscheider blicken ohne Euphorie auf den Stand der digitalen Transformation in Deutschland. Sie beklagen schlechte Rahmenbedingungen, den Fachkräftemangel und fehlende Digitalkompetenz im Topmanagement.
CIOs und IT-Entscheider blicken ohne Euphorie auf den Stand der digitalen Transformation in Deutschland. Sie beklagen schlechte Rahmenbedingungen, den Fachkräftemangel und fehlende Digitalkompetenz im Topmanagement.
Foto: GaudiLab - shutterstock.com

Den befragten Entscheidern machen vor allem die weiterhin schlechten Rahmenbedingungen zu schaffen. Daran konnte bisher offenbar auch die neue Regierung nichts ändern. Sie fürchten außerdem den fortschreitenden FachkräftemangelFachkräftemangel und beklagen die fehlende Digitalkompetenz in den Topetagen. Im CIO-Barometer beantworten IT-Entscheider die Frage, welche Faktoren die DigitalisierungDigitalisierung in Deutschland vorantreiben und welche sie bremsen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de

Internen Faktoren, Märkte und Rahmenbedingungen

Dabei differenziert die von VOICEVOICE - Bundesverband der IT-Anwender, der Hochschule Koblenz und dem Benchmarkspezialisten metrics durchgeführte Studie in (unternehmens-)interne und externe Faktoren (Märkte) sowie in die Entwicklung der Rahmenbedingungen. Aus diesen drei Teilaspekten setzt sich das CIO-Barometer zusammen, mit leicht erhöhter Gewichtung (40 Prozent) der internen Entwicklungen. Alles zu Voice auf CIO.de

Diese schätzen die CIOs denn auch deutlich am positivsten ein. Sie kommen auf 106 Indexpunkte, die Märkte werden mit 103 Punkten bewertet und die Rahmenbedingungen schneiden mit 97 Punkten am schwächsten ab.

Märkte entwickeln sich negativ

Die Rangfolge verschiebt sich etwas, wenn die Entwicklung der letzten 12 Monate betrachtet wird. Auf einer Skala von -5 bis +5 bewerteten die IT-Entscheider die Entwicklung der internen Faktoren mit 0,32 Punkten zwar wieder am positivsten, aber am negativsten entwickeln sich die Märkte mit -0,88 Punkten. Die Rahmenbedingungen hingegen haben sich nach ihrer Einschätzung gar nicht bewegt, weder positiv noch negativ. Das stellt der neuen Ampelregierung, die seit Anfang Dezember 2021 im Amt ist, trotz des vielversprechenden Koalitionsvertrages kein überzeugendes Zwischenzeugnis aus. Die kürzlich von Bundesverkehrsminister Volker Wissing vorgelegte Digitalstrategie der Bundesregierung konnte in der Befragung der 200 IT-Entscheider (davon 140 CIOs) nicht berücksichtigt werden, da sie schon im Mai und Juni stattgefunden hat.

IT-Budgets sind zufriedenstellend

"Wenn die Befragten die digitale Weiterentwicklung ihrer eigenen Unternehmen nicht so positiv bewertet hätten, wäre die Einschätzung des aktuellen Digitalisierungsstandes deutlich negativer ausgefallen", erklärt der federführende Autor der Studie, Professor Ayelt KomusAyelt Komus von der Hochschule Koblenz. So beurteilen die Befragten die finanziellen Ressourcen für IT und Digitalisierung als zufriedenstellend. Vielleicht noch wichtiger: Mit der Wahrnehmung und dem Stellenwert der IT zeigen sich die CIOs zufrieden und sehen die Entwicklung hier in den letzten zwölf Monaten auch deutlich positiv. Ähnlich zufriedenstellend bewerten sie die IT-Gesamtausstattung. Profil von Ayelt Komus im CIO-Netzwerk

Führung fehlt Digitalwissen

Gemischt schätzen die Befragten das IT-Know-how in den verschiedenen Unternehmensbereichen ein. Ihre eigenen Mitarbeitenden schneiden da eher gut ab, die Mitarbeitenden in den Businessbereichen dagegen schlechter. Dass sie aber auch fehlendes IT-Know-how bei Führungskräften beklagen, ist wegen des voranschreitenden Generationswechsels in den Managementetagen und auch wegen der häufigen Klagen über diese Wissenslücke in den vergangenen Jahren einigermaßen überraschend. "Dieses aktuelle Know-how-Gap in den Führungsetagen zeigen auch andere Studien, die wir gemeinsam mit VOICE bereits durchgeführt haben. Befragungen großer Personalagenturen konstatieren dieses Defizit ebenfalls," erläutert Komus. "Hier wird es höchste Zeit, aktiv zu werden. Wenn die Führungsriege zu wenig Ahnung von Digitalisierung hat, dann kann sie auch in der Breite der Unternehmen nicht ankommen."

Fachkräfte fehlen

Auf den Märkten wird insbesondere der Status Quo sowie auch die Entwicklung der Verfügbarkeit, Qualität und des Preisniveaus von Fachkräften negativ wahrgenommen. Auch das Marktangebot an Infrastruktur wird leicht negativ eingestuft. Kommentare zeigen insbesondere Herausforderungen bei IT-Hardware, während das Angebot von Cloud-Lösungen eher positiv eingeschätzt wird.

Empfindung von Überregulierung

Bei den Rahmenbedingungen werden vor allem das regulatorische Umfeld, staatliche Unterstützung, Infrastruktur und IT-Security negativ wahrgenommen. Positiv eingeschätzt wird die Wahrnehmung innerhalb der Gesellschaft und die Akzeptanz digitaler Lösungen bei Endkunden. "Im regulatorischen Umfeld ist vor allem auf europäischer Ebene viel im Fluss und noch nicht wirklich geklärt", erläutert Komus. "Stichworte sind hier sicher der Data Act, der Digital Service Act oder der AI-Act. Außerdem wirkt die europäische GDPDR nach."

Zusammen mit ihren diversen Branchenregularien empfänden sich viele CIOs und IT-Entscheider einerseits überreguliert. Auf der anderen Seite sähen sie aber auch, dass viele internationale Anbieter die deutschen und europäischen Regeln oft auch umgehen oder erst einhalten, wenn entsprechender Druck aufgebaut wird. Komus: "Das schafft Unsicherheit und die ist ja bekanntlich Gift für eine positive Entwicklung."

Digitale Unternehmen sind besser

Die Studie stellt außerdem einige interessante Quervergleiche an. So weisen Unternehmen mit einem hohen digitalen Reifegrad statistisch signifikant bessere Werte auf als Unternehmen mit niedrigem Reifegrad. Das gilt zum Beispiel für

  • den Stellenwert von IT und Digitalisierung,

  • die Zufriedenheit mit der IT,

  • die IT-Gesamtausstattung und den

  • Unternehmenserfolg.

Auch der Vergleich der erfolgreichen Unternehmen mit den weniger erfolgreichen zeigt, dass die erfolgreichen

  • zufriedener sind mit ihren finanziellen Ressourcen für IT und Digitalisierung,

  • mehr Mitarbeiter mit überdurchschnittlichen IT-Fähigkeiten insbesondere in der Führungsebene aufweisen,

  • einen überdurchschnittlichen Reifegrad in der Digitalisierung und

  • zufriedenere Mitarbeiter haben.

Positive Einschätzungen gibt es auch

Die befragten CIOs und IT-Entscheider schätzen auch einige Dinge positiv ein. So sehen sie sehr wohl, dass die Digitalisierung in der Gesellschaft einen höheren Stellenwert hat und die IT in den Unternehmen besser angesehen ist. Mit der Allokation der finanziellen Ressourcen für IT und Digitalisierung sind sie einigermaßen zufrieden.

Jedes Jahr ein neues CIO-Barometer

Das CIO-Barometer wurde in diesem Jahr erstmals von VOICE erstellt. Die Index-Studie soll in Zukunft zumindest einmal pro Jahr erscheinen, "damit es eine verlässliche Einschätzung über die Entwicklung von IT und Digitalisierung gibt, von Menschen, die sie auch in die Breite der Unternehmen tragen sollen", erklärt Wolfgang StorckWolfgang Storck, Geschäftsführer von VOICE die Ziele, die der Anwenderverband sowie seine Mitstreiter Hochschule Koblenz und metrics mit dem CIO-Barometer verfolgen. (wh) Profil von Wolfgang Storck im CIO-Netzwerk

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