Retail IT


Groß- und Einzelhandel

Diese Themen treiben IT-Investitionen im Retail

Lynn Thorenz ist Director Research & Consulting, IDC Deutschland und Schweiz.
Der Groß- und Einzelhandel bewegt sich in einem äußerst wettbewerbsintensiven Markt. Digitalisierung ist dort schon lange keine Kür mehr, sondern gehört zum Pflichtprogramm. Welche Innovationstreiber dabei ins Spiel kommen, lesen Sie hier.
Die digitale Transformation könnten den Einzelhandel in naher Zukunft beeinflussen.
Die digitale Transformation könnten den Einzelhandel in naher Zukunft beeinflussen.
Foto: zhu difeng - shutterstock.com

Der Handel mit mehr als 600.000 Unternehmen und etwa 6,4 Millionen Beschäftigten macht mit neun Prozent nur einen kleinen Teil des deutschen IT-Marktes aus. Im vergangenen Jahr 2017 wuchs der Markt um rund 3,9 Prozent auf ein Gesamtvolumen von 6,4 Mrd. Euro. Die absoluten IT-Investitionen der Branche unterscheiden sich deutlich, rund zwei Drittel der gesamten IT-Ausgaben tätigte der Einzelhandel. Dieser wuchs 2017 mit rund 4,5 Prozent, während die IT-Ausgaben im Großhandel lediglich um 2,7 Prozent zulegen konnten.

Als positiver Treiber ist sicher das immer stärker werdende Geschäft im E-CommerceE-Commerce zu nennen. Deutsche Einzelhandelsunternehmen setzen dabei zunehmend auf eine multidimensionale Strategie, um den Kunden auf allen Vertriebskanälen ein positives Einkaufserlebnis bieten zu können und auf diese Weise das gesamte Potenzial abzuschöpfen - was sich in einem durchaus erfreulichen Anstieg der IT-Ausgaben in diesem Segment niederschlägt. Alles zu eCommerce auf CIO.de

Mobile Shopping

Omni-Channel-Lösungen ermöglichen den HändlernHändlern einen umfassenden Einblick in das Kaufverhalten ihrer Kunden. Die Customer Journey lässt sich immer umfassender und detaillierter abbilden, ein echter Mehrwert also. Dieser Ansatz verlangt allerdings nach einem ausgeklügelten Warenmanagement und der Distribution in Echtzeit – ein Umstand, der die IT-Investitionen auch künftig beflügeln wird. Hinzu kommt, dass die Retailer die Nachfrage ihrer Kunden nach Mobile Shopping und mobilen bzw. bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten bedienen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das treibt zum einen die Nachfrage nach Software-Lösungen, zum anderen aber auch nach entsprechender Hardware sowie Beratungs- und Implementierungsdienstleistungen. Top-Firmen der Branche Handel

In Hardware fließt traditionell der kleinste Anteil der IT-Ausgaben in der Branche. Zwar entwickelten sich die absoluten Ausgaben im Jahr 2017 mit 3,9 Prozent Zuwachs überraschend positiv, das durchschnittliche jährliche Wachstum wird sich jedoch voraussichtlich in den kommenden Jahren wieder auf die üblichen knapp 1,1 Prozent einpendeln.

Die langfristige Entwicklung der Hardware-Ausgaben wird, wie in allen anderen Branchen auch, durch die sinkenden Preise für Desktop-PCs und Server beeinflusst. Positive Impulse kommen von steigenden Investitionen in Tablets und Smartphones und modernen POS-Lösungen – getrieben durch mobile Technologien. Während die Hardware-Investitionen im Großhandel langfristig stagnieren, ist das - wenn auch geringe - Wachstum auf Investitionen des Einzelhandels zurückzuführen.

Software-Ausgaben im Handel

Die Software-Ausgaben im Handel werden sich voraussichtlich im Prognose-Zeitraum bis 2021 durchweg positiv entwickeln. IDC erwartet eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 5,8 Prozent (CAGR 16-21). Investitionen in Software werden wie bereits erwähnt von dem seit einigen Jahren anhaltenden Trend getrieben, E-Commerce-Kanäle aufzubauen.

Ausgereifte Software-Lösungen zur Kundenansprache und für Absatzprognosen sind notwendig, um für die Kunden ein ganzheitliches Kundenerlebnis zu schaffen. Online-Shops benötigen zudem ein komplexes und kostenintensives Warenmanagement. Die Performance des Webshops oder der mobilen App steht in direktem Zusammenhang mit der Zufriedenheit, Loyalität und Kaufbereitschaft des Kunden.

Auch im Software-Markt entwickelt sich der Einzelhandel dynamischer als der Großhandel, was erneut an der höheren Adaption von E-Commerce-Lösungen liegt. Product Information Management (PIM) unterstützt dabei, Produktdaten zentral zu pflegen, kanalübergreifend zu managen und kundengerecht auszusenden. Das PIM-System ist die Schnittstelle zwischen dem CRM-System und den Informationen, die der Kunde über ein Produkt erhält. Relevante Informationen an Kundendaten können gebündelt und User-Profile der am häufigsten auftretenden Kundentypen erstellt werden.

Customer Experience

Anhand dieser Profile können Online-Händler passgenaue Produkte bereitstellen mit dem Ziel einer kanalübergreifenden Customer Experience, die Kunden im Customer Lifecycle langfristig an das eigene Unternehmen bindet. Ein weiteres Investitionsfeld für den Handel sind nach wie vor Lösungen für Print- und Dokumentenmanagement, die die Auftragsabwicklung bzw. die Bestellvorgänge verbessern und automatisieren.

Doch nicht nur der E-Commerce fordert Investitionen in Software, auch der stationäre Handel setzt immer mehr auf digitale Lösungen, die auf entsprechender Software basieren. Schöne Beispiele sind etwa Shelf Labels (ESL), wie sie die Elektronikmärkte Media Markt und Saturn bereits nutzen. Das elektronische Preisschild macht Änderungen mit Hilfe von ESL-Systemen, die mit den Warenwirtschafts- oder Kassensystemen gekoppelt sind, auf Knopfdruck möglich.

Egal ob im Online- oder stationären Handel: die Branche ist in Bewegung. Händler setzen immer häufiger auf moderne und innovative digitale Technologien. IT-Services-Anbieter dürfen sich freuen: Deren Beratungs- und Integrationsleistungen werden in der Branche verstärkt nachgefragt, um neue Projekte umzusetzen. Nachdem die Digitalisierung für Händler zunächst den Online-Kanal als neuen Absatzkanal geschaffen hat, kommt durch das Internet of Things ein weiterer Channel hinzu.

Nachfrage nach IT-Services

Dies wird die Nachfrage nach IT-Services auch weiterhin begünstigen. Zudem erwartet IDC, dass durch den Einsatz neuer Technologien vor allem Training- und Support-Leistungen nachgefragt werden. Themen wie DevOps und damit eine Continuous Delivery von Software-Updates gewinnen besonders im E-Commerce rasant an Bedeutung.

Darüber hinaus wirkt sich der Einsatz von SCM-Lösungen und ERP-Lösungen sowie die Optimierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen ebenfalls positiv auf die Nachfrage nach Dienstleistungen aus. Dennoch: Die jährliche durchschnittliche Wachstumsrate kommt trotz aller vielversprechenden Investitionsfelder im Betrachtungszeitraum bis 2021 nicht über knapp 1,3 Prozent hinaus.

Der Grund sind wie in den Jahren zuvor die geringen Margen der Händler, die IT-Investitionen sehr genau abwägen müssen. Dies betrifft nicht nur, aber vor allem kleine Händler, die sich mit ihren Ausgaben zurückhalten, obwohl technologische Innovationen großes Potenzial für höhere Umsätze und Wachstum bieten würden.

Mobile-Device-Management-Lösungen

Das Thema Mobility hat schon längst Einzug in den Handel gehalten. Mitarbeiter in Ladengeschäften wie Bekleidungs- oder Schuhläden sind vielerorts bereits mit Tablets oder Smartphones ausgestattet, um die Kunden optimal beraten zu können. So kann der Verkäufer beispielsweise direkt nachschauen, ob eine bestimmte Größe im Lager vorhanden ist. Das triggert die Nachfrage nach neuen Mobile-Device-Management-Lösungen.

Auch der Kaufvorgang selbst wird immer häufiger mit mobilen Endgeräten durchgeführt. Dabei erwartet der Kunde den naht- und drahtlosen Zugang zu seinen gewünschten digitalen Services – jederzeit und überall. Immer mehr Kunden nutzen die App eines Händlers, Apps mit Standort-Indikatoren oder auch Internet-Suchmaschinen als Einkaufstool. Investitionen in Software werden daher beispielsweise auch getrieben durch die Entwicklung von Applikationen für mobile Endgeräte der Kunden. Personalisiertes Marketing auf Basis mobiler Devices bietet großes Potenzial für den RetailRetail. Alles zu Retail IT auf CIO.de

Auch das mobile Bezahlen mittels Smartphone nimmt rasant zu. Ein Beispiel dafür ist die Shell App, mit der Kunden an vielen Shell Tankstellen mit ihrem Smartphone direkt an der Zapfsäule bezahlen können. Dafür ging Shell eine Partnerschaft mit dem Bezahldienstleister PayPal ein. Das drahtlose Bezahlen mittels der Smartwatch ist ebenfalls ein interessanter Use Case, der in Deutschland aktuell jedoch noch nicht sehr verbreitet ist. Wie auch immer, Unternehmen müssen dafür verstärkt in Software-Lösungen investieren, die Contactless-Payment-Methoden unterstützen.

Bezahlen mit Bargeld

In diesem Zuge müssen Netzwerk-Equipment und die Kassensysteme entsprechend aufgerüstet werden, was Investitionen in neue Hardware nach sich zieht. NFC-Terminals sind zwar in vielen Handelsketten bereits installiert, laut Handelsinstitut EHI dominiert in Deutschland jedoch weiterhin das Bezahlen mit Bargeld.

Das Internet of Things bietet im stationären Handel die Möglichkeit, Besucherströme und Verweildauern zu erfassen und somit das Kundenverhalten genauer zu analysieren. Anhand der Daten bekommen die Betreiber detaillierte Informationen darüber, wie viele Besucher zu welcher Zeit ihren Shop besucht haben, wo sie sich im Verkaufsraum aufgehalten und wie lange sie sich für den Besuch Zeit genommen haben. An der Stelle kommt natürlich auch das Thema Data Analytics ins Spiel. Neben dem Kundenverhalten kann natürlich auch das Kaufverhalten analysiert werden, was eine bessere Lagerhaltung ermöglicht.

Roboter werden ebenfalls bereits im Handel eingesetzt. Beispielsweise füllen sie in Lagerhallen, oder im stationären Handel Regale auf oder unterstützen bei der Kundenbetreuung. So begrüßt beispielsweise in der Ingolstädter Saturn-Filiale ein Roboter die Kunden beim Eintreten in das Geschäft, fragt was sie suchen und führt sie zu der jeweiligen Abteilung. Die Produktberatung selbst übernimmt dann allerdings doch (noch) der Kollege Mensch.

Kognitive Systeme

Ähnlich wie in der Finanzbranche wird der Einsatz von kognitiven Systemen auch im Handel erprobt, um die Kundenbetreuung zu erweitern bzw. zu automatisieren. Zalando testete beispielsweise einen Messenger-Bot mit dem Ziel der mobilen Styleberatung. Der Bot "Emma", der von dem Start-up ChatShopper bereitgestellt wird, berät potenzielle Kunden und leitet diese exklusiv zu passenden Angeboten auf Zalando weiter. Auch Douglas greift auf den Service von ChatShopper zurück. Zum Valentinstag beispielsweise half ein Chatbot mit Stylingtipps und Geschenkideen.

Die IT-Ausgaben im Handel wachsen im gesamten Prognosezeitraum bis 2021 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von drei Prozent und damit genauso stark wie der gesamte IT-Markt. Die Prognosedaten lassen den Schluss zu, dass die digitale Transformation und die Innovationsbeschleuniger insbesondere den Einzelhandel in naher Zukunft beeinflussen werden. Nachholbedarf sieht IDC vor allem bei den Großhändlern hierzulande, denen sich offenbar das Potenzial noch nicht offenbart hat, das sie durch moderne und innovative Technologien heben könnten.

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