Aufräumer oder doch Visionär?

Ein Jahr Deutsche-Bank-Chef Cryan

27.06.2016

Doch die Vorschusslorbeeren sind aufgebraucht. Als Cryan im Sommer 2015 den Investmentbanker Anshu Jain an der Konzernspitze ablöste, jubelte die Börse. Jain wird mit vielen Altlasten der Bank in Verbindung gebracht, die Aktionäre straften ihn ab. Cryan muss nun beweisen, dass er mehr erreichen kann als die Bilanz auszumisten und alte Seilschaften im Top-Management zu kappen.

Viele Aktionäre sehen die Bank als Sanierungsfall und halten den Kurswechsel noch lange nicht für beendet. Teure juristische Streitfälle bremsen nach wie vor, auch wenn Cryan bei der Aufarbeitung der Altlasten aufs Tempo drückt. "Bei aller Vorsicht sehe ich uns - was unsere Rechtsstreitigkeiten angeht - allmählich auf der Zielgeraden", sagte er Mitte Mai. Nach letzten Angaben hat das Institut mit 7800 Rechtsstreitigkeiten zu tun, wenn auch zumeist mit geringem Streitwert.

Dünner Kapitalpuffer

Die größten Brocken - darunter ein Geldwäscheverdacht in Russland - sollen möglichst noch im laufenden Jahr aus dem Weg geräumt werden. Doch das kann noch einmal teuer werden. Für noch drohende Strafen hat die Bank 5,4 Milliarden Euro zurückgelegt. Das könnte nicht reichen, wie der Vorstand wiederholt prognostizierte. In den vergangenen Jahren kosteten juristische Fehden Deutschlands größtes Geldhaus schon gut 12 Milliarden Euro - etwa wegen der Beteiligung an Zinsmanipulationen (Libor), umstrittener Hypothekengeschäfte und Verstößen gegen Handelssanktionen.

Es ist nicht die einzige Baustelle. Die Kapitalpuffer der Bank gelten als vergleichsweise dünn, obwohl das Institut in den vergangenen fünf Jahren knapp 22 Milliarden Euro über eine ganze Serie von Kapitalerhöhungen eingesammelt hat. Und die Börse hat Cryan noch nicht überzeugt. Seit seinem Amtsantritt hat sich der Aktienkurs der Deutschen Bank mehr als halbiert - selbst auf dem Höhepunkt der Finanzkrise stand die Aktie besser da. (dpa/rs)

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