Analysten-Kolumne

IT-Töchter profitieren vom starken Profil des Mutterkonzerns

17.05.2006
Von Jochen Gary und Alexander Mahr

Typische Kritikpunkte: In der Rolle als Dienstleister der Muttergesellschaft können Kosten nicht wie erwartet gesenkt werden, die Dienstleistungsqualität und -flexibilität sind unzureichend. Zudem droht der Captive Provider an Bedeutung zu verlieren, wenn sich die Muttergesellschaft auf ihre eigentlichen Kompetenzen fokussiert und auslaufende Abnahmegarantien nicht verlängert. Nicht zuletzt veranlasst der zunehmende Wettbewerb bei den Captive Providern die Konzerne, ihre IT-Beteiligungen zu veräußern. Als Käufer treten neben branchenunabhängigen IT-Dienstleistern auch Captive Providers anderer Branchen auf. Beispielsweise übernahm Telekom-Tochter T-Systems die VW-Tochter Gedas (01/2006) oder BMW-Tochter Softlab die Deutsche-Börse-Tochter Entory (10/2005).

M&A-Aktivitäten beleben den Markt

Warum erwartet nun ein Captive Provider einen positiven Wertbeitrag, wenn er einen Konkurrenten übernimmt, der meist im Drittmarkt keinen oder nur wenig Erfolg hat?

Als Gründe gelten hier nicht allein Economies of Scale - generell ist fraglich, ob diese jenseits der IT-Infrastruktur bisher realisiert werden konnten. Das wichtigste Übernahmemotiv besteht darin, dass mit dem Kauf ein neuer Markt erschlossen wird. Es eröffnet sich sowohl eine neue Branche, repräsentiert durch die Muttergesellschaft, als auch eine neue Region. So gewinnt etwa T-Systems mit der Gedas-Übernahme nicht nur Marktanteile im europäischen Ausland, sondern auch Vertrauen in der Automobilbranche, z.B. gegenüber dem Langzeitkunden Daimler Chrysler.

Die Muttergesellschaft hat maßgeblichen Einfluss auf den Drittmarkterfolg

Für den Erfolg eines Captive Providers spielt das Profil der Muttergesellschaft eine entscheidende Rolle. Die Muttergesellschaft beeinflusst das Marktpotenzial des Captive Providers auf dreierlei Weise: Sie fungiert als Eigentümer, Kunde und Entwicklungsbasis zugleich. Obwohl diese drei Bereiche eng verzahnt sind, sollen sie nachfolgend voneinander isoliert werden, um die unterschiedlichen Ansatzpunkte heraus-zuarbeiten.

1. Die Muttergesellschaft als Eigentümer

Als ursprünglicher Eigentümer garantiert die Muttergesellschaft dem Captive Provider nach der Ausgründung häufig, dass bestimmte Dienstleistungen abgenommen werden. Dies sichert zunächst den Umsatz des IT-Dienstleisters, motiviert aber nicht, im Drittmarkt weiter zu wachsen. Sobald der Captive Provider zu einem anderen Eigentümer wechselt, kann er sich jedoch mittelfristig nicht auf bisherige Garantien verlassen. Er muss sich also stärker als zuvor am Markt orientieren, um für eventuell wegfallende Abnahmegarantien gerüstet zu sein. Zugleich ist meist auch der neue Eigentümer daran interessiert, dass sich der Captive Provider weiter entwickelt. Schließlich verspricht sich auch der neue Eigentümer vom Erwerb einen strategischen Vorteil.

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