Strategien


Warenwirtschaftssystem bei Müller

Keine bösen Überraschungen mehr

Reppesgaard studierte in Hannover und arbeitete danach als Reporter und Moderator bei Hörfunk von Radio Bremen zu innen- und jugendpolitischen Themen und in den Bereichen Technologie und Wissenschaft. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg, seit 2001 arbeitet er mit Christoph Lixenfeld im druckreif Redaktionsbüro zusammen.
Manager träumen von der Kristallkugel, die ihnen verrät, was und wie viel ihre Kunden kaufen. Das neue Prognosesystem der Drogeriekette Müller bezieht Faktoren wie TV-Spots und Wetter mit ein.

"Prognosen sind eine schwierige Sache - vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen." Das wusste schon der amerikanische Schriftsteller Mark Twain Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Unternehmensverantwortlichen der Müller Ldt. & Co. KG können es sich allerdings nicht leisten, Vorhersagen rein humoristisch zu betrachten. Für das süddeutsche Handelsunternehmen ist es geschäftsentscheidend, heute zu wissen, was die Kunden morgen kaufen.

Müller ist die nach Bruttoumsatz drittgrößte deutsche Drogeriekette. Das Sortiment hat wenig mit den statischen Einheitsangeboten von Mitbewerbern wie den großen Ketten Rossmann und Schlecker gemein. "Wir kommen aus dem Drogeriebereich, betreiben aber faktisch Kaufhäuser mit 4000 Quadratmetern Verkaufsfläche und 190 000 Artikeln", sagt Jürgen Lichtblau, Projektleiter Warenwirtschaftssystem bei Müller.

Umfangreiche Lager- und Regalbestände kosten Platz und binden Kapital. Zu knapp bestückte Regale sind dagegen schnell leer gekauft, die Kunden sind frustriert, und Umsatz geht verloren. Welche Bestandsmengen wirklich benötig werden, wenn zum Beispiel für eine Weihnachtsgeschenkaktion neue Parfüms angeboten werden, können klassische Warenwirtschaftssysteme nur schwer prognostizieren. Anhand von Vorjahres- und Kassenverkaufsdaten lassen sich zwar saisonale Trends vorhersehen. Doch stehen bei den großen Handelsunternehmen bis zu zehn Prozent der Regalfläche leer, schätzt Armin Schwanke, Entwicklungsleiter für den Bereich Retail beim Softwarehersteller Carus in Norderstedt.

Biertrinker kaufen Windeln

Ein Grund für den Leerstand liegt darin, dass vieles bei der Disposition unberücksichtigt bleibt. Ein Beispiel: Statistisch ist erwiesen, dass Bier-Sonderangebote mit großen Windelverkäufen einhergehen. "Die Ehefrau sagt, 'Bring Windeln mit, wenn du Bier holst' ", sagt Schwanke. Um Vorhersagen zu verfeinern, müsste eine Dispositionslösung solche Faktoren anders als bisher mit einkalkulieren. Doch so weit sind die wenigsten Unternehmen. "Wenn ein Lieferant wie Ferrero zum Beispiel im Herbst eine Kampagne zur Wiedereinführung der goldenen Rocher-Kugeln startet, wird oft mit Excel oder mit der Hand nachgerechnet, welche Auswirkungen das auf den Verkauf und die Bestellungen hat", sagt Schwanke.

Das galt lange auch für die Müller-Disposition. Die Warenwirtschaft lenkt den Warenfluss von bis zu 1,4 Millionen Artikelbewegungen täglich. Basis sind die Verkaufsdaten der Filialkassen, die die Filialserver einmal täglich via Virtual Private Network an die zentrale Sybase-Datenbank liefern. Der zentrale Einkauf konnte dabei aber nicht im Detail auf die realen Bedingungen in allen 400 Filialen eingehen. Die Folge: Obwohl Lager und Lieferkapazitäten ständig ausgelastet waren, fehlten trotzdem immer wieder Artikel in den Regalen.

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