Strategien


Bertelsmann ICS

Taschenbuch-Server statt Mainframe-Schwarte

05.04.2004

Auch technische Weiterentwicklungen hatten die Wahl der Server-Lösung begünstigt. Die bislang als kritisch betrachtete Stabilität von Windows-Server-Systemen hatte sich deutlich verbessert. Zum anderen gab es mittlerweile ausgereifte Software für die Migration von Cobol-Programmen. Dabei fiel die Wahl auf den britischen Cobol-Spezialisten Micro Focus, dessen Werkzeuge Cobol-Anwendungen komplett und nur mit geringen Code-Änderungen von Cobol-Großrechner auf Cobol-PC übertragen. Diese Tools entsprechen auch den ICS -Anforderungen an die Projektlaufzeit. Die Migration sollte nicht länger als sechs Monate dauern. "Bei einer Laufzeit von zwei Jahren ist ein Scheitern programmiert, weil sich in dieser Zeit zu viel ändert", so Bodner.

In der Realität ging der Halbjahresplan für alle Clubs allerdings nicht auf. Als ICS das Projekt startete, mussten zunächst die Programme auf DB2 angepasst und Änderungen am Metadatensystem vorgenommen werden. Zum ersten Mal setzte Bodner das neue System im November 2002 im französischsprachigen Club in der Schweiz ein, es folgten sukzessive der deutschsprachige Schweizer Club sowie Polen, Österreich und schließlich im Oktober 2003 Kanada. Bodners Fazit: "Die Anwendung läuft extrem stabil, die Antwortzeiten liegen immer unter einer Sekunde, bei einfachen Transaktionen sind sie nicht mehr sinnvoll messbar. In fünf Monaten Betrieb hatten wir einen einzigen Stillstand für zehn Minuten."

Virtual Data Center steuert Server

Seit dem Wechsel laufen alle Applikationen auf Compaq-Servern, die nun dezentral in den einzelnen Landesgesellschaften stehen. Bodner nennt es ein Virtual Data Center, weil die Anwender und die physischen Geräte nicht mehr in Wien, sondern in den Ländern sind. "Server gehören in die Büros, weil die Antwortzeiten schneller sind und Leitungskosten entfallen", begründet Bodner.

Bis auf die Clubs in Kanada und Polen managen nun 3,5 Mitarbeiter von Wien aus alle Geschäftsprozesse der übrigen Clubs mit einem Steuerungsprogramm (Scheduler). Die Club-Kunden produzieren täglich rund 100 000 Lieferscheine, was eine Vielzahl von Bestellungen und Rechnungen nach sich zieht. Täglich müssen die Systeme rund 2700 Batch-Jobs erledigen. "Wir mussten die gesamte Job-Scheduling-Sprache erneuern und ein Tool finden, das dezentral automatisierte Abläufe steuert", so Bodner.

Sämtliche Daten von und zu externen Systemen steuert nun die Scheduling-Software UC4. Wenn beispielsweise Geschäfte in Montréal um 19 Uhr schließen, dann startet automatisch das Tool alle Programme bis hin zum Rechnungsdruck. Zu Beginn bekommt ein Mitarbeiter im Virtual Data Center in Wien die Meldung per SMS oder Mail, dass der Prozess gestartet wurde. Drei Mitarbeiter überwachen den Ablauf, wobei einer der drei immer Bereitschaftsdienst hat. Tritt ein Übertragungsfehler auf, bekommt der Mitarbeiter automatisch die Meldung "Internetdatei von Kanada Montréal ist leer".

Doch nach Bodners Meinung hätte die Technik allein dem Projekt nicht zum Gelingen verholfen. Entscheidend waren seine Mitarbeiter. Auf Mainframe-Seite hieß das große Kenntnisse der Mitarbeiter über Cobol und die Datenbank, auf der PC-Seite über Windows, Cobol und DB2. Außerdem mussten sie sich mit der Migrationssoftware auskennen. Bodner: "Nur durch das Know-how und das tiefe Verständnis der Mainframe- und PC-Welt der Mitarbeiter führten dieses neuartige Projekt zu Erfolg."

Zur Startseite