Strategien


CIO Luis Pancorbo

Wie L'Oréal eine Branche neu erfindet

Sónia Santos Dias ist Autorin unserer Schwesterpublikation CIO Portugal.
L'Oréal setzt auf das Konzept "Beauty Tech": Man will kein Beauty-Unternehmen sein, das Technologie einsetzt, sondern ein Tech-Unternehmen, das Schönheit schafft.
Juan Luis Pancorbo, CIO von L'Oréal Spanien und Portugal: "Wir verfolgen das Ziel, bis 2023 die Hälfte unseres Geschäfts mit all seinen Wachstumsfaktoren digital abzubilden."
Juan Luis Pancorbo, CIO von L'Oréal Spanien und Portugal: "Wir verfolgen das Ziel, bis 2023 die Hälfte unseres Geschäfts mit all seinen Wachstumsfaktoren digital abzubilden."
Foto: L'Oréal

Innovation gehört zu den Triebfedern von L'OréalL'Oréal, und die digitale Transformation steht schon lange oben auf der Agenda des Konzerns. Das Digitalisierungsvorhaben begann schon vor zehn Jahren und trug besonders viele Früchte während der Hochphase der Corona-Pandemie, als sich der Strukturwandel in der Branche massiv beschleunigte. Top-500-Firmenprofil für L'Oréal

"Digital ist ein Schlüsselfaktor", sagt Juan Luis Pancorbo, CIO von L'Oréal Spanien und Portugal, und fügt hinzu: "In unserem Unternehmen verfolgen wir das Ziel, bis 2023 die Hälfte unseres Geschäfts mit all seinen Wachstumsfaktoren digital abzubilden." Im laufenden Jahr liege der Fokus darauf, die Vertriebskanäle zu optimieren. Das betreffe nicht nur den Online-Handel, sondern auch den weiterhin wichtigen Verkauf in den Geschäften und Märkten.

L'Oréal feilt an seiner Omnichannel-Strategie und einer intensiveren Fokussierung auf den Kunden. Laut Pancorbo gelingt das "mit innovativen Initiativen wie der Schaffung attraktiver Dienstleistungen, zum Beispiel der virtuellen Anprobe". Die Konsumenten sollen die Produkte sowohl im physischen Geschäft als auch im Online-Shop ausprobieren können.

Eine andere Initiative beschäftigt sich mit dem Auswerten von Verbraucherkommentaren im Netz. Für deren Analyse setzt L'Oréal auf künstliche Intelligenzkünstliche Intelligenz (KI). Wie Pancorbo ausführt, sind diese und andere Initiativen für die Beschäftigten in Vertrieb und Customer Service von größter Bedeutung. Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de

Weil die Grenzen zwischen Offline und Online zusehends verschwimmen, haben die Franzosen eine "O+O-Struktur" (Online + Offline) geschaffen, die "auf IT-Ebene einzigartig" sei, berichtet Pancorbo. "Die Kundendaten sind der Schlüssel für die Verbesserung des Nutzererlebnisses, immer unter der Prämisse, dass das Sammeln von Kundendaten auf Vertrauen, Transparenz und Zustimmung basiert - unter Anwendung ethischer Grundsätze und aller Sicherheitsmaßnahmen", betont der CIO.

Tiefgreifender technologische Wandel

Für L'Oréal ist die technische Transformation die Basis für den digitalen Wandel des Unternehmens. Deshalb hat das Unternehmen den Begriff "Beauty Tech" geschaffen. CIO Pancorbo spricht von einem Konzept, das globale Veränderungen im Konzern einläute. "Wir stecken in einem tiefgreifenden technologischen Wandel und versuchen dabei, alle Prozesse, Funktionen und auch die organisatorischen Aspekte im Unternehmen zu vereinfachen."

Der Wandel stehe auf vier Säulen:

  1. ein solider Plan und eine klare Strategie für die Entwicklung einer Technologieplattform, die L'Oréals Ambitionen im Bereich Beauty Tech mit dem Schwerpunkt auf Anwendungen und Daten unterstützt;

  2. eine strategische Verlagerung der IT-Ressourcen in die Cloud und die entsprechenden Ökosysteme mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Verbraucher in den Mittelpunkt zu stellen;

  3. die Verfolgung eines IT-Nachhaltigkeitsansatzes im Einklang mit dem Programm "L'Oréal for the Future" und

  4. der Schutz von Vermögenswerten, Mitarbeitenden, Kunden und Partnern vor den immer häufiger auftretenden Cyber-Bedrohungen.

Beauty Tech bedeutet dem CIO zufolge, dass die neuesten Technologien auf den Markt für Schönheitsprodukte angewendet und so die Spielregeln im Konkurrenzumfeld geändert werden. L'Oréal arbeite daran, ein viel agileres und kreativeres Unternehmen zu werden. Es gehe nicht nur um innovative Lösungen rund um KI oder Virtual und Augmented RealityAugmented Reality (VR/AR). Das gesamte Anwendungsportfolio werde erneuert, wobei die Erfüllung aller Back-Office-Prozesse im Vordergrund stehe, sagt Pancorbo. Alles zu Augmented Reality auf CIO.de

Entscheidend sei in einer zunehmend digitalen Welt aber natürlich der Übergang in die Cloud. "Wir sehen den Wechsel zu Cloud-Infrastrukturen als absolut positiv an - nicht nur wegen der offensichtlichen Vorteile in Bezug auf Skalierbarkeit, Flexibilität und Ressourcenoptimierung, sondern auch, weil die Cloud ein Schlüsselfaktor für neue Mobilitätslösungen und den Fernzugriff für unsere Beschäftigten ist", betont der IT-Chef.

Dabei gebe es allerdings einige "nicht verhandelbare Aspekte", allen voran IT-Sicherheit und DatenschutzDatenschutz sowie Nachhaltigkeit. Der Cloud-Fokus, der mit einer KonsolidierungKonsolidierung der Systeme und einer effizienteren weltweiten Datenhaltung einhergehe, wirke sich positiv auf die Umweltbilanz aus, sagt Pancorbo. Schon in einigen Monaten werde die gesamte Infrastruktur von L'Oréal in der Cloud liegen, derzeit würden die letzten Schritte für die Migration in die Public Cloud unternommen. Wie schon vor einiger zeit angekündigt wurde, ist dabei Google Cloud der Partner der Wahl. Alles zu Datenschutz auf CIO.de Alles zu Konsolidierung auf CIO.de

Auch im elektronischen HandelHandel und in der Beziehung zu den Einzelhändlern gibt es neue Ansätze. "Der E-Commerce hat unser Marketingteam dazu gezwungen, sich technologisch ganz neu auszustatten", sagt der CIO. Dabei gehe es etwa um effektive Social-Media-Kampagnen oder das Beschicken der Webseiten im Einzelhandel mit den richtigen Inhalten. Parallel dazu setze das Team neue Instrumente ein, um Ergebnisse zu messen: etwa die Online-Verfügbarkeit von Produkten, die Integrität der Inhalte auf den Product Detail Pages (PDPs), die Sichtbarkeit der Websites von Einzelhändlern und auch die Bewertung der Produkte durch die Verbraucher anhand von Rezensionen. Top-Firmen der Branche Handel

"Wir haben viel Gewicht auf den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zu den Einzelhändlern gelegt, um zu verstehen, wo die Probleme bei der Umsetzung dieser Lösungen liegen", sagt der CIO von L'Oréal Spanien und Portugal. Manchmal gehe es schlicht darum zu erklären, was wir gemeinsam durch die Einführung bestimmter Technologien gewinnen können. Die Grundlage für alles sind Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Daten und das Vertrauen, dass die Daten korrekt sind und bessere Entscheidungen ermöglichen", betont er.

Daten als Herzstück der Prozesse

L'Oréal möchte Daten in den Mittelpunkt aller Prozesse stellen. Pancorbo räumt ein, dass sein Unternehmen trotz des aufgebauten Wissens im Bereich des Datenmanagements hier noch einen langen Weg vor sich habe. "Wir haben eine Reihe von Datenquellen, interne genauso wie externe, in vielen Fällen sind sie noch isoliert voneinander. Deshalb ist der Aufbau der richtigen Architektur der Schlüssel, um Informationen miteinander in Beziehung setzen und ein vollständiges Bild erhalten zu können", sagt der CIO.

Es sei wichtig, Mitarbeitenden den Zugang zu den Daten zu gewähren, "aber wenn das unkontrolliert geschieht, kann es ein Risiko für die Informationssicherheit darstellen", so Pancorbo. Jedem einzelnen Fall einer Datenverwendung müsse eine Analyse vorausgehen, die Validierung durch den Dateneigentümer habe Vorrang vor allem. Der IT-Chef betont, wie wichtig die Untersuchung jedes Vorhabens im Zusammenhang mit der Nutzung von Daten sei und dass die Projektbeteiligten den erwarteten Nutzen und die Rendite benennen können müssten. "Wenn wir uns über diese Konzepte nicht im Klaren sind, wird es schwierig, hohe Akzeptanzraten zu erreichen", warnt Pancorbo.

Mit einer intensiveren Datennutzung entstehen auch zahlreiche neue Rollen, die des Data Engineers, des Data Stewards oder des Data Scientists etwa. "Wir müssen die richtigen Profile auswählen und ein Organigramm erstellen, das die Experten vernünftig einbindet und ihre Beziehung zu den Abteilungen klärt. Die erforderlichen Profile müssen wir an die Realität unseres Unternehmens anpassen", betont er.

Neue Arbeitsweisen

Während der Pandemie haben sich neue Arbeitsweisen etabliert, über Hybrid Work und Home-Office wurde viel gesprochen. L'Oréal hat sich für eine hybride Arbeitsform mit wöchentlich drei Tagen Präsenz in den Büros und zwei Tagen Remote Work entschieden. Man hofft, Aspekte wie Flexibilität und Work-Life-Balance mit der Bewahrung der Werte und der Kultur des Unternehmens zu verbinden.

"Telearbeit hat uns gezeigt, dass wir auch aus der Ferne produktiv und effizient sein können", sagt Pancorbo. "Sie hat sich perfekt in die neuen Formen des agilen Arbeitens eingefügt. Wir glauben aber auch, dass die Arbeit von Angesicht zu Angesicht die Kommunikation zwischen den Teams und das Sich-Einfinden neuer Mitarbeiter erleichtert. Informelle Treffen auf den Fluren oder in den Kaffeepausen sind manchmal fast genauso wichtig wie formelle Treffen."

L'Oréal legt großen Wert auf die Ergonomie des Arbeitsplatzes im Home-Office. Der Beauty-Konzern hat Geräte bereitgestellt, die den Mitarbeitern ein effizientes Arbeiten von daheim ermöglichen. Praktisch alle Laptops wurden ausgetauscht, die Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der Internet-Verbindungen und des Fernzugriffs auf Unternehmens-Ressouren wurden erhöht. Bildschirme, ergonomische Ständer, Tastatur und Maus - das gesamte Equipment steht auf modernstem Standard für alle bereit.

Was die Anwendungen betrifft, so wird Microsoft Teams als CollaborationCollaboration-Umgebung gesetzt. "Es hat uns nicht nur ermöglicht, jederzeit in Kontakt zu bleiben, sondern auch neue Formen der Zusammenarbeit bei der Aufgabenplanung und dem Informationsaustausch umzusetzen", bilanziert Pancorbo. Alles zu Collaboration auf CIO.de

Digitale Innovationen in der Beauty-Branche

L'Oréal hat bereits zahlreiche digitale Innovationen auf den Markt gebracht. Erwähnenswert sind einige Beispiele, die bereits 2022 auf der CES in Las Vegas ausgezeichnet wurden:

  • Colorsonic: ein Handgerät mit einer oszillierenden Borstendüse, das Privatkunden hilft, ihre Haare mit der exakt richtigen Dosis und in der gewünschten Farbe zu färben. Das Prinzip ähnelt dem eines Tintendruckers. Die Kunden lassen sich ihr Haarfarbset zuschicken, legen die Kartusche in den Colorsonic und bürsten ihr Haar durch, so dass sich die Farbe gleichmäßig verteilt.

  • Coloright: ein KI-basierendes Colorationssystem für Friseure, das nach einer spezifischen Haaranalyse beim Kunden personalisierte Farbmischungen für ihn bereitstellt. So kann der Stylist seinen Kunden aus 1.500 individuellen Haarfarben die geeignete anbieten.

  • Der Water Saver: entwickelt mit dem Schweizer Start-up- Unternehmen Gjosa, stellt L'Oréal einen intelligenten Duschkopf bereit, der den Wasserverbrauch um bis zu 65 Prozent senken kann. Dabei werden die Haarpflege-Produkte vorab in das Wasser eingerührt und mit Hilfe des Brausekopfs aufgetragen.

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