Strategien


DB Navigator reloaded

Wie die Deutsche Bahn eine neue Vertriebsplattform baut

Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Mit agilen Teams und einem millionenschweren Budget entwickelt CTO Ralf Gernhold die neue digitale Vertriebsplattform der Deutschen Bahn in der Amazon-Cloud.
"Wir brauchen keine agilen Fundamentalisten", sagt Ralf Gernhold, CTO bei DB Vertrieb. Mit dem Programm "Vendo" stemmt er eines der größten IT-Vorhaben der Deutschen Bahn.
"Wir brauchen keine agilen Fundamentalisten", sagt Ralf Gernhold, CTO bei DB Vertrieb. Mit dem Programm "Vendo" stemmt er eines der größten IT-Vorhaben der Deutschen Bahn.
Foto: DB Vertrieb

Mehr als 500 Projektbeteiligte, 22 interdisziplinäre Entwickler-Teams und ein Budget in dreistelliger Millionenhöhe - das sind die Rahmendaten eines der größten und ambitioniertesten ProjekteProjekte der Deutschen BahnDeutschen Bahn. Unter dem Namen "Vendo" verfolgt der Konzern ein ehrgeiziges Programm zur Modernisierung der Kundenschnittstellen für bahn.de und die populäre App DB Navigator. Top-500-Firmenprofil für Deutsche Bahn AG Alles zu Projekte auf CIO.de

Programmleiter und zugleich "Abnehmer" des Projekts ist Ralf GernholdRalf Gernhold, seit 2019 CTO bei der Bahntochter DB Vertrieb und Head of Passenger Sales Systems. "Wir wollen Bahnkunden eine völlig neue Customer Experience bieten", beschreibt er die Ziele. "Dazu bauen wir die erfolgsreichste Mobilitätsplattform Deutschlands auf Basis modernster Technologien neu auf." Nach dem Go-Live der neuen Plattform will er Altsysteme abschalten. Am Ende, so der Manager, gehe es bei Vendo darum, die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bahn zu erhalten. Profil von Ralf Gernhold im CIO-Netzwerk

Legacy-IT bei der Deutschen Bahn

Die IT-Systeme der Bahn stammen aus einer Zeit, in der Fahrscheine noch über andere, voneinander unabhängige Kanäle verkauft wurden. Dazu gehörten die klassischen Schalter ebenso wie Ticketautomaten in den Bahnhofshallen. Aus IT-Sicht entstanden so die berüchtigten Silos, die nicht nur zu einem hohen Aufwand bei Änderungen führten, sondern Kunden auch unterschiedliche Services, Konditionen und Berührungspunkte mit der Bahn bescherten.

Mit Vendo will der Konzern solche Probleme in den Griff bekommen und Reisenden kanalübergreifend einheitliche Benutzeroberflächen und Services präsentieren. Damit einher gehen massive Umbauten im Backend. Die Bahn setzt alle betroffenen Systeme neu auf, um die User Experience zu verbessern und zugleich die Time-to-Market zu reduzieren.

Entwicklung und Betrieb in der Amazon-Cloud

Technisch basiert Vendo komplett auf Cloud-Services, erläutert Gernhold, der vor seinem Einstieg bei der Bahn gut vier Jahre lang CIO von Miles & More war. Er setzt dabei auf eine Microservices-Architektur in der AWS-Cloud (AmazonAmazon Web Services): "Wir brechen die monolithische Software-Struktur auf und nutzen dazu State-of-the-Art-Technologien in der CloudCloud." Dazu gehört unter anderem die Container-Orchestrierungsplattform Kubernetes, die die Teams über den Amazon Elastic Kubernetes Service (EKS) einbinden. Für die Datenhaltung setzt der Konzern beispielsweise auf die Open-Source-Datenbank PostgreSQL und Amazons Storage-Service S3. Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Cloud Computing auf CIO.de

Die neue Vertriebsplattform wird nicht nur in der Amazon Cloud entwickelt, sondern auch auf den Servern des Cloud-Providers betrieben. "Das dürfte eine der größten Amazon-Installationen weltweit sein", sagt Gernhold. Der Hyperscaler sei dabei vor allem hinsichtlich der Transaktionsvolumina und der notwendigen Hochverfügbarkeit der Plattform stark gefordert. Schon in der Vergangenheit mussten die Systeme der Bahn mehr als 1.500 Buchungen pro Minute stemmen. Ein unterbrechungsfreier Betrieb ist für den Konzern geschäftskritisch: Fällt die Plattform aus, kann er keine Tickets mehr über diesen Kanal verkaufen.

Agile Methoden und SAFe bei DB Vertrieb

Eng verbunden mit dem Vorhaben ist ein groß angelegtes Digitalisierungs- und Software Reengineering-Projekt mit DevOps-Modellen. Die Bahn setzt für Vendo auf agile Methoden und nutzt unter anderem das Scaled Agile Framework (SAFe). "Wir wollen weg von komplexen Releases und setzen stattdessen auf Continuous Delivery, Integration und Deployment", erläutert Gernhold das Vorgehen.

Damit einher gehen auch weitreichende organisatorische Veränderungen. DB Vertrieb stellte für das in 21 Domänen aufgeteilte neue Vertriebssystem jeweils interdisziplinäre Teams auf, in denen IT- und Fachbereichsexperten zusammenarbeiten. Nach Abschluss des Programms soll eine neue Struktur entstehen, die sich um die Weiterentwicklung der Plattform kümmert.

Zur Startseite