Strategien


CIO Ludwig über die neue IT-Organisation

Siemens verlagert mehr IT-Mitarbeiter ins Business

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

CIO.de: Was bedeutet Mindsphere für die Gesamtstrategie von Siemens? Definieren Sie den Bereich Automatisierungstechnik künftig als Software-Business?

Ludwig: Wir denken in der Automatisierungstechnik in drei Kategorien: Das sind die Toolsets, die den Produktlebenszyklus unterstützen. Historisch sind das eher die Tools im Mechanikbereich, CAD, PLM etc., außerdem das ganze Datenmanagement, bei uns heißt das TeamCenter. Dann haben wir gesehen, dass neben der Mechanik die Elektronik und die Software zentral werden. Deswegen haben wir 2017 Mentor Graphics akquiriert. Und schließlich haben wir uns mit Digital Twins sowohl für die Produktion als auch das Produkt selbst beschäftigt. Beides gilt es zu integrieren.

Signifikanter Mehrwert für den Kunden

Jetzt geht es darum, die Informationen über die Nutzung eines Produkts im laufenden Betrieb zu erfassen und zurück zu koppeln. Beispiel: Sie haben eine Gasturbine im Feld und Hunderte von Sensoren messen Temperatur, Geschwindigkeit, Rüttelverhalten, Geräusche und vieles mehr. Wenn man es schafft, diese ganzen Informationen in den Entwicklungsprozess zurückzuspielen, entsteht ein signifikanter Mehrwert für den Kunden. Man kann die Servicezeiten beim Kunden verlängern, das Sicherheitslevel erhöhen oder Ausfallzeiten senken.

Ich wüsste heute kein Geschäft bei Siemens wo das nicht hochrelevant wäre. Nehmen Sie Züge: Wir bieten heute zwischen Barcelona und Madrid gemeinsam mit der Bahngesellschaft Renfe an, dass Passagiere bei einer Verspätung von mehr als 15 Minuten den Preis zurückbekommen. Das können die nur anbieten, weil sie einen Vertrag mit Siemens haben, der ihnen eine hohe Verfügbarkeit der Züge garantiert. Und was ist passiert? 40 Prozent der Leute, die früher mit dem Flugzeug unterwegs waren, sind auf dieser Strecke auf den Zug umgestiegen.

Das Leitmotiv der Siemens-IT

Siemens-CIO Helmuth Ludwig und sein Team haben sich drei Leitsätze für die IT gegeben:

"innovate & grow" - Innovation schaffen und Wachstum fördern. Die IT macht das Leben für jede Siemens-Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter Tag für Tag ein bisschen einfacher. "Dabei unterstützen wir ganz gezielt die Mitarbeiter mit ihren Prozessen und Produkten", so der CIO.

"give & take responsibility" - Verantwortung effektiv verteilen. Wir geben unseren Mitarbeitern eine sehr hohe Eigenverantwortung. Der Leiter eines Value Centers handelt bei uns wie ein CEO. Die Hierarchieebenen wurden um 30 Prozent abgebaut, die Komplexität in einer Struktur mit Value Centers, Chapters und Service Lines erheblich reduziert.

"create customer value, fast" - Kundenmehrwert schaffen, und zwar schnell. ITler bei Siemens müssen schnell verstehen, was der Kunde braucht, und dann möglichst bald mit einem Minimum Viable Product (MVP) auf ihn zukommen, Feedback einholen und in die nächste Iteration gehen.

Helmuth Ludwig ist seit 1990 bei Siemens und hat dort verschiedene Aufgaben im In- und Ausland übernommen. Unter anderem war er Präsident von Siemens PLM Software und CEO des Siemens Industry Sector in Nordamerika. Der CIO hat ein Ingenieurstudium in Karlsruhe absolviert und in Kiel promoviert. Zusätzlich hat er einen MBA-Abschluss bei der University of Chicago erworben. Als außerordentlicher Professor lehrte er International Corporate Strategy an der Southern Methodist University in Dallas.

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